Initial Coin Offerings (ICO) und Kryptowährung – Chancen und Risiken

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In der Praxis hat jüngst eine „PR-Aktion“ des Frankfurter Fintech Savedroid bei Anlegern für Aufsehen gesorgt.

Dies hat mittels eines „Initial Coin Offerings“ ca. 40 Mio. Euro eingeworben und verschwand von einem Tage auf den anderen von der „Bildfläche“. Nachdem das Unternehmen zwei Tage später „wieder auftauchte“, äußerte sich Savedroid-CEO Yassin Hankir dergestalt, dass er mit dieser Aktion darauf aufmerksam machen wollte, dass es zweifelsohne Missstände und Risiken gäbe. 

Jedoch seien in diesem Bereich nicht nur „Verbrecher“ und „Zocker“ unterwegs, die kriminelle Geschäfte durchführen wollen. Hier sei es daher wesentlich, in diesen spannenden und sicherlich zukunftsträchtigen Markt Vertrauen aufzubauen, um ihn schlussendlich auch massentauglich zu machen. 

Risiken bestehen in erster Linie deshalb, da der Bereich der Kryptowährungen und damit einhergehend sich auch die sog. Initial Coin Offerings in einem rechtlich bislang vermeintlich unregulierten Bereich abspielen.

1. Hintergrund zu Initial Coin Offerings

Ein Initial Coin Offering (ICO) ist eine Methode, mithilfe von sog. „Tokens“ Kapital aufzunehmen. Ein ICO kann auch als Initial Token Offering oder Token Sale bezeichnet werden. Bei einem ICO gibt ein Unternehmen oder eine Einzelperson Tokens heraus und verkauft sie im Austausch gegen herkömmliche Währungen, wie etwa Euro, oder noch häufiger gegen virtuelle Währungen wie Bitcoin oder Ether. Nach Schätzungen haben ICOs allein im Jahr 2017 $ 3,67 Mrd. „eingesammelt“.

Die Merkmale und der Zweck der Tokens können sich je nach ICO unterscheiden. Einige Tokens ermöglichen die Nutzung oder den Kauf von Dienstleistungen oder Produkten, die der Emittent mit dem Erlös aus dem ICO entwickelt. Andere Tokens verleihen mitgliedschaftliche Stimm- und Dividendenrechte („investment“, „equity“ oder auch „Community tokens“). Initial Coin Offerings werden daher häufig als alternative Form des Crowdfunding bezeichnet. Einige Tokens haben keinen konkreten Mehrwert. Weitere Tokens werden gehandelt und/oder lassen sich nach der Emission an spezialisierten Kryptowährungs-Handelsplattformen gegen herkömmliche oder virtuelle Währungen eintauschen.

ICOs werden online, d. h. über das Internet oder soziale Medien, durchgeführt. Die Token werden in der Regel mit der Distributed-Ledger- oder Blockchain-Technologie (DLT) erzeugt und verbreitet. ICOs werden eingesetzt, um Mittel für eine Vielzahl von Projekten aufzunehmen, u. a. für Geschäfte, die die DLT nutzen.

2. Kapitalmarktrechtliche Einordnung

Die BaFin (WA) prüft bei Token im Einzelfall, ob es sich um ein Finanzinstrument i. S. d. WpHG bzw. der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) oder um ein Wertpapier i. S. d. Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) oder Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) handelt. Diese Prüfung richtet sich nach den gesetzlichen Voraussetzungen der Rechtsnormen im Bereich der Wertpapieraufsicht, d. h. insbesondere des WpHG, WpPG, der Marktmissbrauchsverordnung (MAR), des VermAnlG sowie weiterer relevanter Gesetze und einschlägiger nationaler und EU-Rechtsakte im Bereich der Wertpapieraufsicht. 

Marktteilnehmer, die Dienstleistungen in Bezug auf Tokens erbringen, mit Token handeln oder Token öffentlich anbieten, sind gehalten, genau zu prüfen, ob ein reguliertes Instrument, d. h. z. B. ein Finanzinstrument i. S. d. § 2 Abs. 4 WpHG oder ein Wertpapier i. S. d. § 2 Nr. 1 WpPG vorliegt, um etwaige gesetzliche Anforderungen lückenlos zu erfüllen.

