Haftbefehl: Was nun?

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Gegen Sie oder einen Angehörigen wurde ein Haftbefehl erlassen und Sie fragen sich, was das für Sie bedeutet und wie Sie darauf reagieren sollen?

Ein Haftbefehl kann von einem Richter erlassen werden, um Untersuchungshaft anzuordnen.

In den meisten Fällen erfahren Sie aber erst von einem Haftbefehl, wenn Sie festgenommen werden.

Jetzt heißt es Ruhe bewahren. Auf jeden Fall sollten Sie so schnell wie möglich einen Strafverteidiger kontaktieren. Dies kann auch außerhalb der üblichen Bürozeiten über den Notruf erfolgen.

Ohne Anwesenheit eines Strafverteidigers sollten Sie auf keinen Fall Angaben zur Sache machen. Geständnisse oder andere Einlassungen lassen sich im Nachhinein nur schwer „aus der Welt schaffen“. Bestehen Sie vor einer Vernehmung darauf, einen Verteidiger kontaktieren zu dürfen.


Wann wird Untersuchungshaft angeordnet?

Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls ist zunächst immer das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn die Strafverfolgungsbehörden davon ausgehen, dass der Beschuldigte mit hoher oder sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Straftat begangen hat, für die er am Ende auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verurteilt werden wird.

Außerdem muss ein Haftgrund vorliegen. Ein solcher liegt vor, wenn von einer Flucht oder einem Verstecken vor den Strafverfolgungsbehörden ausgegangen wird oder wenn Fluchtgefahr besteht. Fluchtgefahr wird vor allem dann angenommen, wenn Sie obdach- oder arbeitslos sind, Beziehungen ins Ausland haben oder über keine festen sozialen Bindungen verfügen. Ein weiterer Haftgrund ist die Verdunkelungsgefahr, d.h. wenn befürchtet wird, dass Sie versuchen könnten, die Beweislage zu verändern, indem Sie z.B. bestimmte Beweismittel vernichten. Auch die besondere Schwere der Tat oder die Wiederholungsgefahr können einen Haftgrund darstellen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Sie verdächtigt werden, das Leben, den Körper oder die Gesundheit eines anderen Menschen gefährdet zu haben.


Wie wird ein Haftbefehl vollstreckt?

Um einen Haftbefehl vollstrecken zu können, wird zunächst nach dem Beschuldigten gefahndet. Das heißt, die Polizei sucht nach dem Beschuldigten. Dazu kann die Polizei auch die Wohnung des Beschuldigten durchsuchen. Anschließend wird der Beschuldigte festgenommen und in Gewahrsam genommen. Der Beschuldigte kann sich unter bestimmten Umständen auch freiwillig der Polizei stellen, wenn er vor seiner Festnahme von dem Haftbefehl Kenntnis erlangt.

Die festgenommene Person ist unverzüglich, spätestens am nächsten Tag, einem Richter vorzuführen. Dort wird er zum Tatvorwurf vernommen. Im Rahmen der Vorführung besteht bereits die Möglichkeit, belastende Umstände oder Haftgründe zu widerlegen.

Außerdem muss ihm Gelegenheit gegeben werden, einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Hält der Richter eine Untersuchungshaft für notwendig, werden Sie in eine JVA (Justizvollzugsanstalt) gebracht.


Haben Sie Anspruch auf einen Verteidiger?

Das Recht auf Beiordnung eines Verteidigers besteht bereits dann, wenn Sie nach Ihrer Festnahme erstmals dem Haftrichter vorgeführt werden sollen. Dann tritt der Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung ein. Das bedeutet, dass Ihnen ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss.

Sie können sich Ihren Verteidiger aber auch selbst aussuchen und ihn sofort nach der Festnahme telefonisch kontaktieren. Ihr Verteidiger wird als erstes Akteneinsicht beantragen, um beurteilen zu können, wie Sie am besten gegen den Haftbefehl vorgehen können.


