Handelsvertreter: BGH verschärft Risiko des Handelsvertreters – Verjährung des Buchauszugsanspruchs

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Kommentar zur Entscheidung des BGH vom 03.08.2017 – VII ZR 32/17

von Rechtsanwalt Matthias Jacobs, LL.M.

Während und insbesondere bei Beendigung eines Handelsvertretervertrags entsteht oft Streit über die ausstehenden Provisionen. Wichtigstes Hilfsmittel und besonderes Druckmittel des Handelsvertreters ist die Forderung nach einem Buchauszug. Dieser spielt auch bei der Berechnung des Handelsvertreterausgleichs oft eine wichtige Rolle. Der BGH hat nun klargestellt, dass die Verjährung dieses Anspruchs in ganz entscheidendem Maße von der Abrechnung der Provision abhängt. Sämtlichen anderen Auffassungen erteilt er eine Absage. Will der Handelsvertreter den Anspruch nicht verlieren, ist er daher gezwungen, den Buchauszug schon während des laufenden Vertrags zu verlangen.

Der Unternehmer ist verpflichtet, die Provision des Handelsvertreters laufend abzurechnen (§ 87c Abs. 1 Satz 1 HGB). Der Handelsvertreter muss mindestens alle drei Monate eine Provisionsabrechnung erhalten. Üblicherweise ist monatlich abzurechnen.

Für den Handelsvertreter ist es oft während des Vertragsverhältnisses und regelmäßig bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht klar, ob die Abrechnungen alle relevanten Geschäfte erfassen. Teilweise vergisst der Unternehmer auch die Abrechnung oder erteilt diese aus anderen Gründen nicht. Im Normalfall wird der Handelsvertreter sich daraufhin beim Unternehmer melden und die Abrechnung einfordern.

Vielen Handelsvertretern ist nicht bewusst, dass der Zeitpunkt der Abrechnung besondere Bedeutung für den Verlust ihrer Ansprüche und spätere Konflikte hat. Die Abrechnung ist im laufenden Vertrag und nach dessen Beendigung die Grundlage des Provisionsanspruchs. Dieser Anspruch bildet auch einen zentralen Teil der sachlichen Grundlage für den Handelsvertreterausgleich am Vertragsende.

Weil der Handelsvertreter nur begrenzt Zugriff auf Informationen hat, was tatsächlich aus den von ihm vermittelten Bestellungen wird, gewährt ihm das Gesetz einen Informationsanspruch. Er kann vom Unternehmer immer und ohne besonderen Anlass einen Buchauszug über die provisionspflichtigen Geschäfte verlangen (§ 87c Abs. 2 HGB). Dieser muss sämtliche relevanten Informationen zu den für eine Provision in Frage kommenden Geschäften enthalten. Der Buchauszug ist damit im Zweifel für die korrekte Bestimmung der Provisionsansprüche von elementarer Bedeutung. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien sind zudem für den Unternehmer nur mit großen Mühen und erheblichem Aufwand zu erfüllen. Jedenfalls kann der Handelsvertreter mit der Forderung nach einem Buchauszug dem Unternehmer erhebliche Kosten und die Bindung wichtiger personeller Ressourcen – bis hin zur zeitweisen Stilllegung des Geschäfts – verursachen. Über die Forderung nach einem Buchauszug gelingt es dem Handelsvertreter daher häufig, den Unternehmer in eine größere Kompromissbereitschaft zu drängen. Der Unternehmer ist daher stark daran interessiert, den Buchauszugsanspruch abzuwehren, der Handelsvertreter wird sich den Anspruch in jedem Fall behalten wollen. Auf der anderen Seite wird er ihn auch nicht ohne Not geltend machen, um das Verhältnis nicht zu belasten.

In dieser Gemengelage sorgt eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urteil vom 03.08.2017 – VII ZR 32/17) für Klarheit und eine potentielle Verbesserung der Situation des Unternehmers:

Nach dem Ende eines Handelsvertretervertrags forderte der Handelsvertreter im Wege der Stufenklage

  • auf erster Stufe die Erteilung des Buchauszugs für den Zeitraum vom Vertragsbeginn 27.10.2008 bis Vertragsende 31.12.2014
  • auf zweiter Stufe die Zahlung der sich aus dem Buchauszug ergebenden offenen Provisionen.

Der Beklagte Unternehmer berief sich auf Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug, soweit sich dieser auf einen Zeitraum vor dem 01.01.2012 bezog. Der Unternehmer hatte immer monatlich abgerechnet.