(Auszug aus Hinweisschreiben zur Einordnung der Finanzinstrumente vom 20.02.2018):

a) Token als Finanzinstrumente, § 2 Abs. 4 WphG

Laut BaFin kann der Token je nach Ausgestaltung sowohl als (a) Wertpapier (§ 2 Abs. 4 Nr. 1 WpHG, als (b) Anteil an einem Investmentvermögen (§ 2 Abs. 4 Nr. 2 WpHG) oder als (c) Vermögensanlage (§ 2 Abs. 4 Nr. 7 WpHG) einzuordnen sein.

b) Token als Wertpapier, § 2 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 WpHG

Dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 WpHG folgend hängt die Einordnung eines Tokens als Wertpapier von folgenden Voraussetzungen ab: Der Token muss (1) übertragbar und (2) am Finanz- bzw. Kapitalmarkt handelbar sein. Zudem muss er (3) Rechte verkörpern. Wenn es sich bei dem Token um ein Zahlungsinstrument handelt, schließt dies die Wertpapiereigenschaft aus. 

Die BaFin sieht Kryptowährungsplattformen grundsätzlich als Finanz- bzw. Kapitalmärkte an. Damit kann Jeder Token, der auf Zweitmarktplattformen handelbar ist, diese Voraussetzung erfüllen.

c) Token als Anteil an einem Investmentvermögen, § 1 Abs. 1 KAGB

Gemäß § 1 Abs. 1 KAGB ist ein Investmentvermögen im Sinne des KAGB jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren. Weiterhin darf es sich nicht um ein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors handeln.

Bildet der Token daher z. B. einen Anteil an einem Vermögen, das in Aktien oder in Sachwerte (z. B. Immobilien) investiert, wäre der Anleger durch den Token an einem Investmentfonds beteiligt, sodass die Regelungen des KAGB einschlägig wären.

d) Token als Vermögensanlage, § 1 Abs. 2 VermAnlG

Im Einzelfall können Tokens auch in den Anwendungsbereich des als „Auffangnetz“ geschaffenen Vermögensanlagengesetzes gemäß § 1 Abs. 2 VermAnlG fallen und somit als Finanzinstrument i. S. d. WpHG zu klassifizieren sein. Voraussetzung ist, dass der Token weder als Wertpapier, noch als Anteil an einem Investmentvermögen anzusehen, sowie dass die Annahme der Gelder nicht als Einlagegeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG) zu qualifizieren ist. 

Je nach rechtlicher Ausgestaltung kann der Token auch als Unternehmensbeteiligung (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VermAnlG), partiarisches Darlehen (Nr. 3), Nachrangdarlehen (Nr. 4), Genussrecht (Nr. 5) oder als sonstige Anlage (Nr. 7) anzusehen sein.

3. Zusammenfassung

Die BaFin äußert in ihrem Hinweisschreiben zu den einzelnen Punkten jeweils, dass die genaue Einschätzung einer genauen Einzelfallprüfung vorbehalten ist, was der dargestellten Vielfältigkeit der ICOs Rechnung trägt. Damit ist anzunehmen, dass bislang durchgeführte ICOs sich oftmals womöglich nicht an den o. g. Regelungen orientieren bzw. deren Anwendbarkeit im Vorfeld geprüft wurden.

Mitnichten jedoch bewegen sich ICOs im „rechtsfreien Raum“, da zumindest dann, wenn der ICO von Deutschland oder Europa aus stattfindet, zahlreiche rechtliche Regelungen zu beachten sind. Die Frage der Anwendbarkeit der aufsichtsrechtlichen Regeln entscheidet sich an der im Detail festzulegenden Struktur des ICOs. Aufsichtsrechtliche Fragestellungen sind somit bereits initial zu berücksichtigen.

Es steht zu vermuten, dass die Rechtsprechung zukünftig in Bezug auf das angesprochene „Whitepaper“ (hier wird das zu finanzierende Projekt beschrieben, insbesondere in technischer Hinsicht) in nicht ausbleibenden Haftungsfällen die Entscheidungen zur Prospekthaftung etwa bei geschlossenen Fonds heranziehen und ähnliche Grundsätze anwenden wird.

Whitepapers enthalten oft gar keine oder nur spärliche Informationen über die hinter dem ICO stehenden Personen oder das finanzierte Projekt. Während den Investoren nur in wenigen Fällen rechtliche Hinweise gegeben werden, beschränkt sich eine Vielzahl der Dokumente rein auf technische Beschreibungen.

Neben dem regulierenden Einschreiten der BaFin dürften in der Folge auch aus Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes gesetzgeberische Maßnahmen zu erwarten sein, was auch zum Schutze des innovativen Potenzials für die Unternehmensfrühfinanzierung zu begrüßen wäre.

Dies würde – wie auch das vorangestellte Beispiel der „Savadroid-PR-Aktion“ zeigt – somit auch dem Kleinanleger die Möglichkeit geben, bei seiner Investitionsentscheidung womöglich besser „die Spreu vom Weizen“ trennen zu können.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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