Ist die Letzte Gene­ra­tion eine kri­mi­nelle Ver­ei­ni­gung?

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Der Senat in Berlin reagiert auf die anhaltenden Aktionen der Letzten Generation mit neuen repressiven Vorschlägen. Die Justizsenatorin Felor Badenberg hat ihre Verwaltung beauftragt, alle gesetzlichen Möglichkeiten zu prüfen, einschließlich der Frage, ob es sich bei der Letzten Generation um eine "kriminelle Vereinigung" handelt. Wenn die Justizverwaltung dies bejaht, könnte die Berliner Staatsanwaltschaft angewiesen werden, entsprechende Ermittlungen einzuleiten. Die Einschätzung als "kriminelle Vereinigung" wurde jedoch bisher vom Oberstaatsanwalt abgelehnt, da es keine ausreichenden Beweise für hinreichend schwere Straftaten gebe.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Kai Wegner (CDU) beabsichtigt, "beschleunigte Verfahren für die Klimakleber" einzuführen, um schnellere Urteile zu ermöglichen, insbesondere durch Staatsanwälte, die vor Ort bei den Klebe-Aktionen präsent sind. Dies stößt auf Kritik seitens des rechtspolitischen Sprechers der Linksfraktion, Sebastian Schlüsselburg, der Wegners Unverständnis vom Rechtsstaat und sein Misstrauen gegenüber Staatsanwaltschaften und Gerichten beklagt.

Die Koalition bekräftigt ihr Vorhaben, den Präventivgewahrsam von zwei auf fünf Tage auszudehnen. Regierender Bürgermeister Wegner betont, dass festgenommene Blockierer nicht nach wenigen Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt werden sollten. Bisher haben die Gerichte fast ausnahmslos entsprechende Anträge der Polizei auf Präventivgewahrsam abgelehnt.

Doch ist die "Letzte Generation" wirklich eine kriminelle Vereinigung?

Der aktuelle Diskurs dreht sich um die Frage, ob die Gruppierung "Die letzte Generation" als "kriminelle Vereinigung" eingestuft werden kann. Es besteht jedoch eine gewisse Unklarheit darüber, wie genau eine "kriminelle Vereinigung" definiert wird und welche Kriterien erfüllt sein müssen. Oft wird der Begriff mit organisiertem Verbrechen und schweren Straftaten in Verbindung gebracht, anstatt die juristischen Maßstäbe zu berücksichtigen.

Um diese Frage zu klären, ist es zunächst wichtig, den einschlägigen Paragraphen des Strafgesetzbuches (§ 129 StGB) genauer zu betrachten. Gemäß Absatz 1 dieses Paragraphen wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten abzielt, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedroht sind. Absatz 2 definiert eine Vereinigung als einen langfristig angelegten, unabhängigen Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der sich auf ein übergeordnetes gemeinsames Interesse konzentriert und bestimmte Rollenverteilungen und Strukturen aufweist. Absatz 3 nennt bestimmte Ausschlussgründe, wie z.B. die untergeordnete Bedeutung der Straftaten für den Vereinszweck oder die Tätigkeit.

Kriminelle Vereinigung?

Es ist festzustellen, dass der Begriff der "kriminellen Vereinigung" auf ältere Vorschriften gegen "Geheimgesellschaften" zurückgeht und seit 1951 in der Bundesrepublik gilt. In der Vergangenheit wurde er vor allem auf organisierte Strukturen randständiger Milieus wie beispielsweise im Bereich der Zuhälterei angewendet. Im Laufe der Jahre wurden jedoch auch politische Vereinigungen in den Anwendungsbereich des Paragraphen einbezogen.

