Geplante Neuregelung der Verbraucherinsolvenz - nein danke

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Anlässlich der soeben zu Ende gegangen Herbsttagung von Insolvenz Anwalt 24, eine Vereinigung von ausschließlich auf Schuldnerseite tätigen Insolvenzrechtsspezialisten, wurde durch eine Vertreterin des Bundesjustizministerium erstmals Einblick gegeben in die Details der Gesetzesvorlage aus dem BJM zur Änderung der Verbraucherinsolvenz.

Danach sei Kernstück der Neuregelung die Reduzierung der Wohlverhaltensphase (WVP) von jetzt 6 auf dann 3 Jahre. Diese „Wohltat" gibt es allerdings nicht gratis. Nur derjenige redliche Schuldner, dem es gelingt, innerhalb von 3 Jahren mindestens 25 % der Gesamtverschuldungssumme zzgl. der Gerichts- und IV/TH-Kosten zu leisten, soll die Verkürzung beanspruchen dürfen.

Na super, was für eine dramatische Verbesserung!! Nein, im Ernst, diese Art von „verschlimmbessernder" Neugestaltung ist dann doch mehr ein leicht durchschaubares Ablenkungsmanöver zur Verschleierung des wahren politischen Willens, wonach das Inso-Verfahren keineswegs zugunsten der Schuldner sondern vielmehr zu deren Ungunsten „modernisiert" werden soll.

Das zeigt anschaulich ein simples Beispiel: Legt man die Durchschnittsverschuldung des typischen „Insolvenzlers" von ca. 50.000,- € zu Grunde, müsste dieser 12.500,- € zzgl. Verfahrenskosten von weiteren ca. 5.000,- insgesamt also17.500,- €, innerhalb von 3 Jahren zu zahlen in der Lage sein, d. h., ihm müssten monatlich frei verfügbare, nicht zur Lebensgestaltung auf Sozialniveau benötigte ca. 500,-€ als „Ansparrate" verbleiben.

Sorry, aber aus den mehr als 1.000 von mir anwaltlich betreuten Insolvenzverfahren ist mir kein einziger derart leistungsfähiger Schuldner erinnerlich. Was auch absolut verständlich sein dürfte, denn bei derartiger Finanzkraft erscheint schon die Insolvenzfälligkeit fraglich. Jedenfalls wäre ein derartiger Fall in kürzester Zeit auch ohne gerichtliche Hilfe im Verhandlungswege mit den Gläubigern zu vergleichen. Das dringende Erfordernis, überhaupt einen Insolvenzantrag zu stellen, wird also bei derart liquiden Schuldnern fehlen.

Da aber die Zielgruppe der Verkürzungsregelung - wie gesehen - de facto gar nicht existiert, verbleibt es regelmäßig unverändert bei der bereits nach aktueller Gesetzeslage geltenden Dauer der WVP von 6 Jahren.

Aber damit nicht genug: Geplant ist weiterhin:

  • die Versagungsgründe gem. § 304 InsO zu erweitern und restriktiver anzuwenden.
  • Neuer Versagungsgrund soll sein, wenn „der Schuldner durch eine schuldhafte Handlung das Vermögen der Beteiligten geschädigt hat und deswegen verurteilt worden ist (in dieser weit gefassten Form eine Regelung, die kaum Bestand haben wird, von der kryptischen Inhalts-, Ziel- und Zweckrichtung ganz zu schweigen!).
  • im Gegensatz zur geltenden Rechtslage, wo die Gläubiger nur im Schlusstermin mündlich Versagungsbegehren vorbringen konnten, diese für die gesamten Dauer des Verfahrens zu ermächtigen, dem Gericht schriftlich Versagungsanträge vorzulegen (was umgehend zu einer Flut von Anträgen durch solche Gläubiger führen wird, die sich im natürlichen Sinne betrogen fühlen, es aber rechtlich gar nicht sind).
  • neben den Gläubigern auch dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht ein durchgreifendes Versagungsantragsrecht einzuräumen.
  • den Insolvenzverwalter durch einen Gläubigerausschuss bestimmen zu lassen, wobei die größte Schuldsumme bei unterschiedlich vorgeschlagenen Personen den Ausschlag gibt (soll heißen: Zukünftig werden die Insolvenzverwalter/Treuhänder grundsätzlich nicht mehr vom Gericht, sondern von den Banken oder FA's - als die in den meisten Fällen größten Gläubiger - bestimmt, was allen bisherigen Grundsätzen eines fairen Verfahrens widerspricht).

