Harnleiter unvollständig entfernt: 10.000 Euro

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Mit Vergleich vom 07.04.2022 hat die Haftpflichtversicherung eines Krankenhauses an meinen Mandanten zur Gesamtabfindung einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro gezahlt.

Bei dem 1957 geborenen Angestellten wurde die Diagnose eines papillären Urothelkarzinoms gestellt. Beim Urothelkarzinom handelt es sich um einen von der Schleimhaut der ableitenden Harnwege ausgehenden, bösartigen Tumor. Dieser wird häufig über eine schmerzlose Beimengung von Blut im Urin entdeckt. Die Ärzte führten deshalb eine Nephroureterektomie rechts durch (Entfernung der rechten Niere, des rechten Harnleiters und der Blasenmanschette).

Bei den regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen stellte der ambulant behandelnde Urologe ein Jahr später verdächtige Raumforderungen in der Harnblase fest. Unter der Diagnose eines Rezidivs in der Harnblase wurde eine transuretrale Resektion (TUR) der Blase durchgeführt. Es konnten vier Metastasen entfernt werden. Bei dieser Operation entdeckten die Ärzte, dass bei der Voroperation im Krankenhaus neben der rechten Niere und des Nierenbeckens nur ein Teil des rechten Harnleiters entfernt worden waren. Der distale Teil des Harnleiters bis hin zur Harnblase war nicht entfernt worden. Die Ärzte rieten zur umgehenden Nachoperation. Der Mandant musste sich einer weiteren Operation zur Entfernung dieses Harnleiters unterziehen. In der Folgezeit kam es zu Komplikationen.

Ich hatte den Ärzten des vorbehandelnden Krankenhauses vorgeworfen, die Nephroureterektomie grob fehlerhaft nur unvollständig durchgeführt zu haben. Bei einem Urethelakarzinom des oberen Harntraktes sei die radikale Nephroureterektomie das Mittel der Wahl. Wichtig sei neben der Tumornephrektomie die Entfernung des Harnleiters mit einer Harnblasenmanschette, da ansonsten in mindestens 30 % der Fälle ein bösartiges Stumpfrezidiv auftreten könne. Nierenbeckenkarzinome entstünden aus der Schleimhaut des Harntraktes und seien deshalb keine Nierenkarzinome. Es müssten also die gesamte betroffene Niere, der entsprechende Harnleiter, zusammen mit der Eintrittsstelle in die Harnblase, chirurgisch entfernt werden.

Der eingeschaltete Sachverständige kam zu dem Ergebnis: Durch die unvollständige Entfernung des rechten unteren Harnleitersegmentes, inklusive der rechten Blasenmanschette um die Harnleitermündung, habe sich das damit verbundene Rezidivrisiko manifestiert. Aus dem Operationsbericht seien keine Hinweise ersichtlich, warum der Operateur von der Regel, die Resektion des unteren Harnleiterrestes zu Vermeidung eines bösartigen Rezidivs durchzuführen, abgewichen sei. Es hätte problemlos die Möglichkeit bestanden, diesen Harnleiterrest zu entfernen.

Für den Mandanten habe dadurch ein erhöhtes Rezidivrisiko am Harnleiterstumpf bestanden. Es sei grob fehlerhaft unterlassen worden, nach Vorliegen des histologischen Befundes des Nephrektomiepräparates sofort dem Mandanten die Nachresektion des unvollständig entfernten Harnleiterstumpfes zu empfehlen. Es sei nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass es bei Mitnahme des unteren Harnleitersegmentes, inklusive einer Blasenmanschette um die Harnleitermündung, nicht zu den Rezidiven gekommen wäre.

Allerdings: Aufgrund des Behandlungsfehlers sei es allein zur Notwendigkeit der Zweitoperation gekommen. Das Auftreten der Rezidivtumoren sei nicht dem Belassen des Harnleiterstumpfes zuzurechnen. Das Auftreten der Rezidivtumoren in der übrigen Blase sei krankheitstypisch und nicht vornehmlich dem Belassen des Harnleiterrestes zuzurechnen.

Für die medizinisch notwendige Revisionsoperation und die daraus resultierenden Folgen habe ich mich mit der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses auf einen Gesamtschmerzensgeldbetrag von 10.000 Euro geeinigt. Die Haftpflichtversicherung hat auch meine außergerichtlichen Gebühren übernommen (2,0-Geschäftsgebühr und 1,5-Vergleichsgebühr).

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

Foto(s): adobe stock fotos


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