Gewährleistung: Wie sichere ich mich vertraglich am besten ab?

  • 4 Minuten Lesezeit

Die Antwort ist: Es kommt auf die richtigen Beschaffenheitsvereinbarungen an.

Von Dr. Ulrich Rösch

MANAGEMENT SUMMARY:

  • Haben Waren oder Produkte nicht die geschuldete Beschaffenheit, stehen dem Kunden umfangreiche Gewährleistungsrechte zu.
  • Wird die gewünschte Beschaffenheit von Waren oder Produkten nicht zwischen Kunde und Lieferant vereinbart, gilt die zur im Vertrag festgesetzten Verwendung geeignete Beschaffenheit („Fit for Purpose“) als vereinbart.
  • Ausschlaggebend ist dabei nur, welche Verwendung vertraglich erkennbar war. Auf die eigentliche Verwendungsabsicht des Kunden kommt es nicht an. Dies kann zu einer Verkürzung der Gewährleistungsansprüche des Kunden und insbesondere bei Lieferketten zu einem Haftungsrisiko führen.
  • Auch Lücken in einer Beschaffenheitsvereinbarung können dazu führen, dass die Erfüllung der geschuldeten Beschaffenheit anhand der vertraglich vorausgesetzten Verwendung bemessen wird.

Im Detail:

Grundlegender Bestandteil einer jeden Gewährleistungsregelung ist die Feststellung, welche Eigenschaften überhaupt gewährleistet werden sollen. Trotz dieser essentiellen Position werden diese Regelungen dennoch oft missverstanden oder nicht präzise genug ausformuliert, wie eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urteil v. 20.03.2019 – VIII ZR 213/18), die sich mit Beschaffenheitsvereinbarungen bei Verpackungsanlagen beschäftigt, zeigt. Dies kann sowohl für den Käufer als auch den Verkäufer nachteilig sein.

Gesetzliche Grundlage 

Im deutschen Recht basiert die Gewährleistungsvereinbarung auf § 434 BGB.

Dieser besagt, dass es 3 verschiedene Grundlagen für einen Gewährleistungsanspruch gibt:

  • a.  Eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit;
  • b.  Eine für die im Vertrag vereinbarte Verwendung vorausgesetzte Eignung; sowie
  • c.  Eine für die gewöhnliche Verwendung vorausgesetzt Eignung und übliche Beschaffenheit.

Davon stellt die stärkste Grundlage die ausdrückliche vertragliche Vereinbarung einer Beschaffenheit dar.

Vertraglich vereinbarte Beschaffenheit, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB

Eine Beschaffenheitsvereinbarung stellt den Idealfall dar. Sie setzte voraus, dass der Vertragspartner in vertraglich und bindend die Gewähr für die Erfüllung bestimmter Eigenschaften der Kaufsache übernimmt.

Der Teufel steckt allerdings im Detail: Auch, wenn ausdrückliche Absprachen getroffen werden, können diese lückenhaft oder nicht ausreichend präzise sein. So wurde im vorliegenden vom BGH entschiedenen Fall die Formulierung „up to 40 pcs/min“ gewählt, um die Produktionsgeschwindigkeit einer Verpackungsanlage zu beschreiben. Diese Formulierung ist verkäuferfreundlich, denn hier wird ein Maximalwert angegeben. Ob dieser Wert jedoch dauerhaft erreicht werden muss, ist nicht klar. Für den Käufer wäre es dagegen günstiger gewesen, einen Mindestwert bzw. einen Korridor zwischen Mindest- und Maximalwert anzugeben.

Vertraglich vereinbarte Verwendung („Fit for Purpose“), § 434 Abs. 1 S. 2 BGB

Ohne (ausreichende) ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung ist ausschlaggebend, welche Verwendung die Parteien für den Kaufgegenstand vorausgesetzt haben. Nach ihr richten sich die Eigenschaften, für die der Verkäufer im Rahmen der Gewährleistung einzustehen hat.

Wichtig ist hier, dass ausschließlich Eigenschaften, die für den Verkäufer erkennbar von der vertraglich vereinbarten Verwendung vorausgesetzt werden, geschuldet sind. Es kommt damit nicht darauf an, welche Eigenschaften sich der Käufer wünscht.

Im Fall der Verpackungsanlage wünschte sich der Käufer, dass die neue Anlage mit gleichbleibender Taktung arbeitet und dass diese Taktung im Vergleich zu vorherigen Anlage erhöht ist. Durch den bloßen Vertragszweck – Verpackung von Tierfutter – war jedoch keine derartige Bestimmung erkennbar.

Ob eine Eigenschaft für den Verkäufer erkennbar war oder nicht, lässt sich über das Werkzeug der Präambel steuern. Hier kann der Verwendungszweck und das Einsatzgebiet des Kaufgegenstandes näher bestimmt und vertraglich festgehalten werden. Wird der Kunde dort als im Bereich der Medizin tätiges Unternehmen beschrieben, kann dies die Gewährleistung des Verkäufers unter Umständen ausweiten.

Diese sogenannte „Fit for Purpose“-Regelung ist nicht nur im deutschen Rechtsraum üblich, auch international sind ähnliche Regelung im europäischen UN-Kaufrecht, Sales of Goods Act von Großbritannien oder Uniform Commercial Code der USA verankert.

Gewöhnliche Verwendung sowie übliche Beschaffenheit, § 434 Abs. 1 S. 3 BGB 

Die gewöhnliche Verwendung der Kaufsache ist nur relevant, sofern sie sich von der vertraglich vereinbarten Verwendung unterscheidet und wird im Übrigen entsprechend zu den vorhergehenden Ausführungen behandelt.

Unsere Praxistipps fürs die Vereinbarung von Beschaffenheitsvereinbarungen


  • Schließen Sie immer ausdrückliche Vereinbarungen über die wesentlichen Eigenschaften, die Sie erwarten ab!

Auch wenn die aufgelisteten Eigenschaften in der Regel nicht abschließend sind, können die zentralen Produkteigenschaften so bereits abgesichert werden.


  • Denken Sie als Käufer in Mindestpositionen (Was muss der Kaufgegenstand mindestens erfüllen?) und als Verkäufer in Maximalpositionen (Welche Eigenschaften kann ich maximal zusagen?).  


  •    Formulieren Sie die Präambel des Vertrages aus.

Dieser Teil eines Vertrages wird oft überlesen. Die darin enthaltenen Festsetzungen zu der eigenen Expertise oder der des Vertragspartners, dem Projekthintergrund und dem Einsatzgebiet des Produktes können für die Bestimmung der von der Verwendung vorausgesetzten Eigenschaften der Kaufsache ausschlaggebend sein. Ein Käufer sollte hier lieber etwas weitläufigere Ausführungen machen. Dagegen sollte ein Verkäufer möglichst knappe Angaben machen.



Sollten Sie Unterstützung beim Entwurf oder der Verhandlung von Gewährleistungsklauseln benötigen, stehen wir gerne zur Verfügung!

Übrigens: Wir bieten auch INHOUSE-SCHULUNGEN zu diesen Themen an!

Foto(s): https://unsplash.com/photos/HJckKnwCXxQ

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