Heimliches Mitschneiden eines Personalgesprächs – fristlose Kündigung?

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Das Landesarbeitsgericht Hessen sieht in dem heimlichen Mitschneiden eines Personalgesprächs eine schwerwiegende Verletzung der Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Interessen der beteiligten Personen und damit einen Grund „an sich“, der eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigen kann.

Landesarbeitsgericht Hessen v. 23.08.2017 – gerichtl. Aktenz. 6 Sa 137/17

1. Worum ging es in der Entscheidung und wie begründet das Gericht seine Entscheidung?

Der Kläger ist über 40 Jahre alt und seit 1990 beim Arbeitgeber beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst anwendbar. Nachdem dem Kläger mehrere Abmahnungen erteilt wurden, weil er Kollegen in Gesprächen oder einer E-Mail als „Low-Performer-Burnouts“ oder „faule Mistkäfer“ und „faule Schweine“ bezeichnet sowie eine Kollegin bedroht haben soll, indem er die räumliche Distanz zu ihr derart verringert habe, dass er ihr „Gesicht zu Gesicht“ gegenüberstand und auf deren Frage: „Willst du mir drohen?“ mit „Ja“ geantwortet haben soll, wurde mit ihm am 17.03.2016 ein Personalgespräch geführt. Aufgrund einer E-Mail des Klägers vom 30.05.2016 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger das Personalgespräch mit seinem Smartphone aufgenommen hatte.

Mit Schreiben vom 03.06.2016 leitete die Beklagte das Beteiligungsverfahren für eine fristlose, hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ein. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 06.06.2016 mit, dass er keine Stellungnahme abgeben werde, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 07.06.2016 eine außerordentliche und fristlose, hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslaufrist von sechs Monaten zum Quartalsende aussprach.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht hält die Kündigung gleichwohl für wirksam, da der Kläger gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) durch heimliches Aufnehmen eines zwischen ihm und seinen Vorgesetzten geführten Personalgesprächs erheblich verletzt habe.

Das Landesarbeitsgericht hält die Kündigung ebenfalls für rechtswirksam.

Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs sei grundsätzlich geeignet, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche Kündigung „an sich“ zurechtfertigen.

Dabei komme es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an. Maßgebend sei die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Das heimliche Mitschneiden des Gesprächs durch den Arbeitnehmer sei rechtswidrig, weil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes folge. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG schütze auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig seien. Dazu gehörten in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb dürfe grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen solle sowie ob und von wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden dürfe. Das Grundrecht umfasse die Befugnis des Menschen, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig seinem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollten.

Da der Kläger das 40. Lebensjahr vollendet habe und mehr als 15 Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei, könne das Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden (vgl. § 34 Abs. 2 TVöD).

Die für eine außerordentliche Kündigung an sich geeignete Pflichtverletzung des Klägers in der Form der heimlichen Aufnahme des Personalgesprächs vom 17.03.2016 sei unbestritten.

Rechtfertigungsgründe für das Verhalten des Klägers seien nicht ersichtlich. Es könne im Weiteren den Kläger auch nicht entlasten, dass ihm – wie er behauptete – nicht bekannt gewesen sei, dass die heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs verboten sei. Hier hätte der Kläger sich durch einen Anruf bei seinem Rechtsanwalt vorher kundig machen müssen. Weiter stehe der Heimlichkeit des Mitschnitts des Personalgesprächs nicht entgegen, dass nach Einlassung des Klägers sein Smartphone deutlich sichtbar in der Mitte des Tisches an dem die Gesprächsteilnehmer saßen, gelegen habe. Die Heimlichkeit der Aufnahme hätte der Kläger nur dadurch vermeiden können, dass er die Gesprächsteilnehmer darauf hingewiesen hätte, dass er die Audio-Funktion des Smartphones aktiviert habe.

Zu Recht sei das Arbeitsgericht im Weiteren auch im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass trotz der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers keine positive Prognose für das Arbeitsverhältnis gegeben werden könne. Das Arbeitsverhältnis sei nämlich nicht nur aufgrund der heimlichen Aufnahme des Personalgesprächs am 17.03.2016 bereits durch die E-Mail des Klägers schwer belastet.

2. Wie ist diese Entscheidung zu bewerten?

Der Kläger war nach ca. 25 Beschäftigungsjahren und einem Alter von über 40 Jahren tariflich altersgeschützt, das heißt, gemäß § 34 Abs. 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst durfte ihm nur noch aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden.

Trotz seiner rund 25 Jahre im Betrieb nützte es nichts: Arbeitsgericht und Berufungsgericht (Landesarbeitsgericht) halten die außerordentliche Kündigung für wirksam. Das heimliche Mitschneiden eines Personalgesprächs ist – so sieht es das Landesarbeitsgericht Hessen (ähnlich wie auch das LAG Rheinland-Pfalz in einer Entscheidung vom 03.02.2016 – 7 Sa 220/15) – eine schwerwiegende Rechtsverletzung gegenüber den Gesprächsteilnehmern.

Dennoch bleibt ein Gefühl des Unbehagens nach dieser Entscheidung: 25 Jahre Arbeitsverhältnis futsch wegen einer heimlichen Gesprächsaufnahme? Dieses Urteil kann man als durchaus hart empfinden. Auch wenn es hierfür gute Gründe geben mag (der Grad der Rechtsbeeinträchtigung bei der Freiheit des gesprochenen Wortes mag durchaus hoch sein, der Kläger hat zudem möglicherweise im Vorfeld die beschriebenen Zuspitzungen gegenüber Kollegen zu verantworten, das Arbeitsverhältnis war also nicht vollkommen unbelastet), möglicherweise befand sich der Kläger doch irgendwie in dem Irrglauben, er müsse oder könne zur Wahrung seiner berechtigten Interessen eine Gesprächsaufzeichnung anfertigen.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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