Vorstehende Aufzählung geplanter Rechtsänderungen ist nicht abschließend, sondern lediglich die Darstellung der weitreichendsten Änderungen. Es gibt davon noch viele weitere, natürlich sämtlich tendenziell zu Lasten der Schuldner!

Die Neuregelung dürfte hiernach weniger auf einem echten politischen Änderungs- bzw. Rechtsmodernisierungswillen beruhen, sondern vielmehr - in Anbetracht der sich neigenden Legislaturperiode - bestimmt zu sein von der Umsetzungsnotwendigkeit des Handlungsauftrages aus dem Koalitionsvertrag, wo man seinerzeit die alsbaldige Verkürzung der Wohlverhaltensphase (WVP) von 6 auf 3 Jahre vereinbart hatte.

Nur unter der Prämisse , die vertraglich übernommenen Verpflichtungen erfüllen zu müssen - ohne dies politisch zu wollen - und deswegen die Sache so zu regeln, dass der (angeblich) angestrebte Verkürzungserfolg praktisch in keinem Falle zu erreichen sein wird, lässt sich das Regelwerk nachvollziehen, gleichwohl aber weder rechtfertigen noch entschuldigen.

Wenn dann zusätzlich aber noch der zur nachhaltigen Verbesserung der Schuldnersituation gedachte Neuregelungsauftrag zum Anlass genommen wird, allgemein die Zugangsvoraussetzungen zur Verbraucherinsolvenz, deren Durchführung und die Erfolgswahrscheinlichkeit anschließender Restschuldbefreiung (RSB) drastisch zu verschärfen, so ist dies meines Erachtens an Zynismus schwer zu übertreffen, einfach nur peinlich und insgesamt unwürdig.

Zu guter Letzt sei dabei noch Folgendes angemerkt:

In fast allen anderen europäischen Ländern, die über unterschiedlich ausgestaltete Verbraucherinsolvenzregeln verfügen, greift zunehmend ein Umdenken bei der Prioritätenbestimmung von Ziel und Zweck der Insolvenz in Ansehung des ökonomischen Wandels um sich.

Stand früher der Abschreckungsgedanke, die Bewahrung der (Zahlungs-)moral sowie die Disziplinierung und Stigmatisierung des Insolvenzlers im Vordergrund, gepaart mit dem Ziel einer dennoch bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, weichen diese Zielvorgaben zunehmend der Einsicht, dass eine nennenswerte Gläubigerbefriedigung mittels Verbraucherinsolvenz sowieso nicht erreichbar ist, egal, ob die WVP 3, 6 oder 10 Jahre andauert, dafür aber der Insolvenzler über viele lange Jahre dem Konsumentenmarkt weitgehend entzogen wird und er in vielen Fällen stattdessen äußerst gemeinschaftsschädlich staatliche Hilfen wegen insolvenzbedingter Krankheiten und Gesundheitsschäden in Anspruch nehmen muss.

Angesichts dieser Realität wird zunehmend der Entschuldungsgedanke in den Vordergrund gerückt, so wie schon lange in Amerika und seit 2008 auch in Großbritannien.

Wenn schon eine sinnvolle Gläubigerbefriedigung nicht erreichbar ist, soll wenigstens die Person des Schuldners schnellstmöglich zurück in die ordentliche Zivilgesellschaft entlassen werden, auf dass dieser umgehend weiteren Kredit aufnehme, Steuern zahle und zum Wohle der Binnenkonjunktur konsumiere. Deswegen beträgt die reine Wohlverhaltensdauer in den meisten europäischen Ländern im Normalfalle auch nur 3, maximal 5 Jahre.

Die nach den Plänen des BJM faktisch verweigerte Verkürzung der WVP nach deutschem Recht von 6 auf 3 Jahre erscheint demgegenüber realitätsfremd, wirtschafts- und europafeindlich und insgesamt als deutliche Verschlechterung der bestehenden Rechtslage.

Rechtsanwalt Heinz Egerland


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