Genussrechte können komplexe Finanzinstrumente sein

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Nach dem BGH-Urteil vom 22. März 2018 – IX ZR 99/17 – stellt die Forderung aus einem Genussrecht eine nachrangige Forderung nach § 39 InsO dar (OLG Dresden – LG Dresden, zu BGB § 307 Abs. 1 Satz 2 Bm; InsO §§ 38, 39, in Sachen der insolventen Future Business KG a. A.).

Eine andere Auffassung geht von der Unwirksamkeit von Nachrangklauseln aus, wenn Teile der Genussrechtsbedingungen gegen das Transparenzgebot verstoßen. Auch danach bestehe eine volle und keine nachrangige Schuld gegenüber dem Anleger, AG Itzehoe ZIP 2014, 2013, Bork ZIP 2014, 997; Bitter /Rauhut ZIP 2014, 2005). So auch das OLG München, Urteil vom 11.01.2018 – 23 U 1783/17 (Die bilanzielle Zuordnung von Genussrechten hänge danach von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung ab. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB sei daher zu Recht angewandt worden).

Das BGH-Urteil vom 22. März 2018 – IX ZR 99/17 – war auf die Frage der Transparenz der Genussrechtsbedingungen beschränkt. Die Transparenz wurde vom BGH bejaht. Bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel sei auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei seien Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 104/14, WM 2015, 1487 Rn. 17 mwN), BGH-Urteil vom 22. März 2018 – IX ZR 99/17. Rdnr. 35.

Der Gesichtspunkt des Schneeballsystems sowie Schadensersatzansprüche waren in dem obigen BGH-Urteil vom 22. März 2018 – IX ZR 99/17 – nicht Verfahrensgegenstand. Dieses hing damit zusammen, dass ein gemeinsamer Vertreter nach dem Schuldverschreibungsgesetz keine individuellen Ansprüche aus unerlaubter Handlung der von ihm vertretenen Geschädigten geltend machen kann.

Soweit zum BGH-Urteil vom 22. März 2018 – IX ZR 99/17.

Eine weitergehende Entscheidung unter Berücksichtigung auch von Schadensersatzansprüchen des Anlegers liegt mit dem BGH-Urteil vom 29.04.2014 – II ZR 395/12; OLG Köln (lexetius.com/2014,1578) vor.

Hiernach steht einem Schadensersatzanspruch der Genussrechtsinhaber gegen eine Gesellschaft wegen einer Tätigkeit außerhalb ihres Unternehmensgegenstands, die schlechterdings kein seriöser Kaufmann durchführen würde, nichts entgegen, BGH-Urteil vom 29.04.2014 – II ZR 395/12; OLG Köln (lexetius.com/2014,1578). Der Gedanke vorstehender Entscheidung dürfte sein, dass der Schadensersatzanspruch zum Abfindungsanspruch hinzuzurechnen ist, etwa nach BGH-Urteil vom 19. November 2013 – II ZR 383/12.

Fazit: Ob die Abfindungsansprüche Forderungen nach § 39 InsO wären (nachrangig) und die Schadensersatzansprüche Forderungen nach § 38 InsO (Vollschuld), müsste also geprüft werden. Finanzinstrumente können komplex sein, wenn deren Struktur das Verständnis der damit einhergehenden Risiken erschwert. Daraus folgt eine grundsätzliche Ungeeignetheit und Unangemessenheit der Finanzinstrumente für Privatanleger.

Nachtrag: Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben zur steuerlichen Behandlung von Genussrechten Beschlüsse gefasst (Behandlung von Genussrechten, OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 12.05.2016, S 2742-2016/0009-St 131). Eine Vergütung für die Kapitalüberlassung muss unter der Bedingung stehen, dass sie nur aus Eigenkapitalbestandteilen geleistet werden darf, die nicht besonders gegen Ausschüttungen geschützt sind. Da durch die Ausschüttung von Buchgewinnen die Substanz des Unternehmens zu Lasten der Gläubiger angegriffen wird, soll die Ausschüttung von reinen Buchgewinnen aus bestimmten Transaktionen verhindert werden. Eine Ausschüttungssperre kann auch aus Treu und Glauben abgeleitet werden.


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