Der BGH hat die Verjährung bestätigt. In seinem Urteil stellt er Folgendes klar:

1. Der Anspruch auf Buchauszug ist ein selbständiger Anspruch,

Der Anspruch auf Buchauszug gemäß § 87c Abs. 2 HGB ist ein selbstständiger Anspruch des Handelsvertreters. Als solcher kann er auch selbstständig entstehen, untergehen und verjähren (BGH, Beschluss vom 23.02.2016 – VIII ZR 28/15; OLG München, Endurteil vom 14.07.2016 – 23 U 3764/15, BeckRS 2016, 13148, Rn. 32; OLG Hamm NJW-RR 2017, 934, Rn. 25).

2. der aber mit dem Provisionsanspruch untergeht

Bei dem Anspruch auf Buchauszug handelt es sich allerdings um einen Hilfsanspruch zur Durchsetzung des Anspruchs auf die Provisionen. Entfällt daher der Provisionsanspruch, wird der Anspruch auf Buchauszug gegenstandslos. Das gilt auch, wenn der Provisionsanspruch verjährt ist oder aus anderen Gründen nicht mehr durchgesetzt werden kann (BGH, Beschluss vom 23.02.2016 – VIII ZR 28/15; OLG München, Endurteil vom 14.07.2016 – 23 U 3764/15, BeckRS 2016, 13148, Rn. 32; OLG Hamm NJW-RR 2017, 934, Rn. 25).

3. und selbst regelmäßig in drei Jahren verjährt.

Der Anspruch auf Buchauszug verjährt in drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Handelsvertreter von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).

a. Der Anspruch entsteht mit der abschließenden Abrechnung der Provisionen,

Der Anspruch entsteht, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege einer Klage durchgesetzt werden kann; dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Anspruch fällig ist. Die Fälligkeit des Anspruchs auf Buchauszug setzt die Fälligkeit des Provisionsanspruchs voraus (BGH, Urteil vom 11.07.1980 - I ZR 192/78). Der Anspruch auf Buchauszug entsteht nicht (erst) bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, sondern wird bei der Abrechnung fällig (BGH, Urteil vom 29.10.2008 - VIII ZR 205/05, juris Rn. 28). Voraussetzung für den Beginn der Verjährung ist eine vollständige und abschließende Abrechnung über die provisionspflichtigen Geschäfte in einem bestimmten Zeitraum (OLG München, Endurteil vom 14.07.2016 – 23 U 3764/15, BeckRS 2016, 13148, Rn. 32).

Um abschließend zu sein, muss der Unternehmer eine Abrechnung über die dem Handelsvertreter zustehende Provision ohne Einschränkungen oder Vorbehalte erteilen. Mit einer solchen Abrechnung ist stillschweigend die Erklärung des Unternehmers verbunden, dass es keine weiteren Provisionsforderungen gibt. Das gilt auch für die Mitteilung, dass keine Provisionen angefallen sind (OLG Stuttgart ZVertriebsR 2016, 233).

b. nicht aber bereits mit Verweigerung der Abrechnung,

Der BGH stellt dabei ausdrücklich klar, dass es aber nicht ausreicht, wenn nur die Voraussetzungen der Abrechnung vorliegen. Insbesondere entsteht der Anspruch auf den Buchauszug nicht mit der Weigerung des Unternehmers, eine Abrechnung zu erteilen. Der Handelsvertreter könne in diesem Fall zwar die Forderung nach der Abrechnung mit der Forderung eines Buchauszugs verbinden, er müsse dies jedoch nicht. Stattdessen könne der Handelsvertreter gestuft vorgehen und erst nur die Abrechnung verlangen. Der Anspruch auf Buchauszug sei dann noch nicht fällig.

c. wobei Zweifel an der Abrechnung nicht erforderlich sind

Es ist aber nicht erforderlich, dass Zweifel an der Abrechnung bestehen. Der Hilfsanspruch auf Überprüfung der Abrechnung durch den Buchauszug kann immer verlangt werden.

d. und die Abrechnung nicht vollständig sein muss,

Bedeutend ist die weitere Klarstellung des BGH, dass es auch nicht darauf ankomme, dass die Abrechnung vollständig ist. Der Buchauszug diene gerade der Prüfung der Abrechnung. Es könne daher nicht Voraussetzung sein, dass die zu prüfende Abrechnung vollständig ist.

e. der Anspruch nicht erst geltend gemacht werden muss,

Das Entstehen des Anspruchs auf Buchauszug hänge auch nicht davon ab, dass der Handelsvertreter den Anspruch geltend mache. Entgegen weitverbreiteter Auffassung handle es sich nicht um einen solchen sogenannten verhaltenen Anspruch, weil der Unternehmer den Buchauszug auch schon vorher erteilen kann.

f. der Vertrag nicht erst beendet werden muss

Schließlich sei nicht erforderlich, dass das Vertragsverhältnis bereits beendet ist. Der Buchauszug kann nach dem Gesetz immer gefordert werden. Die Einforderung des Buchauszugs stelle insbesondere keinen Grund dar, ob dessen der Unternehmer den Handelsvertretervertrag außerordentlich kündigen könnte. Die Forderung könne zwar das Verhältnis erheblich belasten, das sei aber keine spezifische Besonderheit des Buchauszugs.

g. und es keiner weiteren Kenntnisse des Handelsvertreters bedarf.