Welche Möglichkeiten haben Sie, gegen die Untersuchungshaft vorzugehen?

In Betracht kommen eine Haftprüfung, eine Haftbeschwerde und ein Antrag auf Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls.

Sie sollten daher unbedingt mit einem Strafverteidiger zusammenarbeiten, um den für Ihren Einzelfall am besten geeigneten Rechtsbehelf auszuwählen und einzulegen.

Darf man während der Haft Kontakt zur Außenwelt haben?

Zum einen können Sie mit Ihrem Verteidiger Kontakt aufnehmen. Solche Besuche werden nicht überwacht. Auch ein Telefongespräch mit dem Verteidiger darf grundsätzlich nicht überwacht werden. Auch eine schriftliche Kommunikation ist möglich. Diese darf inhaltlich nicht überwacht werden. Schriftstücke sollten daher als „Verteidigerpost“ gekennzeichnet sein. 

Zum anderen können Sie von Freunden oder Verwandten besucht werden. Diese Besuche sind jedoch auf wenige Stunden pro Monat beschränkt. Eine Überwachung dieser Besuche ist üblich.


Einer Ihrer Verwandten oder Freunde hat einen Haftbefehl erhalten und Sie fragen sich, was Sie tun sollen oder wie Sie helfen können?

Auch Sie können die bereits erwähnte 24-Stunden-Notfallnummer des Strafverteidigers in Anspruch nehmen. Der Verteidiger kann dann den Aufenthaltsort der möglicherweise bereits festgenommenen Person ermitteln und mit ihr Kontakt aufnehmen.

Auch wenn bereits ein Pflichtverteidiger bestellt wurde, besteht selbstverständlich weiterhin die Möglichkeit, sich zusätzlich durch einen weiteren Verteidiger vertreten zu lassen.


Können Sie Ihren Angehörigen in der JVA besuchen?

Ja, Sie können Ihren Angehörigen in der JVA besuchen. Die Besuchsmöglichkeit ist jedoch auf einige Stunden pro Monat beschränkt.

Zuerst müssen Sie einen Besuchsschein beantragen. Danach können Sie zu den Besuchszeiten in die JVA gehen. Allerdings müssen Sie damit rechnen, dass Sie vor dem Einlass durchsucht werden. Handys und Taschen dürfen in der Regel nicht mitgenommen werden. Außerdem werden die meisten Besuche visuell überwacht. Für weitere Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.


Wie wirkt sich die Untersuchungshaft auf die bevorstehende Hauptverhandlung aus?

Während der Untersuchungshaft gilt das so genannte Beschleunigungsgebot. Das bedeutet, dass die Hauptverhandlung so schnell wie möglich stattfinden muss. Die Untersuchungshaft soll in der Regel nicht länger als sechs Monate dauern. Nur in Ausnahmefällen, z.B. bei besonders umfangreichen Ermittlungen, ist eine Überschreitung der sechs Monate zulässig.


Wie wirkt sich die Untersuchungshaft auf die verhängte Strafe aus?

Die Dauer der Untersuchungshaft wird grundsätzlich auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet, d.h. die Zeit der Untersuchungshaft wird auf die zu verbüßende Freiheitsstrafe angerechnet.


Fazit

Der Erlass eines Haftbefehls und die meist anschließende Untersuchungshaft stellen einen tiefen Einschnitt in das Leben dar. Sie sollten sich daher unbedingt mit einem Strafverteidiger in Verbindung setzen, wenn Sie befürchten, in Untersuchungshaft genommen zu werden, oder wenn sich ein Angehöriger in Untersuchungshaft befindet. In der Justizvollzugsanstalt haben Sie in der Regel nicht die Möglichkeit, eine angemessene Verteidigung vorzubereiten. Ein Strafverteidiger kann mit Ihnen das weitere Vorgehen besprechen und gegen den Haftbefehl vorgehen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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