Gerechtigkeit im Deal in der Hauptverhandlung im Strafprozess- Verständigung?

  • 5 Minuten Lesezeit

Gerechtigkeit im Deal in der Hauptverhandlung im Strafprozess- Verständigung?


Gleich zu Beginn der Hauptverhandlung sind die Öffentlichkeit und alle Beteiligten darüber zu informieren, ob und gegebenfalls welche Verständigungsgespräche mit welchem Ergebnis stattgefunden haben (§ 243 Abs. 4). Das gleiche gilt, wenn während der Hauptverhandlung außerhalb des prozessualen GeschehensVerständigungsgespräche stattfinden und das Ergebnis einer Verständigung der Hauptwandlung ist zu protokollieren (§ 273 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a).


  1. Der alternative Weg zum Urteil!

Der Gesetzgeber hat eine alternative Möglichkeit der Verfahrensführung eingeführt, wobei Absprachen im Strafverfahren seit langem „gängige“ Praxis sind. Der Verteidiger sieht sich plötzlich in der Verantwortung eines Partners für die gemeinsame Suche nach einer Vereinbarung zur einvernehmlichen Regelung der Beendigung des Verfahrens. Das Gericht hingegen sieht sich auf dem Weg zur Wahrheitssuche, was allerdings zumeist daran scheitert, dass zumeist im Strafprozess nicht allen Beweismitteln vollumfänglich praktikabel nachgegangen werden kann und stiefmütterlich behandelt werden. Diese neue Möglichkeit der Verfahrensbeendigung stellt den Strafverteidiger vor neuen Herausforderungen, da zumeist Grundlage allen Verhandelns nur noch die Darstellung der Ergebnisse der zumeist einseitig geführten Ermittlungen der Akten sind. Hier bedarf es eines Verhandlungsgeschicks alle Interessen zu einem vertretbaren Vergleich einzubinden und somit eine schnelle unstrapaziöse und faire Verfahrensbeendigung herbeizuführen.


  1. Das Ziel des Gesetzgebers zur verfahrensbeendenden Absprache im Strafprozess


Der Gesetzgeber versuchte mit dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren eine gesetzliche Implementierung der Absprache. Gesetzgeberisches Ziel der Formalisierung des informellen ist in erster Linie Transparenz, da das Zustandekommen der Verständigung informell bleibt. Dies wurde lange Zeit so praktiziert, dass sich Absprachen aus den Gerichtsfluren und Hinterzimmern geholt und in das Licht der Hauptverhandlung gerückt wurden. Auch daher bedurfte es durch diese bedeutsame und auch heftig umstrittene Vorgehensweise im Strafprozess klare gesetzlichen Vorgaben, die der Rechtssicherheit und der gleichmäßigen Rechtsanwendung dienen. Die zentrale Norm für die Verständigungsstrafverfahren folgt aus § 257c  StPO.

  1. § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten

Durch den § 257 c  werden systemfremd Kategorien des Konsenses und des Kompromisses in die Strafprozessordnung eingeführt. Der offene Verhandlungsstil wird in der Hauptverhandlung durch die Bestimmung des § 257b transferiert, welche auch in den Neuregelungen der §§ 160b, 202a, 212 enthalten ist. Die Vorschrift regelt eine schon mögliche Einladung zum Rechtsgespräch. Aus Verteidigersicht sollte man klarstellen, dass sich das Gericht durch eine offene Kommunikation und Einschätzung des Verfahrensstands nicht dem Vorwurf der Befangenheit aussetzt. Verfahrensbeteiligte sind Personen, die im Hinblick auf den Anklagevorwurf in der Hauptwandlung mit eigenen Verfahrensrechten ausgestattet sind. Hierzu gehören neben den Angeklagten, seinem Verteidiger und dem Staatsanwalt auch der Nebenkläger nach erfolgtem Anschluss. § 257c Abs. 1 S. 1 StPO räumt dem Gericht die Befugnis ein, sich in geeigneten Fällen in der Hauptwandlung mit den Verfahrensbeteiligten über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens zu verständigen. Bei § 257 c Abs. 1 handelt es sich um eine Kannvorschrift, d. h. es steht im sogenannten Pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und unter welchen Bedingungen es eine Verständigung vorschlägt. Das schließt jedoch nicht ein, dass nur das Gericht eine alleiniges Initiativrecht zu einer Verständigung hat, sondern alle Verfahrensbeteiligten entsprechende Anträge stellen und Anregungen vorbringen können, welche für das Gericht nicht bindend sind, aber auf eine pflichtgemäße Ausübung richterlicher Gestaltung abzielen. Der Angeklagte hat keinen Anspruch auf eine richterliche Erwägung einer Verständigung, da sie einer rechtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist.

