Insolvenzanfechtung: BMJ bringt Reform der insolvenzrechtlichen Anfechtung auf den Weg

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Bundesministerium der Justiz bringt Reform der insolvenzrechtlichen Anfechtung auf den Weg

Geschäftspartner, die vor Beantragung eines Insolvenzverfahrens noch Zahlungen von dem insolventen Unternehmen für erbrachte Leistungen erhalten haben, wurden in den vergangenen Jahren häufig mit Rückforderungsverlangen der Insolvenzverwalter konfrontiert.

Insbesondere wenn Stundungen oder Ratenzahlungen bewilligt wurden oder die Zahlung durch Vollstreckung vor Insolvenzeröffnung erreicht wurde, waren die Aussichten der Insolvenzverwalter vor Gericht sehr gut, die erfolgten Zahlungen zurückzuerhalten. Dadurch ist eine massive Rechtsunsicherheit entstanden mit für den Geschäftspartner eines insolventen Unternehmens außerordentlich nachteiligen Konsequenzen. Für kleinere Unternehmen aus dem Mittelstand konnte dies selbst zur Existenzbedrohung werden, wie ein dem Autor bekannter Fall einer GmbH zeigt, die von dem Insolvenzverwalter eines Vertriebspartners auf Rückzahlung von 2,5 Millionen Euro zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen wurde, obwohl sie ihre Leistungen an das insolvente Unternehmen erbracht hatte. Diese Unsicherheiten und wertungsmäßigen Schieflagen will das Bundesministerium der Justiz nunmehr beseitigen, wie sich aus der Einleitung des Gesetzesentwurfes ergibt, dessen Notwendigkeit wie folgt begründet wird:

In den vergangenen Jahren ist zunehmend beklagt worden, dass das geltende Insolvenzanfechtungsrecht, namentlich die Praxis der Vorsatzanfechtung nach § 133 Absatz 1 der Insolvenzordnung (InsO), den Wirtschaftsverkehr mit unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken belaste. Der Geschäftsverkehr steht insbesondere vor der Frage, ob und unter welchen Umständen verkehrsübliche Zahlungserleichterungen das Risiko einer späteren Vorsatzanfechtung der erhaltenen Zahlungen begründen.

Von Rechtsunsicherheiten sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen. Für sie besteht vor allem Ungewissheit, unter welchen Voraussetzungen verspätet gezahltes Arbeitsentgelt unter das grundsätzlich anfechtungsausschließende Bargeschäftsprivileg fällt.

Darüber hinaus erscheinen die unter dem geltenden Recht eröffneten Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung nicht immer interessengerecht. Das betrifft zum einen die Anfechtung von durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherungen und Befriedigungen in den letzten drei Monaten vor der Stellung des Insolvenzantrags. Nach der geltenden Rechtslage können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie kleine und mittelständische Unternehmen, die den Aufwand und das Kostenrisiko eines Gerichtsverfahrens auf sich genommen haben, nicht sicher sein, die Früchte ihrer Anstrengungen auch behalten zu dürfen.

Wenig interessengerecht ist zum anderen die geltende Regelung zur Verzinsung des Anfechtungsanspruchs, weil sie Anreize zu dessen verzögerter Geltendmachung schafft und den Rechtsverkehr übermäßig belastet.

Die Praxis der Vorsatzanfechtung soll für den Geschäftsverkehr kalkulier- und planbarer werden. Es soll klargestellt werden, dass das Ersuchen des Schuldners um eine verkehrsübliche Zahlungserleichterung für sich genommen eine Vorsatzanfechtung nicht begründen kann.

Der Rechtsverkehr soll sich zudem darauf verlassen können, dass keine Vorsatzanfechtung droht, wenn dem Schuldner mit wertäquivalenten Bargeschäften die Fortführung seines Unternehmens oder die Sicherung seines Lebensbedarfs ermöglicht werden soll oder wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen des Schuldners unterstützt werden sollen.

Zudem sollen die Rechtsunsicherheiten beseitigt werden, die in Bezug auf die Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltzahlungen bestehen. Zu diesem Zweck soll gesetzlich klargestellt werden, dass in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Bargeschäft gegeben ist, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Auszahlung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt.

