Ist 60 km/h zu langsam? – Mehr zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit für LKW außerhalb geschlossener Ortschaften

  • 3 Minuten Lesezeit

Zu entscheiden war folgender Sachverhalt: Auf der B 173 in Richtung Chemnitz kurz vor dem Ortseingang war im Oktober 2021 ein LKW mit deutlich mehr als 7,5 t zulässigem Gesamtgewicht mit 79 km/h geblitzt worden. 

Die Bundesstraße ist an dieser Stelle zweispurig in Richtung Chemnitz ausgebaut und diese Fahrtrichtung ist durch Mittelleitplanken von der Gegenrichtung baulich getrennt. Für PKWs gilt an dieser Stelle eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h, die durch Schilder zu Beginn dieser Ausbaustrecke angeordnet ist. Ohne diese Anordnung wäre die Höchstgeschwindigkeit für PKWs wegen der baulichen Gegebenheiten nicht beschränkt, obwohl die Strecke nicht als Kraftfahrstraße gewidmet ist. Eine extra Beschilderung für LKWs gibt es nicht. Somit gilt für die schweren Fahrzeuge Tempo 60 km/h. Den Verstoß hiergegen hat die Bußgeldstelle Chemnitz mit einem Bußgeld von 140,00 Euro geahndet. Zudem gibt es in Flensburg dafür einen Punkt. Das ist die sogenannte Regelfolge, also keine außergewöhnliche „Bestrafung“.

Nach einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid landete die Sache am Amtsgericht Chemnitz. Unser Ziel war es, die Geldbuße wegen nur geringster Fahrlässigkeit auf 55,00 Euro herabgesetzt zu bekommen. Bei Geldbußen unter 60,00 Euro wird kein Punkt im Fahreignungsregister eingetragen.


Unsere Argumente waren:

  • die Strecke ist ausgebaut wie eine Kraftfahrstraße oder Autobahn,
  • für PKWs gilt eine höhere Höchstgeschwindigkeit als üblich 100 km/h,
  • die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen PKW-Tempo und LKWs ist sehr hoch, was eine Gefahrensituation darstellt,
  • die technische Ausrüstung von heutigen modernen LKWs entspricht nicht mehr der Lage zum Zeitpunkt der Einführung der Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h,
  • man kann bei schon einfacher Unaufmerksamkeit irrtümlich der Meinung sein, das Kraftfahrstraßenschild übersehen zu haben.

Der Richter ließ sich leider nicht überzeugen und wir haben den Einspruch am Ende zurückgenommen. Gegen die den Bußgeldbescheid bestätigende Entscheidung wäre ein Rechtsmittel nicht zulässig gewesen. Man hätte zwar die Zulassung des Rechtsmittels beantragen können; die Erfolgsaussichten dafür wären aber gering gewesen. Das bestätigt sich jetzt mit Veröffentlichung einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Zweibrücken (OLG) aus Dezember 2022 (Az.: 1 OWi 2 SsRs 109/22).


Das OLG führt aus, dass eine Auslegung, die Vorschrift für die Höchstgeschwindigkeit für LKWs auf Kraftfahrstraßen und Autobahnen (80 km/h) auch auf autobahnähnliche Bundesstraßen anzuwenden, wegen des ausdrücklichen anderslautenden Wortlautes des Gesetzes nicht möglich sei. Für eine analoge Anwendung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Das System der Höchstgeschwindigkeiten in der Straßenverkehrsordnung (StVO) sei ausdifferenziert und ausgewogen, so dass man nicht davon ausgehen könne, dass der Verordnungsgeber Bundesstraßen, die wie Autobahnen aussehen, übersehen haben könnte. Die Besonderheit von Kraftfahrstraßen und Autobahnen liege auch anders als bei Bundesstraßen darin, dass sie nicht von Fahrzeugen benutzt werden dürfen, deren Höchstgeschwindigkeit bauartbedingt unter 60 km/h liegt oder deren Maximalabmessungen ein bestimmtes Maß überschreiten.


Fazit:  Die aktuelle Entscheidung des OLG Zweibrücken entspricht der bisherigen Auffassung in der Rechtsprechung, z. B. wie schon vom Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) in einem Beschluss vom 07.06.1999 niedergeschrieben (Az.: 2 ObOWi 247/99). Hin und wieder kommt hier auch die Frage auf, ob der technische Fortschritt der KFZ-Technik es nicht rechtfertigen würde, die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für LKWs außerhalb geschlossener Ortschaften von 60 km/h auf 80 km/h anzuheben, also nicht nur für autobahnähnliche Straßen. Von der Rechtsprechung, das zeigt die neue Entscheidung, wird diese Meinung sicher nicht unterstützt. Verkehrspolitisch wird man vermutlich dafür auch keine ausreichende Lobby finden. Es bleibt an dieser Stelle also alles beim Alten.



[Detailinformationen: RA Klaus Kucklick, Fachanwalt für Verkehrsrecht, ADAC-Vertragsanwalt, Telefon 0351 80718-70, kucklick@dresdner-fachanwaelte.de



KUCKLICK dresdner-fachanwaelte.de

19 Anwälte – 25 Rechtsgebiete

Unsere Anwälte setzen sich mit Leidenschaft für die Wahrung Ihrer rechtlichen Interessen ein.

Seit über 25 Jahren werden Mandantinnen und Mandanten in der Kanzlei KUCKLICK dresdner-fachwaelte.de in allen ihren Rechtsbelangen hochqualifiziert beraten und durchsetzungsstark von spezialisierten Anwältinnen und Anwälten sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich vertreten.

Vertrauen Sie den vielzähligen Mandantenbewertungen!

Kontaktieren Sie uns!

Foto(s): DaveBolton auf Canva

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Klaus Kucklick

Beiträge zum Thema