Gewaltschutz in Corona-Zeiten

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Gerade dann, wenn die sozialen Kontakte pandemiebedingt gering sind, wenn Familienmitglieder durch homeoffice, homeschooling, geschlossene Krippen und Kindergärten bei  wiederholtem Lockdown gezwungen sind,  auf geringem Raum, teilweise ohne Rückzugsmöglichkeit miteinander auszukommen, eskaliert die Situation häufig. 

Die Belastung und Überforderung führt zu psychischer oder physischer Gewalt in der Familie. Meist bleibt dies unentdeckt, wird verschwiegen und nicht angezeigt. 

Die Betroffenen stehen unter Schock, sind verängstigt. Wichtig ist, sich Hilfe zu holen, egal, ob man der Aggressor selbst ist oder der Aggression ausgesetzt ist. 

Viele, auch anonym zu kontaktierende Hilfeeinrichtungen stehen zur Verfügung, die je nach Fall beistehen, Rat geben oder auch eingreifen. 

Zum Schutz von Kindern in Gewaltsituationen ist zudem das Jugendamt wichtigster Ansprechpartner. 

In akuten Gewaltsituationen oder wenn eine Eskalation erkennbar bevor steht, kann über die Polizei für die Dauer von 10 Tagen ein Kontakt- und Näherungsverbot erwirkt werden und ein Aggressor kann der Wohnung verwiesen werden. 

Wenn dies nicht ausreicht, um die Situation zu beruhigen und zu befürchten ist, dass es zu Wiederholungen kommt, sollte die 10-Tages-Frist auslaufen, ist zu empfehlen, im Wege einstweiliger Anordnung bei dem zuständigen Amtsgericht einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz zu stellen. 

Dies kann entweder durch den Betroffenen selbst bei der jeweiligen Rechtsantragstelle am Amtsgericht erfolgen. Aktuell kann man dort nicht persönlich einen Antrag stellen, sondern erhält die entsprechenden, auszufüllenden Formulare, die dann mit den angeforderten Belegen eingereicht werden können. Wesentlich ist, dass die Angaben zum Grund des Eilantrages und zur Dringlichkeit Glaubhaft gemacht werden. Dies geschieht, indem der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung abgibt, dass seine Angaben vollständig sind und der Wahrheit entsprechen. Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist strafbar und wird auch streng verfolgt. 

Alternativ kann ein Anwalt beauftragt werden. Dieser wird auch darauf achten, dass ggf. auch die Kosten seiner Tätigkeit gedeckt sind und gleichzeitig vorsorglich den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe stellen und sich beiordnen lassen. Der Mandant muss dies unterstützen, indem er eine formularmäßig Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausfüllt und diese mit Anlagen zur Verfügung stellt. 

 Das Gericht wird über den Gewaltschutzantrag üblicherweise binnen 10 Tagen entscheiden. Eine Anhörung der Gegenseite kann, muss aber nicht erfolgen, wenn das Gericht den Vortrag für schlüssig hält und auch Belege, wie z. B. ärztliche Atteste oder Polizeiberichte diesen stützen. 

Es kann durch das Gericht zunächst für die Dauer von 6 Monaten die Zuweisung einer Ehewohnung erreicht werden, bzw. dem Aggressor untersagt werden, eine Wohnung des Antragstellers erneut ohne Einverständnis zu betreten oder sich dieser auf bestimmte Distanz zu nähern. Das Naherungsverbot kann auch bestimmte andere Orte betreffen, wie etwa Arbeitsplatz, Schule, Kindergarten. Ebenso ist die Annäherung an eine bestimmte, gefährdete Person zu untersagen. Auch hier kann die Einhaltung einer Distanz zu dieser Person beschlossen werden. Ebenso kann untersagt werden, den Kontakt zum Antragsteller auf jede denkbare Art und Weise herzustellen und dem Aggressor aufgeben, es zukünftig zu unterlassen, den Antragsteller zu beleidigen, körperlich zu beschädigen, herabzuwürdigen etc..

Im Falle des Verstoßes gegen die Auflagen kann gegen den Antragsgegner  ein gerichtliches Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro im Einzelfall erlassen werden und auch, falls das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann oder damit keine Wirkung erzielt werden kann, Haft anordnen. 

Der Gewaltschutzbeschluss wird bei der Polizei hinterlegt und führt dazu, dass jede Zuwiderhandlung als Straftat verfolgt wird. 

Sollten 6 Monate nicht ausreichend sein, die Gefahr zu beseitigen, kann diese Frist auch verlängert werden. 

