Geschwindigkeitsmessung durch Hinterherfahren – Freispruch für den Betroffenen

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Sachverhalt:

Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, nachts auf einer Bundesautobahn in Dortmund mit seinem Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h überschritten zu haben. Statt der maximal erlaubten 60 km/h sei dieser mit einer Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug) von 96 km/h gefahren und habe damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 36 km/h überschritten.
Die Messung erfolgte dabei durch ein mit zwei Polizeibeamtinnen besetztes Polizeifahrzeug, welches dem Fahrzeug des Betroffenen nachfolgte, die Messung durch Nachfahren durchführte und schließlich den Betroffenen auf einem Parkplatz an einer Autobahnanschlussstelle anhielt.
Der Betroffene stellte den Verstoß in Abrede und legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein.


Entscheidung:

Mit Urteil vom 22.11.2022, Az.: 729 OWi-265 Js 1807/22, sprach das Amtsgericht Dortmund den Betroffenen auf Kosten der Staatskasse frei.


Zuvor hatte das Gericht die Polizistinnen als Zeugen vernommen. Im Rahmen ihrer Vernehmung gaben die Zeugen unter anderem an, das Fahrzeug des Betroffenen in Umrissen nicht erkannt zu haben, sondern nur anhand der Rückleuchten. Aus den Aussagen der Zeugen konnte das Gericht auch nicht zweifelsfrei feststellen, wo sich die von den Zeugen angegebene Messtrecke von 1.000 Metern genau befunden hat.Im Ergebnis konnte das Gericht mithin eine ordnungsgemäße Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ohne weiteres technisches Gerät und ohne Justieren oder gar geeichten Tachometer noch dazu zur Nachtzeit nicht feststellen. Wörtlich heißt es in dem Urteil: 


Es ist bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit über eine Strecke von 1000 m bei einem Verfolgungsabstand von 100 m auf einer BAB nicht plausibel, dass einerseits die Messstrecke, andrerseits der gleichbleibende Abstand der Fahrzeuge und schließlich eine durchgehende Tachometerbeobachtung durch zwei Polizeibeamt*innen ohne jegliche Kommunikation untereinander zuverlässig festgestellt werden kann. Bei einer durchgehenden Tachometerbeobachtung sowohl durch die Beifahrer*in als auch die Fahrer*in sind eine durchgehende Beobachtung des Fahrzeugs d. Betroffenen, eine durchgehende Kontrolle des gleichbleibenden Abstandes des Polizeifahrzeuges und schließlich eine gleichzeitige Feststellung der Messstrecke nach menschlichem Ermessen nicht möglich, zumal zur Nachtzeit.


Bedeutung für die Praxis:

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ist eine Geschwindigkeitsmessung mittels Hinterherfahren und Ablesung des Geschwindigkeitswertes auf einem ungeeichtem Tacho grundsätzlich zulässig.
Wie bei jeder anderen Messung auch kommt es im Hinblick auf die Verwertbarkeit des Messergebnisses indes (umso mehr) auf die Details an. Wie der vorliegende Fall zeigt, sind gerade beim Nachfahren und Messen zahlreiche potentielle Fehlerquellen vorhanden, die es a) zu kennen gibt und b) zu Gunsten des Betroffenen aufzuzeigen sind.


Martin Volkmann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Foto(s): Martin Volkmann

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