Was ist ein sogenannter strafrechtlicher Deal? Verständigung im Strafprozess sinnvoll oder nicht?

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Eine Verständigung (sogenannter „Deal“) zwischen den Verfahrensbeteiligten in einem Strafprozess ist seit Jahren gang und gäbe. Inhalt solch einer Verständigung ist zumeist ein (Teil-)Geständnis des Angeklagten, der im Gegenzug von einer Strafmilderung und/oder Strafobergrenze profitiert. Während dem Angeklagten damit bereits im Prozess eine gewisse Sicherheit über den Ausgang des Verfahrens gegeben wird, profitieren Gerichte und Staatsanwaltschaft von einer Verfahrensbeschleunigung.

„Verständigung“ im Ermittlungsverfahren

Im Ermittlungsverfahren stützt sich die Möglichkeit der Verständigung im Wesentlichen auf § 160b StPO. Daneben ist es natürlich auch möglich, in einer Stellungnahme nach Akteneinsicht Argumente, die für eine Einstellung sprechen, vorzubringen. Nach § 160b StPO kann die Staatsanwaltschaft den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern. Die Erörterung erfolgt formlos und es ist nicht notwendig, dass alle Verfahrensbeteiligten gleichzeitig anwesend sind (Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 160b, Rn. 7). Auch eine telefonische Erörterung ist denkbar. Der wesentliche Inhalt der Erörterung ist jedoch aktenkundig zu machen.

Die Erörterung ist regelmäßig auch der Punkt, an dem eine Einstellung angeregt oder gar die Voraussetzungen besprochen werden können, dennoch hängt es an der Staatsanwaltschaft, ob eine derartige Lösung gefunden werden kann.

Ergänzend muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass kein Anspruch auf Durchführung einer Erörterung besteht und dass auch, wenn der Staatsanwaltschaft nach dem Gesetz das Recht zur Anregung zugesprochen wird, diese Anregungen natürlich auch von der Verteidigung kommen können.

„Verständigung“ im Zwischenverfahren

Im Zwischenverfahren wird die Möglichkeit der Erörterung durch § 202a StPO gegeben. Diese läuft im Wesentlichen nach den gleichen Voraussetzungen wie die Erörterung im Ermittlungsverfahren ab. Auch die Erörterung im Zwischenverfahren kann von der Verteidigung angeregt werden, wobei ein Anspruch auf Erörterung nicht besteht.

Verständigung im Hauptverfahren

Bei der Erörterung im Hauptverfahren ist zwischen der Erörterung innerhalb und außerhalb der Hauptverhandlung zu unterscheiden. Außerhalb der Hauptverhandlung gilt § 212 StPO. Dieser hat für sich genommen keinen Inhalt und verweist ausschließlich auf § 202a StPO, sodass das zu dieser Regelung Geschriebene auch bei Erörterung außerhalb der Hauptverhandlung gilt. Zu beachten und äußerst revisionsrelevant ist jedoch, dass die Durchführung von Erörterungen vor Beginn der Hauptverhandlung nach § 243 Abs. 4 Satz1 StPO durch das Gericht in der Hauptverhandlung mitzuteilen ist, wenn auch die Möglichkeit einer Verständigung im eigentlichen Sinne (§ 257c StPO) Gegenstand dieser gewesen ist. Diese Mitteilung ist wegen § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO auch in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. 

Bei nicht verständigungsorientierten Gesprächen gilt diese Mitteilungspflicht nicht. Innerhalb der Hauptverhandlung kann eine Erörterung nach § 257b StPO stattfinden. Es gilt das bereits Ausgeführte mit dem Unterschied, dass innerhalb der Hauptverhandlung geführte Erörterungsgespräche immer und nicht nur, wenn sie auf eine Verständigung ausgerichtet sind, protokolliert werden müssen.

Durch die Erörterung kann es zu einer Verständigung im Sinne des § 257c StPO kommen. Diese kommt dem Verständnis eines „Deals“ am nächsten. Allerdings sind strenge Voraussetzungen einzuhalten und im Regelfall wird auch ein Geständnis des Mandanten nötig, sodass dieser Schritt sorgsam abzuwägen ist. Im Folgenden zu den Voraussetzungen einer solchen Verständigung.

Der wichtigste Gegenstand einer Verständigung ist regelmäßig die Einigung über den Rechtsfolgenausspruch. Das bedeutet, es wird sich über die zu erwartende Strafe geeinigt. Dabei ist es jedenfalls unzulässig, eine sogenannte Punktstrafe, also eine konkrete Strafe zu vereinbaren (so auch: BGH in: NJW 2011, S. 648). Demnach ist all denen zu widersprechen, die meinen, man könne eine konkrete Strafe aushandeln. 

Zulässig ist allenfalls, dass das Gericht einen Strafrahmen vorschlägt, also eine denkbare Unter- und Obergrenze bei der Strafzumessung bestimmt. Hierbei besteht natürlich die Gefahr, dass der Vorschlag des Gerichts auch eine drohende Wirkung auf den Angeklagten hat, da das Gericht z. B. den Strafrahmen derart weit fasst, dass beim Angeklagten der Eindruck entsteht, gestehe er nicht, komme es auch zwingend zur höchsten benannten Strafe. Derartige Drohungen sind jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unzulässig (BGH in: NJW 2010, S. 1159).

Weitere zulässige Gegenstände der Verständigung können außerdem sein:

  • Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung, auch zu Bewährungsauflagen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 257c StPO, Rn. 12)
  • Verhängung von Nebenstrafen (z. B. Fahrverbot nach § 44 StGB) (Meyer-Goßner, aaO, Rn. 10)
  • Nebenfolgen wie Verfall und Einziehung nach §§ 73ff. StGB (Meyer-Goßner, aaO)
  • Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 51 StGB

Nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO können auch sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen Gegenstand der Verständigung sein. Was zu diesen Maßnahmen konkret zu zählen ist, ist unklar. Auch in der Gesetzesbegründung finden sich hierzu keine Hinweise. Angesichts der bisher verfügbaren Informationen sind damit wohl im Wesentlichen Einstellungsentscheidungen und Beweiserhebungen sowie das Absehen von Strafe gemeint ist. Das bedeutet, dass eine Verständigung z. B. beinhalten kann, dass das Verfahren z. B. nach 153 a eingestellt wird oder dass bei einem Geständnis auch ein Absehen von Strafe in Frage kommt (z. B. wegen § 29 Abs. 5 BtmG). 


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