Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Gemeinschaftliche Testamente können Schenkungen entgegenstehen

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Gemeinschaftliche Testamente der Eltern bieten den Erben, meist den Kindern, häufigen Anlass zu Rechtsstreitigkeiten:

Denn Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichten, ist meist nicht klar, dass die darin getroffenen gemeinsamen Anordnungen, zum Beispiel die gegenseitige Erbeinsetzung und die Einsetzung der Kinder als Schlusserben, eine Bindungswirkung für den längerlebenden Ehegatten haben. Er darf die Anordnungen nicht mehr einseitig abändern, zum Beispiel eines der Kinder enterben.

Problematische testamentarische Anordnungen: 

Wirtschaftliche „Korrektur des Testaments“ durch ausgleichende Schenkungen? 

Stellt sich eine der gemeinschaftlich getroffenen Anordnungen nach dem Tod des einen Ehegatten als problematisch heraus, sollte der längerlebende Ehegatte auch vorsichtig damit sein, „zu kurz gekommene“ Kinder mit lebzeitigen Schenkungen zu bedenken, um eine wirtschaftliche Korrektur herzustellen. Dies zeigt der folgende, vom OLG Saarbrücken entschiedene Fall:

Ein „Grundstücksausgleich“ und die Folge 

Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt und die vier Kinder als Schlusserben zu gleichen Anteilen.

Die beiden älteren Kinder hatten von ihren Eltern jeweils bereits ein Baugrundstück geschenkt bekommen. Als Ausgleich dafür wendeten die Eltern den beiden jüngeren Geschwistern in ihrem Testament als Vorausvermächtnisse je ein Grundstück Bauerwartungsland zu. Die Eltern waren davon ausgegangen, dass die Grundstücke nach dem Tod des längerlebenden von ihnen ungefähr den Wert haben würden, die die bereits verschenkten Grundstücke hatten. Dies war aber nicht der Fall, weswegen die Mutter nach dem Tod des Vaters die beiden Grundstücke veräußerte und den beiden jüngeren Kindern erhebliche Geldbeträge „zum Grundstücksausgleich“ schenkte. Hierdurch wurde die künftige Erbmasse geschmälert.

Nach dem Tod der Mutter forderte einer der beiden älteren Geschwister von den jüngeren Geschwistern die Herausgabe der Geldgeschenke – und bekam Recht.

Das gemeinschaftliche Testament, der Erbvertrag und der Schutz des Vertragserben

Gemeinschaftliche Testamente werden in einigen Aspekten vom Gesetz behandelt wie Erbverträge.

Erbverträge sind Verträge, in denen (mindestens) zwei Personen gegenseitig bindende Anordnungen treffen für den Todesfall.

Ein Beispiel: Der Großvater (Erblasser) vereinbart mit seinem Enkel, dass dieser ihn lebenslang pflegt und dafür sein alleiniger Erbe wird (Vertragserbe).

Das Gesetz schützt den Vertragserben davor, dass der Erblasser sein Vermögen zu Lebzeiten verschleudert und der Vertragserbe am Ende weniger erbt oder gar leer ausgeht: Hat der Erblasser einer anderen Person etwas geschenkt in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, dann kann der Vertragserbe das Geschenk von dem Beschenkten herausverlangen (§ 2287 Abs.1). Eine Beeinträchtigungsabsicht wird angenommen, wenn der Erblasser kein billigenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte.

Weil die Anordnungen, die die Eltern in ihrem gemeinschaftlichen Testament getroffen hatten, ebenfalls gegenseitig bindend waren, gilt die Vorschrift des § 2287 Abs.1 nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für das gemeinschaftliche Testament entsprechend.

Wirtschaftliche Korrektur und lebzeitiges Eigeninteresse

Die Mutter hatte es gut gemeint und gerecht sein wollen – aber schließlich alles falsch gemacht.

Das OLG Saarbrücken befand:

An den „Grundstücksausgleichsschenkungen“ für ihre beiden jüngeren Kinder habe sie, die Mutter, kein billigenswertes lebzeitiges Eigen-, sondern genau genommen nur ein Fremdinteresse gehabt. Die Geldgeschenke waren also herauszugeben, soweit sie den Wert der den Kindern im Wege des Vorausvermächtnisses zugewendeten und veräußerten Grundstücke überstiegen hatten (OLG Saarbrücken, Urteil v. 22.06.2022, 5 U 98/21, BeckRS 2022, 24315 / NJW Spezial 2022, 711).

Was tun? Eine Änderungsklausel kann in schwierigen Fällen helfen

Wollen Ehegatten testamentarisch einen bestimmten wirtschaftlichen oder sonstigen Erfolg erzielen, dann sollten sie auf jeden Fall eine Änderungsklausel für den längerlebenden Ehegatten ins Testament aufnehmen für den Fall, dass bestimmte Umstände eintreten oder auch nicht eintreten. Durch eine solche Änderungsklausel wird der längerlebende Ehegatte wieder ein Stück weit handlungsfähig.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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