Ich will den Anwalt wechseln – was kann ich tun?

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Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald schildert einen kürzlich entschiedenen Fall, in dem die Rechtsschutzversicherung die Kosten eines Anwaltswechsels tragen musste: 

Das Amtsgericht Gießen hat vor kurzem hierzu entschieden, dass Rechtsschutzversicherer nach den Bedingungen des Versicherungsvertrags unter Umständen auch verpflichtet sein können, die Kosten eines Anwaltswechsels zu übernehmen. Entscheidend hierbei sei nicht, ob der Versicherungsnehmer, also der Mandant, den Anwaltswechsel aufgrund eines „unguten“ Gefühls oder mangelnden subjektiven Vertrauens in das Gebaren des Anwalts wünscht. Vielmehr kommt es dabei allein darauf an, ob sich der Anwaltswechsel aus der Sicht einer „auf sorgfältige Prozessführung bedachten Partei als objektiv erforderlich“ darstellt.

Amtsgericht Gießen. v. 24.03.2017 – gerichtl. Aktenz. 41 C 368/16

1. Was war geschehen?

Mandantin M hat einen Anwalt RA1 engagiert. Die Rechtsschutzversicherung RSV erhält von RA1 die Abrechnung für dessen Gebühren, die er in einem erstinstanzlichen Gerichtsverfahren für die Vertretung von M verdient. Sie begleicht dessen Gebührenrechnung. RA1 legt mit Schreiben vom 30.09.2013 sein Mandat während des laufenden Rechtsstreits nieder und begründet dies mit Anschuldigungen der M gegenüber dem RA1 und dessen Mitarbeitern. M beauftragt daraufhin einen anderen Rechtsanwalt RA2, der den Rechtsstreit für sie erfolgreich zu Ende führt. RSV informiert die M darüber, dass die Deckungszusage für den Rechtsstreit nur die Kosten eines Prozessbevollmächtigten erfasse. RA2 rechnet seine Gebühren gegenüber dem Prozessgegner ab. Dieser war dem RA2 gegenüber zur Erstattung verpflichtet, weil er den Prozess verloren hat. RA2 bekommt seine Gebühren vollständig vom Prozessgegner, die RSV muss diese Gebühren nicht bezahlen.

Mit Schreiben vom 13.11.2015 fordert die RSV die M unter Fristsetzung bis zum 26.11.2015 zur Erstattung der an den RA1 geleisteten Zahlung auf (ca. 600 EUR). Da die M nicht zahlt, verklagt RSV die M vor dem Amtsgericht auf Zahlung.

2. Wie entscheidet das Amtsgericht Gießen?

Das Amtsgericht weist die Klage der Rechtsschutzversicherung RSV ab.

Die RSV könne von der M keine Erstattung der an ihren ursprünglichen Prozessbevollmächtigten (RA1) gezahlten Rechtsanwaltsgebühren verlangen. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs sei rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), da die RSV aufgrund des Versicherungsvertrags ihrerseits verpflichtet sei, die durch den Anwaltswechsel entstandenen zusätzlichen Kosten zu tragen, und den seitens der M zu erstattenden Betrag umgehend an sie zurück zu zahlen hätte (dolo agit qui petit quod statim redditurus est). Die RSV sei „nach Treu und Glauben“ daran gehindert, ihren Erstattungsanspruch gegenüber der M durchzusetzen, da sie vertraglich gegenüber der M verpflichtet wäre, die mit dem Anwaltswechsel verbundenen Kosten zu tragen.

Der Rechtsschutzversicherer sei nach den Bedingungen des Versicherungsvertrags unter Umständen verpflichtet, auch die Kosten eines Anwaltswechsels zu übernehmen. Entscheidend sei hierbei nicht, ob der Grund für den Wechsel aus der (subjektiven) Sphäre der Mandatsbeziehung herrühre. Maßgeblich sei vielmehr allein die Frage, ob sich der Anwaltswechsel aus der Sicht einer auf sorgfältige Prozessführung bedachten Partei als objektiv erforderlich darstelle.

Dies sei hier der Fall gewesen, da der bisherige Prozessbevollmächtigte das Mandat vorzeitig, d. h. vor Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens niedergelegt habe. In dieser Situation durfte es die M bei verständiger Würdigung ihrer prozessualen Situation für geboten erachten, einen anderen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen zu beauftragen.

Immerhin sei die Mandatsniederlegung während eines laufenden Gerichtsprozesses kurz vor einem Verhandlungstermin erfolgt. Es sei auch weder ersichtlich noch vorgetragen, inwiefern es der M ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, das amtsgerichtliche Verfahren ohne anwaltliche Hilfe eigenständig fortzuführen.

  • Sollte die Mandatsniederlegung durch ein pflichtwidriges Verhalten des ursprünglichen Rechtsanwalts RA1 veranlasst worden sein, erschließe sich bereits nicht, weshalb die M das hieraus resultierende Kostenrisiko tragen sollte. Die RSV könne sich aufgrund des gesetzlichen Übergangs auch etwaiger Haftungsansprüche gegenüber dem Prozessbevollmächtigten (§ 86 VVG) schadlos halten, wohingegen die M insoweit nicht mehr aktivlegitimiert wäre.
  • Sollte die Mandatsniederlegung hingegen von der M zu vertreten sein, so wäre eine hieraus eventuell resultierende Leistungsfreiheit der RSV allein im Rahmen der für Obliegenheitsverletzungen vertraglich vereinbarten Sanktionsmechanismen zu beurteilen. Für eine derartige Obliegenheitsverletzung trage die RSV indessen die Darlegungs- und Beweislast. Vorliegend habe die RSV nicht darlegen und beweisen können, dass die M die Mandatsniederlegung zu vertreten hatte.

3. Auswirkungen auf die Praxis

Der Anwaltswechsel innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens wird oft von Rechtsschutzversicherungen abgelehnt. Hier sollte man die Versicherung allerdings an ihre Verpflichtungen im Rahmen des Versicherungsvertrags erinnern.

Der Anwaltswechsel muss allerdings „objektiv erforderlich“ sein. Legt wie im vorliegenden Fall der Anwalt das Mandant nieder, ohne dass dies von dem Mandanten durch entsprechendes vorwerfbares Verhalten verursacht gewesen ist, ist es jedenfalls in einem laufenden gerichtlichen Verfahren regelmäßig notwendig und erforderlich, dass der Versicherungsnehmer sich einen neuen Anwalt sucht.

Wenn Sie den Anwalt wechseln wollen, klären Sie zunächst mit der Rechtsschutzversicherung ab, ob diese die zusätzlichen Kosten übernimmt. Sie können hierzu auch auf die o. g. Entscheidung Bezug nehmen. 

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart 


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