Haftung wegen Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung

  • 2 Minuten Lesezeit

Der Fall betrifft den 1929 geborenen Vater des Klägers, der an fortgeschrittener Demenz litt, bewegungs- und kommunikationsunfähig war und verschiedene gesundheitliche Probleme, einschließlich Lungenentzündungen und Gallenblasenentzündung, hatte. Im Oktober 2011 verstarb der Patient, der in den letzten beiden Jahren seines Lebens mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt wurde. Er stand unter der rechtlichen Betreuung eines Rechtsanwalts. Der Beklagte, ein niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin, war der Hausarzt des Patienten. Der Patient hatte keine Patientenverfügung hinterlassen, und sein Wille bezüglich lebenserhaltender Maßnahmen war nicht anderweitig feststellbar. Es lag also keine Situation vor, in der die künstliche Ernährung gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt wurde.

Der Kläger argumentiert, dass die künstliche Ernährung spätestens seit Anfang 2010 lediglich zu einer sinnlosen Verlängerung des Leidens seines Vaters geführt habe. Der Beklagte habe daher die Pflicht gehabt, das Therapieziel dahingehend zu ändern, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen zugelassen werde. Der Kläger fordert Schmerzensgeld und Ersatz für Behandlungs- und Pflegeaufwendungen, die er aufgrund des ererbten Rechts seines Vaters geltend macht.

Der Prozessverlauf bisher sah wie folgt aus: Das Landgericht wies die Klage ab, aber in der Berufung sprach das Oberlandesgericht dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € zu. Das Gericht argumentierte, dass der Beklagte seine Aufklärungspflicht vernachlässigt habe, indem er versäumt habe, die Frage der Fortsetzung oder Beendigung der Sondenernährung ausführlich mit dem Betreuer zu erörtern. Die dadurch entstandene Verlängerung des Lebens und des damit einhergehenden Leidens des Patienten stelle einen ersatzfähigen Schaden dar.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs lautet wie folgt: Die Revision des Beklagten wurde angenommen, und das klageabweisende Urteil des Landgerichts wurde wiederhergestellt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Es ist unerheblich, ob der Beklagte Pflichten verletzt hat, da es jedenfalls an einem immateriellen Schaden fehlt. Der Zustand des Weiterlebens mit den krankheitsbedingten Leiden aufgrund der künstlichen Ernährung steht dem Zustand des Todes gegenüber. Das menschliche Leben ist ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut schützenswert. Die Wertung des Lebens und die Entscheidung über seinen Wert obliegen niemand anderem. Deshalb ist es unzulässig, das Leben, selbst wenn es von Leiden begleitet wird, als Schaden anzusehen, wie es das Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) vorschreibt. Selbst wenn ein Patient sein eigenes Leben als lebensunwert betrachten mag, was zur Folge hätte, dass lebenserhaltende Maßnahmen gegen seinen Willen unterbleiben sollten, verbietet die Verfassungsordnung jedem, über das Leben des betroffenen Patienten zu urteilen und zu dem Schluss zu kommen, dass sein Leben ein Schaden sei.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ersatz der durch das Weiterleben des Patienten bedingten Behandlungs- und Pflegeaufwendungen. Die Aufklärungs- und Behandlungspflichten bezüglich lebenserhaltender Maßnahmen haben nicht den Zweck, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den damit verbundenen krankheitsbedingten Leiden einhergehen, zu verhindern. Diese Pflichten sollen insbesondere nicht dazu dienen, das Vermögen des Patienten für die Erben möglichst ungeschmälert zu erhalten.

Foto(s): www.kanzlei-steinwachs.de


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Stephan Steinwachs

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten