Helge Schneider, Nena: Konzertabbruch! Geld zurück, wenn Künstler nicht mehr weitersingen (dürfen)?

  • 7 Minuten Lesezeit

99 Luftballons? Katzeklo? Nein, ausgesungen!

So in etwa dürfte sich das beschreiben lassen, was jüngst zahlreichen Besuchern der Konzerte bzw. Veranstaltungen von Helge Schneider und Nena wiederfahren ist.

Mal mehr, mal minder freiwillig stellten die Kult-Sängerin und das Universaltalent abrupt ihre Darbietungen ein. Doch mit dem Ende der musikalischen Künste, beginnt die „Kunst“ der Juristerei…

Es fragt sich: Wer kann was von wem zurückfordern? Haben Zuschauer ein Recht auf Rückerstattung des Ticketpreises oder auch Schadensersatz? Und wie schaut es im (Rechts-)Verhältnis zwischen Veranstalter und Künstler aus?

Helge Schneider hatte offensichtlich keine Lust mehr

Im Falle Helge Schneiders waren die Geschehnisse beim „Strandkorb Open Air“-Konzert vom 23.07.2021 in Augsburg besonders skurril. Da der polyvalente Entertainer grundsätzlich für jedweden Schabernack zu haben scheint und selten nach ‚Schema F‘ agiert, glaubten viele Zuschauer zunächst auch, dass es sich bloß um einen Teil seiner Inszenierung handelt.

Doch irgendwann wurde auch den hartgesottensten Helge Schneider-Fans bewusst, dass er es ausnahmsweise mal bitterernst meinte: „Das geht mir ziemlich auf den Sack. Ich habe langsam keine Lust mehr“. Mit diesen wenig feinen, gleichsam durchaus klaren Worten quittierte Helge Schneider das, was ihn seiner Auffassung nach massiv in seiner künstlerischen Gestaltung beschnitt: Das vor Ort befindliche Servicepersonal wuselte zu sehr von einem Strandkorb zum Nächsten…

Nena hatte zu viel Lust

Nena hingegen konnte bei ihrem Konzert am 25.07.2021 in Berlin gar nicht genug menschliches Gewusel haben. Allerdings war ihr Freiheitsdrang den Veranstaltern aber dann doch – für Corona-Zeiten – etwas zu stark ausgeprägt.

Wiederholt stachelte Nena die Besucher – mal mehr, mal weniger verklausuliert – zum Aufbegehren gegen die von den Ordnungsbehörden angeordneten Corona-Regeln an. Als der Veranstalter Nena daraufhin anmahnte und sie darum „bat“, die Besucher dahingehend aufzufordern, wieder in die für sie vorgesehenen „Zuschauerboxen“ zu gehen, hatte dann auch Nena irgendwann „die Schnauze voll“.

Zwar war es hier in letzter Konsequenz nicht die Künstlerin selber, die das Konzert beendete. Doch trat Nena derart konfrontativ auf, dass man jedenfalls von einem von ihr provozierten Abbruch sprechen kann. Wer letztlich „den Stecker“ zog – ob Ordnungsbehörden oder der Veranstalter (auf Geheiß der Ordnungsbehörden) – scheint nicht in Gänze geklärt.

Helge Schneider gibt noch auf der Bühne erste rechtliche Einschätzung

Die Polyvalenz Helge Schneiders jedenfalls scheint grenzenlos: Noch auf der Bühne begibt er sich auf die juristische Spielwiese und wagt eine (kostenlose) rechtliche Ersteinschätzung: „Vielleicht könnt ihr euer Geld wiederkriegen.“

Nach wohlmöglich nächtlicher rechtlicher Feinsubsumtion verkündete das Management von Helge Schneider am Tag nach dem Konzert, dass die Ticketpreise erstattet würden.

Kurze Zeit später sagte der Künstler dann sämtliche geplanten Auftritt der „Strandkorb Open Air“-Reihe ab.

Rechtliche Zweiteinschätzung 

Helge Schneider scheint wahrlich ein Multitalent. Denn die noch auf der Bühne (zumindest vermutungsweise) getätigte Ersteinschätzung – bestätigt durch sein Management am Folgetag – hält näherer rechtlicher Würdigung stand: Die Besucher haben Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises!

Im Falle Helge Schneiders entstammt der Abbruchsgrund nämlich seiner Verantwortungssphäre. Es darf insoweit davon ausgegangen werden, dass der Konzertveranstalter den Künstler vertraglich über die Rahmenbedingungen der „Strandkorb Open Air“-Reihe in Kenntnis gesetzt hat. Demnach auch dahingehend, dass das Servicepersonal zwecks Bewirtung der Zuschauer von Strandkorb zu Strandkorb tingeln würde.

Wenn Helge Schneider dann unter Verweis auf diese Begebenheiten das Konzert bereits nach ca. 30 Minuten abbricht, liegt eine (Teil-)Nichtleistung vor. Verschuldet durch den Künstler. Dann gilt vereinfacht gesprochen der allgemeinverständliche Grundsatz: Ohne Leistung keine Gegenleistung.

Wenn Helge Schneider nunmehr argumentiert hätte, dass er etwa ein Drittel seiner Darbietung abgeliefert habe und entsprechend ein Drittel vom gezahlten Ticketpreis einbehalten dürfe, hätte er sich auf rechtlich dünnes Eis begeben.

Denn es darf insoweit angezweifelt werden, ob man bei der Darbietung eines Helge Schneiders überhaupt in „Teil-Werk“ und „Gesamtwerk“ differenzieren kann. Überdies noch auf Basis zeitlicher Bemessung. Da der Künstler und sein Management aber schon gar nicht entsprechende Argumentationsversuche unternommen haben, handelt es sich hierbei bloß um eine akademische Fußnote.

Das Risiko solcher Abbrüche kann im Übrigen auch nicht durch den Veranstalter – etwa im Kleingedruckten – auf den Ticketkäufer abgewälzt werden. Solch Klauseln wären aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung der Ticketkäufer unwirksam.

Rechtliche Ersteinschätzung in Sachen Nena

In der „Causa Nena“ ist die rechtliche Lage schon etwas diffiziler. So ist von Seiten Nenas auch schon keine entsprechende rechtliche Ersteinschätzung überliefert. Von ihr kam bloß die an ihre Zuschauer gerichtete Aufforderung: „Holt Euch Eure Freiheit zurück!“. Manch Konzertbesucher hätte hier wohlmöglich den Satz „Holt Euch Euer Geld zurück!“ lieber gehört…

Im Unterschied zur „Causa Helge Schneider“ war es hier nicht die Künstlerin selber, die den Auftritt final beendete. Gleichwohl wird sich – grundsätzlich gesprochen – ein Künstler nicht immer darauf zurückziehen können, dass es Dritte waren, die „den Stecker gezogen“ haben.

An dieser Stelle sei – die obigen Ausführungen in Sachen Helge Schneider vertiefend – auch darauf hingewiesen, dass in den hier thematisierten Fällen ein (rechtliches) „Dreiecksverhältnis“ vorliegt: Veranstalter, Künstler und Ticketkäufer(Besucher). Das macht die Sach- und Rechtslage mitunter unübersichtlich und für den juristischen Laien nicht immer greifbar. Demnach bietet sich eine vereinfachte Darstellung, unter Zuhilfenahme von Beispielen, an:

Wenn etwa der Künstler wiederholt – mitunter auch noch bewusst – gegen Sicherheitsmaßnahmen  oder dergleichen verstößt, würde es unfair erscheinen, wenn sich der Künstler dergestalt simpel und ungestraft aus der leistungsmäßigen Verantwortung stehlen könnte.

In puncto Nena wird man auch durchaus argumentieren können, dass diese den Abbruch durch ihre freiheitsliebenden Aufrufe „verschuldet“ hat. Denn wer nach wiederholten Ermahnungen und anschließenden entsprechenden Zuwiderhandlungen auch noch  „Also schaltet den Strom ab oder holt mich mit der Polizei hier runter“ ruft, der kann die Verantwortung für den Konzertabbruch dann auch nur noch schwerlich von sich weisen.

Freilich müssen die Ermahnungen berechtigt sein. Ein Veranstalter oder auch die Ordnungsbehörden können einen Künstler natürlich nicht nach eigenem Gutdünken „gängeln“. Wenn aber auf ordnungsbehördliche Sicherheitskonzepte Bezug genommen wird, so muss der Künstler dies erstmal so hinnehmen. Gleich, ob die Konzepte in der eigenen Wahrnehmung sinnig oder unsinnig erscheinen.

Rückerstattungsansprüche könnten vorliegend aber daran scheitern, dass sich das Konzert von Nena im Abbruchzeitpunkt bereits in den letzten Zügen befand. Das „Gesamtwerk“ ggf. schon sein Ende gefunden hat. So wurde berichtet, dass man Nena noch so lange haben spielen lassen, bis ihr reguläres Programm beendet war. Lediglich auf eine Zugabe mussten die Zuschauer verzichten.

Da die entsprechenden Wiedergaben der Geschehnisse aber an mehreren Punkten divergieren bzw. nicht gänzlich klar sind, kann die Rechtslage insoweit nicht abschließend beurteilt werden. Unter Umständen steht auch hier Ticketinhabern ein Rückforderungsanspruch zu.

Schadensersatz fern ab des Ticketpreises?

Es fragt sich im Falle solcher Veranstaltungsabbrüche wie den vorliegend thematisierten, ob über die Rückerstattung des Ticketpreises hinaus Schadensersatzansprüche für die Besucher und Zuschauer in Betracht kommen. Bei entsprechendem Verschulden des Veranstalters (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) – ggf. auch des Künstlers – können Konzertbesucher unter Umständen ihre etwaigen Mehrkosten in Form von Schadensersatz vom Veranstalter (Vertragspartner) verlangen.

Natürlich kann auch der Veranstalter Schadensersatzansprüche gegenüber dem Künstler haben, so dieser seiner Leistungspflicht nicht nachgekommen ist oder in sonstiger Weise das avisierte Konzert vertragswidrig „sabotiert“ hat. Hier dürften schon über das im Gesetzestext verankerte Regelwerk hinaus in vielen Veranstalter-/Künstlerverträgen entsprechende Vertragsstrafen fixiert sein. Bei manch Großveranstaltung kann die Strafe bzw. der Schadensersatz dann schnell mal sechsstellige Größenordnungen einnehmen.

Grundsatzfrage: Dürfen Veranstalter oder Behörden ein Konzert abbrechen?

Im Gesamtkontext von Konzertabbrüchen stellt sich auch die Frage, ob der Veranstalter oder die Behörden ein Konzert abbrechen dürfen.

Das wird man vom Grundsatz her bejahen können. Der Veranstalter eines Konzertes wird oftmals schon aus seinem Hausrecht heraus über den (weiteren) Fortgang einer Veranstaltung disponieren dürfen. Bei Großereignissen werden an einer dahingehenden Entscheidung aber häufig die Sicherheits- und Ordnungsbehörden beteiligt, da entsprechend der Auslass und die Abreise koordiniert werden müssen.

Die Behörden haben schon aus ihrem staatlichen Gewaltenmonopol heraus die Befugnis (mitunter auch die Pflicht) unter bestimmten – tatsächlichen wie rechtlichen – Voraussetzungen die Veranstaltung abzubrechen.

Ende vom Lied

In Summe lässt sich in puncto vorzeitig abgebrochener Konzerte festhalten, dass sich sogleich nach Verstummen des letzten musikalischen Tons regelmäßig ein juristisches Orchester formieren wird: Die Musik spielt dann nicht mehr auf der Veranstaltungsbühne, sondern im Zweifel vor Gericht.

Getreu dem Motto „Jeder gegen Jeden“ kommen hier dann innerhalb aller (Rechts-)Verhältnissen zwischen den Beteiligten insbesondere Geldansprüche in Betracht.

Mehr Infos auch im Video.

Über die Kanzlei Mutschke
Frau Rechtsanwältin Nicole Mutschke ist gefragte Rechtsexpertin und deutschlandweit bekannt aus den Medien (RTL, ntv, ZDF, sternTV, WDR etc.). 

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