  1. Was ist Gegenstand einer Verständigung?

Gegenstand der Verständigung können nur verfahrensbezogene Maßnahmen sowie das Prozessverhalten der Beteiligten sein. Der Inhalt des Urteils kann allein im Hinblick auf die Rechtsfolgen abgesprochen werden. Demgegenüber darf ein Schuldspruch oder eine Maßregel der Sicherung und Besserung nicht vereinbart werden. Gegenstand jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Nicht zwingend hängt die Zusicherung eines bestimmten Strafrahmens von der geständigen Einlassung des Angeklagten ab. Auch andere Verhaltensformen des Angeklagten kommen anstelle eines Geständnisses in Betracht. Das Ergebnis einer Verständigung geht dahin, eine gerichtliche Zusage für ein konkretes Strafmaß zu halten bei Zusage eines Geständnisses zu Beginn der Hauptverhandlung. Nicht Gegenstand der Verständigung kann ein Rechtsmittelverzicht sein, da dies gesetzlich verboten ist.


  1. Entfall der Bindung an die Verfahrenssprache (Wegfall der Geschäftsgrundlage)

Die Bindung an die Verfahrensabsprache kann nach § 257c Abs. 4 entfallen. Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Hier kommt neben rechtlichen und tatsächlichen Irrtümern des Gerichts ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ in Betracht. In beiden Fallgruppen müssen für das Gericht bedeutsame neue Umstände vorliegen. Entfällt die Bindung des Gerichts an eine Verständigung, darf das Geständnis des Angeklagten, dass er im Vertrauen auf den Bestand der Verständigung abgab, nicht verwertet werden.

  1. Gibt es Gerechtigkeit durch eine Verständigung?

Eine Verständigung bietet die Chance außerprozessual oder gar prozessual in einem vollständig informellen eingebundenen Verfahren eine weiche zu stellen, wobei der normal nicht überschaubare immense Strafrahmen eingegrenzt werden kann. Die Verständigung scheint im formalen Prozess die Verwirklichung von Gerechtigkeit viel näher. Das unbewegliche Modell des formalen Prozesses bindet nicht alle Interessen konsensual ein, da jeder Verfahrensbeteiligte seine eigenen Interessen verfolgt. Im Gegensatz hierzu transformiert die Verständigung einen Vergleich, wo alle Interessen mitberücksichtigt und gewürdigt werden sollen.


  1. Wann lohnt es sich einen Anwalt einzuschalten ?

Es lohnt sich tatsächlich im frühesten Stadion eines Ermittlungsverfahrens einen auf Strafrecht spezialisierten Anwalt seines Vertrauens einzuschalten, da nur unter Zuhilfenahme eines Anwalts Akteneinsicht beantragt werden kann, umso herauszufinden, was die Behörden tatsächlich in der Hand haben. Nicht selten kann durch Verteidigergeschick und den im Strafprozess auch normierten Einstellungsmöglichkeiten eine Hauptverhandlung vermieden werden und dass Strafverfahren eingestellt werden, ohne dass es zu einer immensen Strafe kommt. Oberste Maxime eines Bürgers sollte sein, keine Angaben bei der Polizei zu machen, damit nach Kenntnis aller Umstände eine Verteidigungsstrategie gemeinsam entwickelt werden kann, sodass es einer Verfahrensabsprache in einer Hauptverhandlung nicht kommen muss und die Beschuldigung im früheren Stadion abgewehrt werden kann. Gerne helfe ich Ihnen bei der Verteidigung ihres Strafverfahrens und stehe Ihnen zur Verfügung, damit eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann. 

Ihr Strafverteidiger Mustafa Ertunc aus Bremen 


§§ sind solche der StPO sofern nicht anders bezeichnet. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Mustafa Ertunc

Beiträge zum Thema