Haftung für Schäden am Haus des Nachbarn – Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch

  • 3 Minuten Lesezeit

Dass für Schäden an fremdem Eigentum, die vorsätzlich oder fahrlässig verursacht werden, grundsätzlich gehaftet wird, dürfte weitgehend bekannt sein. Weniger bekannt ist dagegen die verschuldensunabhängige Haftung über den sogenannten nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Entsprechend große Aufmerksamkeit erregen diesbezügliche Entscheidungen wie zuletzt das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.02.2018 (Az: V ZR 311/16).

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist von der Rechtsprechung entwickelt worden und stützt sich auf eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Er ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1 BGB, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Zudem muss der Anspruchsgegner als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qualifizieren sein, was voraussetzt, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Grundstückseigentümers oder -besitzers zurückzuführen ist. Dabei wird diese Voraussetzung sehr weit gefasst. Es reicht aus, wenn die Beeinträchtigungen auf Umständen beruhen, auf welche der Anspruchsgegner als Eigentümer oder Besitzer des Grundstückes hätte Einfluss nehmen können, auch wenn hierzu kein konkreter Anlass bestanden hat.

Die Anspruchsvoraussetzungen sind also:

  1. Anspruchsinhaber muss ein Eigentümer oder dinglich Berechtigter (z. B. Inhaber eines Nießbrauchsrechts) oder Besitzer (also auch der Mieter oder Pächter) sein.
  2. Anspruchsgegner muss ebenfalls Eigentümer, dinglich Berechtigter oder Besitzer des anderen Grundstückes sein.
  3. Vom Grundstück des Anspruchsgegners müssen Einwirkungen ausgehen.
  4. Durch die Einwirkung muss es zu einer Störung des Besitzes oder Eigentums an dem Grundstück des Anspruchsinhabers kommen.
  5. Die Einwirkung muss grenzüberschreitend sein. Im Verhältnis mehrerer Wohnungseigentümer zueinander kann ein Anspruch auch auf demselben Grundstück bestehen, wenn es sich um Einwirkungen von einem Sondereigentum auf ein anderes Sondereigentum handelt. Bei Einwirkungen von Sonder- auf Gemeinschaftseigentum oder umgekehrt scheidet ein Anspruch aus. Für Mieter verschiedener Eigentumswohnungen auf demselben Grundstück kann ein Anspruch in Betracht kommen, nicht jedoch für Mieter verschiedener Wohnungen eines nicht in Wohnungseigentum aufgeteilten Hauses.
  6. Die Einwirkung muss rechtswidrig sein.
  7. Der Anspruchsgegner muss als Störer zu qualifizieren sein.
  8. Der Anspruchsinhaber muss aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert gewesen sein, die Einwirkung zu unterbinden.

Deutlich wird der Umfang der bestehenden Haftung bei Betrachtung einiger Fallgruppen, die von der Rechtsprechung gebildet worden sind. So ist eine Haftung beispielsweise bejaht worden in folgenden Fällen:

  • Übergreifen eines durch den von dem Grundstückseigentümer beauftragten Handwerker verursachten Feuers auf das Nachbarhaus (BGH, Urteil v. 09.02.2018, V ZR 311/16)
  • Beschädigung des Nachbarhauses durch einen im Haus des Anspruchsgegners auf Grund eines technischen Defekts der Elektroleitungen (BGH, Urteil v. 11.06.1999, V ZR 377/98) oder eines elektrisch verstellbaren Bettes (BGH, Urteil v. 01.04.2011, V ZR 193/10) ausgebrochenen Brand
  • Wasserschaden nach einem Wasserrohrbuch auf dem Nachbargrundstück (BGH, Urteil v. 19.04.1985, V ZR 33/84; BGH, Urteil v. 30.05.2003, V ZR 37/02)
  • Bodenverseuchung durch Herabfallen von Schrotblei aus einer benachbarten Schießanlage (BGH, Urteil v. 20.04.1990, V ZR 282/88)
  • Risse im Gebäude infolge von Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück (BGH, Beschluss v. 16.07.2015, V ZR 214/14)
  • Umsturz eines naturgeschützten Baumes auf das Nachbargrundstück, nachdem dessen Standsicherheit durch Rodungsarbeiten beeinträchtigt worden war (BGH, Urteil v. 17.09.2004, V ZR 230/03)

Eva Stapelfeldt, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von JÜRGENS & KNÖSELS RECHTSANWÄLTE

Beiträge zum Thema