Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zum Schadensersatz wegen Schockschäden

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Das deutsche Schadenersatzrecht ist grundsätzlich darauf gerichtet, den unmittelbar Geschädigten einen Anspruch gegen den Schädiger einzuräumen. Ein Drittschaden hingegen ist grundsätzlich nicht ersatzfähig. Eine Ausnahme hiervon stellt der sog. Schockschaden dar. In seinem Urteil vom 21.05.2019 – Az.: VI ZR 299/17 bestätigte der BGH nunmehr, dass die Grundsätze des Schockschadens auch anwendbar sind, wenn eine nahestehenden Person aufgrund eines kritischen Gesundheitszustandes des Patienten in Folge eines Behandlungsfehlers psychisch erkrankt.

Was ist ein Schockschaden?

Die Nachricht über den unfallbedingten Verlust oder die schwere Verletzung einer Person führt bei den nahestehenden Personen stets zu Trauer, Schmerz, erheblicher Sorge und Niedergeschlagenheit. Diese geben der betroffenen Person grundsätzlich keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Gehen die Folgen für die nahestehende Person, die nicht zwingend ein Familienangehöriger sein muss, über dieses übliche Maß hinaus und weisen sie einen Krankheitswert auf, so kann dies jedoch eine Schadensersatzpflicht begründen. Eine Ersatzfähigkeit besteht hingegen nicht, wenn es sich nicht um den Verlust oder die Verletzung einer nahestehenden Person handelt. Auch der Verlust eines geliebten Haustieres kann einen Anspruch auf Schadenersatz nicht begründen.

Das Urteil des BGH

Geklagt hatte eine Frau, die Depressionen und Angstzustände erlitten habe. Ursache dieses pathologischen Zustandes sei eine mehrere Wochen andauernde Lebensgefahr für ihren Mann infolge von Komplikationen nach einer Darmspiegelung gewesen. Verursacht wurden die Komplikationen durch einen gutachterlich nachgewiesenen Behandlungsfehler. 

Der BGH bestätigte, dass die zu den Schockschäden entwickelten Grundsätze auch in dem Fall anwendbar sind, in dem das schadensbegründende Ereignis kein Unfallgeschehen im eigentlichen Sinne, sondern eine fehlerhafte ärztliche Behandlung ist. Es ist kein Grund erkennbar, eine behandlungsfehlerbedingte erhebliche (psychische) Gesundheitsverletzung im Sinne eines Schockschadens anders zu behandeln als eine unfallbedingte. 

Bedeutung des Urteils für die Praxis

Das Urteil des BGHZ führt zu einer erheblichen Haftung für Schockschäden. Abzuwarten bleibt, ob die Haftung generell für Behandlungsfehler greift oder die Haftung auf Fälle grober Behandlungsfehler zu beschränken ist. Letzteres erscheint in zumindest systematischer Hinsicht konsequent. Während der Behandelnde und dessen Angehörige mit behandlungsimmanenten Komplikationen und leichten Behandlungsfehler rechnen muss, ist dies vergleichbar zu Unfällen bei groben Behandlungsfehler nämlich nicht der Fall.


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