Der Handelsvertreter besitzt mit der abschließenden Abrechnung die für den Verjährungsbeginn erforderlichen Kenntnisse. Erneut komme es nicht darauf an, dass der Handelsvertreter Zweifel an der Abrechnung hat.

4. Ergänzend: Vertragliche Ausschlussfristen sind zu beachten

Eine besondere Verschärfung der Situation kann eintreten, wenn im Handelsvertretervertrag – wie üblich – Ausschlussfristen vereinbart sind. Sind diese wirksam (dies werden wir in einem gesonderten Beitrag behandeln), gelten sie nach herrschender Meinung (jedenfalls mittelbar) auch für den Anspruch auf Buchauszug (Küstner/Thume – Hdb. d. VertriebsR, Kap. VI, Rn. 119).

5. Ergänzend: Ansprüche bei unzureichendem Buchauszug

Wird ein Buchauszug erteilt und ist dieser unvollständig, hat der Handelsvertreter grundsätzlich das Recht auf Nachbesserung, bei völliger Unbrauchbarkeit auf Neuerteilung (OLG Bamberg, NJW-RR 2008, 1422). Daneben besteht das Recht auf Bucheinsicht (§ 87 Abs. 4 HGB). Die Ansprüche schließen selbstständig an den ursprünglichen Anspruch auf Bucheinsicht an und verjähren auch selbständig.

Fazit

Hatte der Handelsvertreter bisher nach vielen der vertretenen Ansätze die Möglichkeit, am Ende des Vertrags einen Buchauszug auch über länger zurückliegende Geschäfte zu verlangen, fällt diese nun praktisch weg. Der Unternehmer muss bei der Erteilung des Buchauszugs nie länger als drei Jahre zurückgehen, wenn er die Provisionen immer abgerechnet hat. Bei entsprechender Vereinbarung sogar noch kürzer. Will der Handelsvertreter keine möglichen Ansprüche verschenken, muss er regelmäßig, z. B. alle drei Jahre, einen Buchauszug verlangen. Dass diese Forderung beim Unternehmer auf wenig Gegenliebe stoßen wird und in den meisten Vertragsverhältnissen wohl Utopie bleiben muss, ist absehbar. Zu beobachten bleibt, ob es starken Handelsvertretern mit entsprechender Verhandlungsmacht gelingt, den regelmäßigen Buchauszug durchzusetzen und zu einem allgemeinen Standard zu machen, der auch ihren schwächeren Kollegen zugutekommt. Wahrscheinlich ist dies aber nicht.

Der BGH sorgt damit insgesamt für einen schnelleren Rechtsfrieden, allerdings zu dem Preis, dass die Handelsvertreter ihr gesetzliches Kontrollrecht oftmals nicht mehr werden ausüben können. Die Entscheidung ist daher aus Handelsvertretersicht mit Skepsis zu betrachten. Aus Unternehmersicht ist hingegen zu begrüßen, dass der Aufwand zur Auswertung lange zurückliegender Zeiträume wegfällt und Verfahren schneller beendet werden können.

Die Entscheidung betont die Wichtigkeit regelmäßiger Abrechnungen, die so mancher Unternehmer gerne vernachlässigt. Teilweise wird der nicht angegriffenen Abrechnung sogar die Bedeutung beigemessen, dass keine weiteren Provisionsansprüche bestehen (s. hierzu unseren Artikel https://www.anwalt.de/rechtstipps/handelsvertreter-die-provisionsabrechnung-anspruchsverlust-durch-die-hintertuer_089246.html).

Der Autor ist Rechtsanwalt im Handels- und Gesellschaftsrecht und berät sowohl Unternehmer als auch Handelsvertreter in den spezifischen Rechtsfragen des Handelsvertreterrechts. Außerdem berät er Geschäftsleiter in allen gesellschaftsrechtlichen Belangen und zu sämtlichen Anforderungen des betrieblichen Alltags. Sollten Sie zum oben behandelten Thema oder sonstigen gesellschafts- und wirtschaftsrechtlichen Bereichen Fragen haben, stehen Ihnen der Autor und die Kanzlei lfr Wirtschaftsanwälte jederzeit gerne zur Verfügung.



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