Gleichwertigkeitsprüfung vorrangig zu Kenntnisprüfung - Verzicht auf Gleichwertigkeitsprüfung durch Arzt unwirksam
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Der Verfassungsgerichtshof (VGH) München hatte im Rahmen eines Eilrechtsschutzes (Beschluss vom 16.08.2024, Az. 21 CE 24.1212) über einen Sachverhalt zu entscheiden, welcher die Frage zum Gegenstand hatte, ob ein Arzt, auf dessen eigenen Wunsch hin eine Kenntnisprüfung durchgeführt wurde, die dieser nicht bestand, das Recht hat, auf die Durchführung einer Gleichwertigkeitsprüfung zu bestehen.
Hintergrund war, dass ein Arzt, der aus einem Drittstaat stammt, für die Dauer von zwei Jahren eine vorläufige Berufserlaubnis erhielt, welche unter anderem mit der Auflage, keine Patienten eigenverantwortlich und ohne Aufsicht zu behandeln, versehen worden war. Zum Ende der gewährten Frist beantragte der Arzt die Erteilung der deutschen Approbation und kreuzte auf dem Antragsformular an, auf die Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung zu verzichten und stattdessen eine Kenntnisprüfung zu wünschen.
Nachdem er diese nicht bestand, erhob er eine Anfechtungsklage gegen die Kenntnisprüfung und eine Verpflichtungsklage auf Fortführung des Approbationsverfahrens mit einer Gleichwertigkeitsprüfung.
Gleichzeitig beantragte er im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die erteilte vorläufige Berufserlaubnis zu verlängern. Das erstinstanzliche Verwaltungsgericht Bayreuth entschied, dass die beklagte Behörde über den durch den Kläger gestellten Antrag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden habe, da diese nicht berechtigt sei, im Rahmen des Approbationsverfahrens auf eine Gleichwertigkeitsprüfung der ärztlichen Ausbildung zu verzichten und die Teilnahme an einer Kenntnisprüfung zu verlangen. Die Ladung zur Kenntnisprüfung hätte daher wegen des Vorrangs der Gleichwertigkeitsprüfung nicht erfolgen dürfen. Insoweit sei auch die Verwertung der nicht bestandenen Kenntnisprüfung ausgeschlossen.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der zuständigen Behörde wurde durch den VGH München mittels der oben genannten Entscheidung zurückgewiesen.
Zur Begründung führte der VGH München insbesondere aus, dass die Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Bundesärzteordnung (BÄO) im Ermessen der zuständigen Behörde stehe. Sie sei aber, wie sich aus der Regelung des 10 Absatz 2 Satz 2 BÄO ergebe, nur widerruflich und nur bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren zu erteilen. Für eine über diesen Zeitraum hinausgehende Verlängerung sei der Behörde nach § 10 Absatz 3 Satz 1 BÄO lediglich dann eine Ermessensentscheidung eröffnet, wenn eine Approbation wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO nicht erteilt werden könne und entweder ein besonderer Einzelfall oder Gründe der ärztlichen Versorgung vorlägen. Dabei handele es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die verwaltungsgerichtlich vollumfänglich überprüfbar seien und nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zugleich auch dem subjektiven Interesse des antragstellenden Arztes dienten.
Betreffend die Beurteilung, ob eine „besonderer Einzelfall“ im Sinne des § 10 Abs. 3 BÄO vorliegt, führte das Gericht aus, dass § 10 Abs. 2 BÄO grundsätzlich davon ausgehe, dass die Dauer der Berufserlaubnis von vorneherein höchstens zwei Jahre betrage und innerhalb dieses Zeitraumes auch die Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation hergestellt werden müssten. Eine Verlängerung der Berufserlaubnis kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die Verzögerung im Approbationsverfahren – wie vorliegend – nicht aus Gründen erfolgt, welche dem beantragenden Arzt zuzurechnen sind.
Die Kenntnisprüfung durfte auch nach Auffassung des VGH München wegen des Vorrangs der Gleichwertigkeitsprüfung nicht vorab durchgeführt werden, so dass der betroffene Arzt einen Anspruch auf Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung hatte.
Da dieser Vorrang gesetzlich normiert ist, können Ärzte auch nicht darauf verzichten, so dass eine Ladung zur Kenntnisprüfung nicht hätte erfolgen dürfen.
Der Arzt hatte damit einen Anspruch auf Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung.
Sollten Sie Fragen zu Gleichwertigkeitsprüfungen oder Kenntnisprüfungen haben, kontaktieren Sie uns gerne!

Rechtsanwältin Sabine Warnebier
Fachanwältin für Medizinrecht
Mediatorin
warnebier@voss-medizinrecht.de
www.voss-medizinrecht.de
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