In Bezug auf die Letzte Generation kann man sagen, dass sie bestimmte Merkmale einer kriminellen Vereinigung erfüllen könnte. Berichten zufolge gibt es Hunderte von Mitgliedern innerhalb der Aktivistengruppe, die in verschiedene Kategorien eingeteilt sind und je nach Grad ihres Engagements an Aktionen beteiligt werden. Es gibt eine Kerngruppe, die Entscheidungen trifft, sowie kleinere Arbeitsgruppen. Darüber hinaus wird von einem strukturierten System mit internationaler Unterstützung gesprochen. Diese Beschreibung deutet auf eine Organisation hin, die über eine unabhängige Struktur und eine klare hierarchische Organisation verfügt.

Was den Zweck oder die Tätigkeit der Letzte Generation betrifft, so liegt der Fokus der Gruppe darauf, die Bundesregierung dazu zu zwingen, strengere Klimaschutzregeln einzuführen und durchzusetzen. Im Gegensatz zur Bewegung "Fridays for Future", die legale Demonstrationen im Einklang mit Artikel 8 des Grundgesetzes durchführt, setzt die Letzte Generation auf nicht erlaubte Handlungen wie Blockaden oder Sachbeschädigungen, um ihre Ziele zu erreichen. Obwohl die Letzte Generation nicht gegründet wurde, um explizit Straftaten zu begehen, sind die von ihnen begangenen Handlungen strafbar und Teil ihrer Strategie, um die Regierung unter Druck zu setzen. Es ist wichtig zu beachten, dass die Täter die Strafbarkeit ihrer Aktionen bestreiten und Rechtfertigungsgründe anführen, was jedoch Teil ihrer Instrumentalisierung ist, um ihre Forderungen zu demonstrieren und die Regierung zu nötigen.

In Anbetracht dieser Umstände kann argumentiert werden, dass die Letzte Generation als Gesamtzusammenschluss vermutlich nicht als kriminelle Vereinigung eingestuft werden kann. Allerdings lassen sich bestimmte Teilgruppen innerhalb der Organisation identifizieren, die sich zur Begehung von Straftaten bereiterklärt haben und die Kriterien einer kriminellen Vereinigung erfüllen könnten.

Es gibt Stimmen, die die Klassifizierung der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung ablehnen und argumentieren, dass es sich bei den Mitgliedern um junge Menschen mit ehrenwerten Zielen handelt, die nicht übermäßig kriminalisiert werden sollten. Es ist jedoch wichtig, eine ausgewogene Perspektive einzunehmen und die rechtlichen Kriterien anzuwenden, anstatt moralische Erwägungen zu stark zu gewichten oder das Straftatbestandsbild unrealistisch darzustellen.

Letztendlich liegt die Entscheidung über die Einordnung der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung in den Händen der Justiz. Es ist von Bedeutung, die Verhältnismäßigkeit einer Strafverfolgung zu beachten und das Vorliegen der juristischen Voraussetzungen sorgfältig zu prüfen.

Zusammenfassung

  1. Die Gruppierung "Die letzte Generation" erfüllt wahrscheinlich nicht die rechtlichen Anforderungen für eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB.
  2. Wenn jedoch organisierte Untergruppen innerhalb der Gruppierung existieren, die bereit sind, Straftaten zu begehen und Strafen in Kauf zu nehmen, könnte dies als eine Art "kriminelle Teilvereinigung" betrachtet werden.
  3. Die Begehung von Straftaten nach § 129 Abs. 1 StGB ist zumindest für diese Untergruppen kein unwesentlicher Teil ihrer Aktivitäten, sondern prägt ihr Erscheinungsbild und ihre Organisationsstruktur.
  4. Die Strukturen, Entscheidungsfindung und organisatorische Unabhängigkeit dieser Untergruppen entsprechen möglicherweise den Anforderungen gemäß § 129 Abs. 2 StGB.
  5. Es ist nicht gerechtfertigt, moralische Erwägungen überzubetonen, um die Gruppierung zu entlasten. Ebenso wenig sollte die Verhältnismäßigkeit einer Strafverfolgung aufgrund übertriebener Darstellungen des Straftatbestands in den Medien verneint werden.

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Ihr Rechtsanwalt

Christian Keßler

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