Herz-OP ohne Indikation: 19.000 Euro

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Mit gerichtlichem Vergleich vom 30.06.2015 hat sich ein Dortmunder Krankenhaus verpflichtet, an meinen Mandanten 19.000 Euro und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Der am 01.06.1958 geborene Arbeiter litt unter einem unklaren Husten. Es wurde eine Computertomographie des Thoraxes mit Kontrastmittel in einem medizinischen Versorgungszentrum durchgeführt. Der Befund des Radiologen lautete: „Die Aorta thoracica ascendens lässt eine Dissektion erkennen, diese beginnt auf Höhe der Aortenklappe und reicht bis zum Abgang des Truncus bracheocephalicus auf der rechten Seite, linksseitig erscheint sie bis zum Aortenbogen“. Abschließende Beurteilung: „Dissektat der Aorta ascendens“.

Die vom Mandanten mitgebrachte CD mit den CT-Bildern wurde vom diensthabenden Radiologen im Krankenhaus ausgewertet. Dem Patienten wurde erläutert, es sei sofort eine Notoperation durchzuführen. Die Bitte, eine erneute Spiral-CT durchzuführen, um einen eventuellen Irrtum auszuschließen, wurde abgelehnt. Eine präoperative Echokardiographie ergab hinsichtlich des Vorhandenseins einer Typ-A-Aortendissektion keinen richtungsweisenden Befund (keine relevante Aortenklappeninsuffizienz, kein Perikarderguss, keine auffällige Erweiterung der Aorta ascendens bzw. des Aortenbulbus).

Nachdem der Chirurg den Brustkorb und Herzbeutel eröffnet hatte, stellte er fest, dass kein Erguss vorlag und die Schlagader normal aussah. Er schloss den Mandanten nicht mehr an die Herz-Lungen-Maschine an, sondern führte eine transösophageale Echokardiographie durch. Diese Untersuchung zeigte, dass keine Aortendissektion vorlag. Die Operation wurde abgebrochen, der Brustkorb und Herzbeutel wieder verschlossen. In der Folge stellte sich eine Perikarditis ein (immunologisches Geschehen).

Der Mandant hatte dem Krankenhaus vorgeworfen: Anhand der bildgebenden Verfahren sei die Diagnose einer Typ-A-Dissektion der thorakalen Aorta unvertretbar gewesen. Es sei eine völlig falsche, nicht vertretbare Diagnose gestellt worden. Die Operation am Herzen sei ohne jegliche Indikation erfolgt, was postoperativ zu einer erheblichen Gesundheitsverschlechterung mit Infektion der Operationswunde am Sternum geführt habe.

Zwei Gutachten bestätigten die Vorwürfe: Die Bilder der Thoraxuntersuchung zeigten an der Aorta ascendens keine Auffälligkeiten und keine pathologischen Kontrastierungen. Die vermeintlichen pathologischen Veränderungen der Aorta ascendens in der Computertomographie seien eindeutig als klassische Pulsationsartefakte zu interpretieren. In zahlreichen Publikationen werde auf die Möglichkeiten dieses Pit-Falls hingewiesen. Die als Dissektat beschriebenen Formationen entsprächen nicht dem typischerweise bei einer Aortendissektion zu erwartenden Verlauf der abgehobenen Intima.

Bei Zweifeln an der Diagnose der Aortendissektion hätte die Möglichkeit einer Wiederholung der Untersuchung mit Vermeidung dieser Pulsationsartefakte durch eine EKG-Tiggerung bestanden. Der Mandant sei kein Risikopatient gewesen (54 Jahre alt, keine Vorerkrankungen). Mit einem transösophagealen Echokardiogramm vor Eröffnung des Thoraxes hätten die Ärzte zweifelsfrei eine Dissektion nachweisen können.

Die transösophageale Echokardiographie hätte der Operateur noch machen können, während er sich wusch und der Patient für die OP vorbereitet wurde. Wenn sich bei dieser präoperativen Untersuchung tatsächlich eine Dissektion gezeigt hätte, hätte man mit dem Patienten überlegt, ob er die Dissektion operieren lasse oder das Letalitätsrisiko in Kauf nehme. Als Folge der nicht indizierten OP habe sich eine Perikarditis eingestellt. Es sei bekannt, dass Herzoperationen psychisch belastend seien.

(Landgericht Dortmund, Vergleich vom 22.06.2015, AZ: 4 O 151/12)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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