Höhere Gewalt / Force Majeure - eine kurze Stellungnahme zur Corona-Krise

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Die durch das Coronavirus ausgelöste Krise hat die Unternehmen in der ganzen Welt fest im Griff. Die meisten Regierungen haben Verordnungen erlassen die erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.

Während in Deutschland nur teilweise nicht mehr gearbeitet werden kann, sieht das in Ländern wie Italien gebietsweise ganz anders aus. Lieferengpässe und der Ausfall von Zulieferfirmen sind die Folge.

Viele Unternehmer fragen sich nun, ist die Pandemie „höhere Gewalt“?

Höhere Gewalt bzw. Force Majeure ist nach dem Bundesgerichtshof ein "von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis" (BGH, Urt. v. 16.05.2017, Az. X ZR 142/15).

Was bedeutet das für Unternehmen? Sind sie immer schadensersatzpflichtig, wenn sie aufgrund der Krise nicht oder nur verzögert liefern können? Oder gilt die Corona-Pandemie grundsätzlich als „force majeure“ - also „höhere Gewalt“ - und ist damit jeder Schadensersatzanspruch hinfällig?

Die juristische Antwort lautet wie so häufig: „ES KOMMT DARAUF AN“.

Der Vertrag

Als erster und oft entscheidender Anhaltspunkt ist der jeweilige Vertrag. Enthält er eine Klausel zu „Höherer Gewalt“ ist das grundsätzlich positiv. Jetzt muss aber geprüft werden, was genau die Klausel beinhaltet. Steht im Vertrag explizit, dass z.B. Pandemien, Epidemien oder auch Quarantäne zur höheren Gewalt zählen, kann sich der jeweilige Vertragspartner, der nicht oder nur bedingt liefern kann, mit guten Erfolgsaussichten auf diese Klausel im Vertrag berufen.

Ebenso gute Chancen hat die betroffene Vertragspartei, wenn in der Klausel behördliche Anordnungen und Warnungen als höhere Gewalt definiert wurden.

Enthält die Vertragsklausel keinen Fall, unter den das Coronavirus zu subsumieren ist, wird es schwierig werden, sich auf das Vorliegen von höherer Gewalt zu berufen. Die andere Vertragspartei kann in diesem Fall vortragen, dass sich die Parteien gerade darauf geeinigt haben, dass eine Pandemie oder ähnliches gerade keine höhere Gewalt darstellen soll.

Außerdem sind die Klauseln zur höheren Gewalt in allen Verträgen eng auszulegen und oft in entscheidende Kriterien eingebettet, z.B. dass die Lieferung unmöglich sein muss. Eine nur verzögerte Lieferung wäre demnach nicht von der Klausel umfasst. Manche enthalten detaillierte Benachrichtigungsvorschriften, die Ergreifung positiver Maßnahmen wird verlangt oder sie präzisieren die finanziellen Folgen der Ausübung der Klausel.

Bevor also die Klausel zur höheren Gewalt herangezogen wird, ist eine vorherige sorgfältige Prüfung in jedem Fall vorzunehmen.

Anwendbares Recht

Ist im Vertrag keine Klausel zu „höherer Gewalt“ zu finden, muss geprüft werden, welches Recht auf den Vertrag anwendbar ist und ob danach ein Fall der höheren Gewalt möglicherweise gegeben ist.

Haben internationale Vertragsparteien im Vertrag deutsches Recht vereinbart, dann wird ergänzend zum UN-Kaufrecht deutsches Recht auf den Vertrag angewendet – es sei denn UN-Kaufrecht wurde im Vertrag ausdrücklich und wirksam ausgeschlossen.

Art. 79 CISG des UN-Kaufrechts ist eine sehr weite Bestimmung zur Unmöglichkeit der Lieferung auf Grund eines Hinderungsgrunds, der außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmers liegt.

Ist die Anwendung von UN-Kaufrecht gegeben, besteht für den Lieferanten die Chance sich erfolgreich auf höhere Gewalt berufen zu können.

Ist (auch) deutsches Recht anzuwenden, sind die §§ 275 (Unmöglichkeit) und 313 (Wegfall der Geschäftsgrundlage) BGB zu prüfen.

  • § 275 BGB

Bei der Unmöglichkeit nach § 275 BGB gibt es zum einen die Variante der subjektiven Unmöglichkeit (§ 275 Absatz 1 BGB), die auch vorübergehend sein kann, zum anderen nach § 275 Absatz 2 BGB die Variante, ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Aufwand für die Leistung dem Schuldner (Verkäufer) unzumutbar ist.

Ist einer der Fälle des § 275 BGB gegeben, so kann der Schuldner (Verkäufer) die Leistung verweigern und der Gläubiger (Käufer) muss den vereinbarten Kaufpreis nicht zahlen. Allerdings sieht das BGB vor, dass der Käufer von dem Verkäufer durchaus Schadensersatz verlangen kann, wenn dieser die Unmöglichkeit zu vertreten hat, also dafür verantwortlich ist.

Bei einer Unmöglichkeit, die auf Grund einer behördlichen Anordnung erfolgt, wird dies eher nicht der Fall sein.

  • § 313 BGB 

Die Störung der Geschäfte durch die Corona-Krise könnte eine Störung im Sinne des § 313 BGB darstellen und einen Anspruch der Vertragsparteien begründen, den Vertrag anzupassen oder sogar zu kündigen. Den Vertrag anzupassen kann verlangt werden, wenn eine Bindung daran unzumutbar ist, weil sich die Umstände, die dem Vertrag zu Grunde lagen, sich nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert haben und die Parteien den Vertrag unter diesen Umständen nicht geschlossen hätten.

Ein solcher Ansatz greift jedoch lediglich in den Vertrag selbst und dessen Erfüllung ein und lässt die Frage einer möglichen Haftung des Schuldners unberührt.

Außerdem setzt eine Anpassung des Liefervertrages voraus, dass die Störung nicht in den Risikobereich der Partei fällt, die sich darauf beruft. Die Herstellung und Lieferung von Produkten wird jedoch regelmäßig dem Risikobereich des Lieferanten zugeordnet, sodass für ihn meist kein Anspruch besteht, den Vertag anzupassen.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass es ganz unterschiedlich formuliert Klauseln zur höheren Gewalt gibt. Insbesondere gibt es teilweise vertragliche Regelungen den Vertragspartner innerhalb einer Frist zu benachrichtigen oder die Auswirkungen möglichst gering zu halten, hierauf ist unbedingt zu achten.

Jeder betroffene Vertrag bedarf daher einer gesonderten Prüfung. Eine möglichst frühzeitige rechtliche Beratung ist von Vorteil.



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