Bandscheiben-Prothese ohne Indikation: 10.000 Euro

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Mit Vergleich vom 19.11.2015 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meinen Mandanten 10.000 Euro und die außergerichtlichen Anwaltsgebühren zu zahlen.

Dem 1965 geborenen Angestellten wurde am 01.06.2011 unter der Diagnose „Bandscheibenvorfall HWK 4/5 linksseitig“ ein Titan-Cage (7 mm Syn-Cage C) eingesetzt. Nach dem OP-Bericht soll mit verschiedenen Instrumenten die passende Cage-Größe aus einer Auswahl unterschiedlich großer Implantate ermittelt worden sein. Postoperativ waren die Schmerzen unverändert stark. Eine Röntgenaufnahme zeigte, dass der Cage eingesunken war. Wegen starker Schmerzen wurde am 21.06.2012 unter der Diagnose „Instabilität zervikal HWK4 - HWK6“ eine Revisionsoperation durchgeführt. Die Wirbelsäule wurde mit einem Synapse-System von HWK 4 bis HWK 6 dorsal stabilisiert.

Der Mandant hatte den Operateuren vorgeworfen, am 01.06.2011 behandlungsfehlerhaft einen zu großen Titan-Cage in das Segment HWK 4/5 eingesetzt zu haben. Die falsche Wahl des Cages habe zur Lockerung geführt und die Revisionsoperation im Juni 2012 medizinisch notwendig gemacht. Er habe über ein Jahr unter stärksten Schmerzen gelitten, sei häufig arbeitsunfähig gewesen, leide aktuell immer noch unter den Nachwirkungen der Revisionsoperation und sei nicht mehr in der Lage, seinen alten Beruf, bei dem er körperlich arbeiten müsse, nachzugehen.

Der Sachverständige bestätigte im Prozess: vor der ersten OP habe eine Diskrepanz zwischen dem radiologischen Befund und den Beschwerden vorgelegen. Der Sequester habe sich nicht in der Höhe befunden, welche die Beschwerden verursacht hätte. Zwar sei in Höhe HWK 4 ein deutlicher Bandscheibenvorfall vorhanden. Eine zwingende OP-Indikation hätte nicht bestanden, da das Rückenmark nicht betroffen gewesen sei: die Beschwerden hätten erst seit vier Wochen bestanden.

Nach den Leitlinien gäbe es keine Empfehlung, bereits zu diesem Zeitpunkt zu operieren. Aus den Krankenunterlagen könne er nicht ersehen, dass versucht worden sei, alle konservativen Maßnahmen auszuschöpfen. Die Tatsache, dass bei dem Patienten bereits eine Voroperation im Jahre 2008 stattgefunden habe, sei kein Grund, eher an eine Nachoperation zu denken. Man hätte vielmehr zuwarten müssen, weil eine Etage der Halswirbelsäule bereits ausgeschaltet war. Somit sei der Cage zwar nicht zu groß gewählt, eine Indikation zur OP habe allerdings nicht vorgelegen.

Dass überhaupt in der richtigen Segmenthöhe operiert worden sei, wäre zweifelhaft. Ob sich die Nackenschmerzen wegen der nicht indizierten Cage-Einbringung weiter ausgebildet hätten, sei gutachterlich nicht zu belegen. Der Kläger sei in der Höhe HWK 5/6 voroperiert. Er könne also nicht sagen, inwieweit die Nackenschmerzen aus welcher Segmenthöhe herrühren und ob diese durch die Cage-Einbringung verstärkt worden seien.

(Landgericht Dortmund, Vergleich vom 19.11.2015, Az.: 4 O 118/13)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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