Aktuell ist es so, dass wegen der häufig völlig überlasteten Frauenhäuser Gewaltschutzanträge sehr häufig gestellt werden, um eine räumliche Trennung zu erreichen. Denn da es meist gar nicht möglich, kurz- oder mittelfristig eine andere Unterkunft zu finden, um Streitigkeiten zu vermeiden, bleibt nichts anderes übrig, als sich über einen Gewaltschutzantrag oder einen eiligen Ehewohnungszuweisungsantrag eine Wohnung zur alleinigen Nutzung zuweisen zu lassen und so zu erreichen, dass der andere Part gehen muss. 

Natürlich liegt es nahe,  die Möglichkeit des Gewaltschutzes zu missbrauchen. Der im Wege einstweiliger Anordnung ergangene Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht angreifbar. Doch dann, wenn der Beschluss ohne Anhörung des Antragsgegners ergangen ist, hat der Antragsgegner Anspruch darauf, dass das Gericht auf seinen Antrag hin eine Anhörung in einem gerichtlichen Termin durchführt und dann neu entscheidet, wenn die Anhörung ergibt, dass die Voraussetzungen für den Gewaltschutzbeschluss in Wahrheit nicht vorlagen oder nicht ausreichend glaubwürdig erscheinen.  Dann kann ein Gewaltschutzbeschluss auch aufgehoben werden. Im Falle widerstreitender Gewaltschutzanträge der Beteiligten kann ein schon ergangener Beschluss auch im Extremfall umgedreht werden.  

Üblicherweise wird zu dieser Anhörung dann, wenn auch Kinder im Haushalt betroffen sind, auch das Jugendamt beigezogen, damit auch z. B. Fragen der Gewährung des Umgangs erörtert werden können, Jugendhilfemaßnahmen eingeleitet werden können oder Elternberatung angeboten werden kann. 

Unabhängig von einem Gewaltschutzverfahren kann bei Straftaten natürlich auch Strafanzeige erstattet werden. Die Strafverfolgung erfolgt insoweit ohne Verbindung zum zivilrechtlichen Gewaltschutzverfahren. Auch zivilrechtliche Ansprüche wegen Schmerzensgeld oder Schadensersatz sind daneben gesondert zivilrechtlich geltend zu machen und auch gesondert ggf. gerichtlich zu verfolgen. 

Da Personen, die  psychischer oder physischer Gewalt ausgeliefert waren im allgemeinen durch das erlittene Trauma in Schock oder Verzweiflung selbst kaum in der Lage sind, die nötigen und richtigen Maßnahmen zu treffen, ist es anzuraten, einen Anwalt aufzusuchen. Ein erfahrener Fachanwalt für Familienrecht wird nicht nur zutreffende Anträge bei Gericht stellen um seinen Mandanten in Sicherheit zu wissen und dessen Interessen zu wahren, sondern ihm auch psychologische, ärztliche Hilfe vermitteln und Einrichtungen, die beistehen, stabilisieren und ganz praktisch helfen, sei es in sozialrechtlicher Hinsicht  oder auch anderweitig, beispielsweise indem man gemeinsam Antragsformulare ausfüllt oder Termine wahrnimmt oder für einen Dolmetscher sorgt.

Auch wenn Sie selbst nicht betroffen sind, jedoch einem Betroffenen helfen möchten, kann es das Beste sein, den Betroffenen zum Anwaltsbesuch zu überreden. Der schafft rechtliche Klarheit und führt in aller Regel dazu, dass Betroffene über den Anwalt oder durch seine Vermittlung die richtigen Maßnahmen ergreifen, sich aus einer scheinbar aussichtslosen Situation zu befreien und wieder Stabilität zu finden, wenn der Betroffene denn das will. 

Ist der Betroffene nicht bereit, so muss er nicht fürchten, dass er seine Situation verändert oder es heraus kommt, dass er sich beraten lassen hat. Schließlich  unterliegen nicht nur Anwälte, sondern auch Ärzte und Hilfeeinrichtungen der Schweigepflicht. Diese erleben es auch immer wieder, dass Anträge zurück genommen werden, Strafanzeigen zurück genommen werden und Betroffene ihr bisheriges Leben fortsetzen möchten in der Hoffnung, dass sich psychische oder physische Gewalt nicht wiederholt. 

Wenn sich die Hoffnung dann nicht erfüllt bleibt es dabei, dass dem Betroffenen weiter alle Hilfsmöglichkeiten offen stehen, ohne wenn und aber und ohne jede Wertung. Es handelt sich jeweils nur um ein Angebot der jeweiligen Einrichtung, das aber nicht aufgedrängt wird. Und genauso steht ihnen die Tür eines versierten Anwaltes stets offen.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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