Darüber hinaus sollen vollstreckende Gläubiger, die in einem gerichtlichen Verfahren einen Vollstreckungstitel erlangt haben, besser davor geschützt werden, dass sie einen errungenen Vollstreckungserfolg wieder herausgeben müssen. Die Verzinsung des Anfechtungsanspruchs soll neu geregelt werden, um die bestehenden Fehlanreize zu einer schleppenden Durchsetzung von begründeten Anfechtungsansprüchen zu beseitigen und den Rechtsverkehr besser vor einer übermäßigen Zinsbelastung zu schützen.

Die geplanten Änderungen im Überblick:

Änderung des § 133 InsO

  • Deutlich verkürzter Anfechtungszeitraum von vier (anstatt bislang zehn) Jahren.
  • Die Vorsatzanfechtung solle noch weiter eingeschränkt werden, wenn die gewährte Deckung kongruent sei. Anders als bislang, sollten diese Deckungen grundsätzlich erst dann anfechtbar sein, wenn der Gläubiger erkannt habe, dass der Schuldner bereits zahlungsunfähig sei.
  • Die Kenntnis der bloß drohenden Zahlungsunfähigkeit soll nicht mehr genügen.
  • Gläubiger, die ihren Schuldnern Zahlungserleichterungen zur Überwindung vorübergehender Liquiditätsschwierigkeiten gewähren, werden privilegiert.
  • Vermutung, dass sie bei später erhaltenen Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit ihres Schuldners nicht kannten.
  • Um einen Anfechtungsanspruch zu begründen, muss der Insolvenzverwalter das Gegenteil beweisen.
  • Ausnahme: Unredliche Vermögensverschiebungen und Bankrotthandlungen (hier verbleibt es beim „alten Recht“)

Konkretisierung des Bargeschäftsprivilegs, § 142 InsO

  • Bargeschäfte sollen künftig nur noch dann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner unlauter handelte und der Gläubiger dies erkannt habe.
  • Um die Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, die in Bezug auf die Anfechtbarkeit von Lohnzahlungen bestünden, soll darüber hinaus gesetzlich klargestellt werden, dass ein Bargeschäft gegeben sei, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Lohnzahlung drei Monate nicht übersteigt. Das ist der Zeitraum, den bisher schon das Bundesarbeitsgericht seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt habe.

Einschränkung der Inkongruenzanfechtung, § 131 InsO

  • Zweck: Schutz der Gläubiger, die lediglich von gesetzlich zugelassenen Zwangsmitteln Gebrauch machten und dabei nicht wussten, dass der Schuldner schon zahlungsunfähig ist.
  • Ziel: Schutz von Kleingläubigern
  • Deckungen, die in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantragstellung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden sind, sollen künftig grundsätzlich nur unter den erschwerten Anforderungen des § 130 InsO (also bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners) anfechtbar sein.

Neuregelung der Verzinsung des Anfechtungsanspruchs, § 143 InsO

  • Anfechtungsansprüche sollen künftig nur noch nach Maßgabe der allgemeinen Verzugsregeln oder ab Klageerhebung verzinst werden. Dadurch sollten bestehende Fehlanreize zu einer schleppenden Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen beseitigt und der Rechtsverkehr besser vor einer übermäßigen Zinsbelastung geschützt werden.

Stärkung des Gläubigerantragsrechts

  • Mit der Änderung soll es leichter werden, die Fortsetzung der wirtschaftlichen Aktivitäten insolvenzreifer Unternehmen rechtzeitig zu unterbinden. Dies schütze den Geschäftsverkehr vor einer mit Anfechtungsrisiken behafteten Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zu insolvenzreifen Schuldnern.

Der Autor vertritt und berät Insolvenzgläubiger und insolvente Unternehmen gegenüber Insolvenzverwaltern und Gerichten bundesweit. Falls Sie an weitergehenden Informationen interessiert oder selber betroffen sind, melden Sie sich unter nebenstehenden Kontaktdaten.

Frank Leswal

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Insolvenzrecht

Fachanwalt für Steuerrecht

KLK Rechtsanwälte


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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