Jobcenter muss 20 FFP2-Masken pro Woche zur Verfügung stellen oder hierfür monatlich 129 € mehr gewähren

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ACHTUNG, NICHT MEHR AKTUELL!!!

Hartz-4 Empfänger oder Grundsicherungsbezieher haben wegen der derzeitigen Pandemiesituation Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs für wöchentlich 20 FFP2-Masken, zumindest bis zum Sommeranfang am 21.6.2021. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 11.02.21 (Az. S 12 AS 213/21 ER). Auf günstigere OP-Masken brauche man sich nicht verweisen lassen. Das Jobcenter müsse die FFP2-Masken entweder als Sachleistung verschicken oder monatlich 129 Euro mehr gewähren, so die Karlsruher Sozialrichter.

Zum Sachverhalt

Der Antragsteller ist arbeitssuchend und bezieht Leistungen nach dem SGB II beim Jobcenter. Er beantragte dort die Zahlung eines Mehrbedarfs für FFP2-Masken oder die Erhöhung des monatlich gezahlten Grundsicherungsbetrages, um die Masken kaufen zu können. Das Jobcenter lehnte den Antrag jedoch ab. Hiergegen wendete sich der Leistungsbezieher im einstweiligen Rechtschutzverfahren.

Anspruch aus Grundrecht auf soziale Teilhabe

Das Sozialgericht Karlsruhe gab dem Eilantrag statt. Das Gericht entschied, dass für den Kläger, bedingt durch die derzeitige Pandemiesituation, ein im Einzelfall unabweisbarer Hygienebedarf an FFP2-Masken bis Sommeranfang (21.6.2021) besteht. Das Jobcenter wurde verpflichtet, dem Kläger bis zum Sommeranfang zusätzlich zum Regelsatz entweder als Sachleistung wöchentlich 20 FFP2-Masken zu schicken oder ihm als Geldleistung hierfür monatlich weitere 129,- Euro zu zahlen.

Die Kammer teilte in dem Beschluss mit, dass ein besonderer Mehrbedarf an wöchentlich 20 FFP2-Masken glaubhaft gemacht worden sei. Ohne Mund-Nasen-Bedeckungen dieses Standards seien die Bezieher von Grundsicherungsleistungen in ihrem Grundrecht auf sozialen Teilhabe in unverhältnismäßiger Weise beschränkt. Nach drei Monaten Lockdown müssten Arbeitsuchende wieder am Gemeinschaftsleben in einer dem sozialen Existenzminimum entsprechenden Art und Weise teilnehmen können.

Alltagsmasken und OP-Masken genügen nicht

Die Leistungsbezieher müssten sich nicht auf Alltagsmasken oder OP-Masken verweisen lassen. Diese seien für den Infektionsschutz vor SARS-Cov-2-haltigen Aerosolen in der Straßenbahn, im Supermarkt, im Treppenhaus, im Wartezimmer, in der Leichenhalle, etc. – auch angesichts der Virusvarianten – nicht gut genug geeignet, so die Karlsruher Richter.

Wer bei der Verrichtung alltäglicher Erledigungen trotzdem lediglich eine OP-Maske gebrauche und einen Mitmenschen mit dem lebensgefährlichen Virus anstecke, schädige eine andere Person an der Gesundheit und verstoße gegen das gesetzliche Verbot gefährlicher Körperverletzungen. Dieses verbotswidrige Verhalten sei auch nicht allein deswegen außerhalb von Krankenhäusern oder Pflegeheimen erlaubt, weil die CoronaVO FFP2-Masken lediglich dort vorschreibe und andernorts OP-Masken genügen lasse.

Keine Pflicht zur Wiederverwendung von FFP2-Masken

Die Anerkennung individueller Mehrbedarfe an FFP2-Masken diene nicht nur der Befriedigung privater Bedürfnisse. Sie bezwecke den Infektionsschutz der Allgemeinheit vor einer weiteren Verbreitung des Virus. Zur effektiven Abwehr dieser gesteigerten Ansteckungsgefahr müsse die Mehrbedarfsgewährung wöchentlich 20 FFP2-Masken umfassen. Dem Infektionsschutz werde »ein Bärendienst erwiesen«, falls nicht mindestens täglich eine neue Maske sowie durchschnittlich ca. zwei weitere neue Ersatz-FFP2-Masken bereitgestellt würden. Es sei davon auszugehen, dass wenige Personen bereit und fähig seien, fortlaufend zuverlässig die sehr hohen Sorgfaltsanforderungen an die private Wiederverwendung von FFP2-Masken zu erfüllen.

Diese seien zum Einmalgebrauch für geschultes Medizinpersonal konstruiert. Ohne die Beachtung der zum Trocknen notwendigen Hygiene-Routinen würden ggfs. über mehrere Tage und Wochen hinweg für den Infektionsschutz ungeeignete oder sogar virushaltige Masken getragen. Diese erweckten nur den falschen Anschein des Infektionsschutzes. Der massenhaft irreführende Anschein der Verwendung pandemie-adäquater FFP2-Masken wäre aber dem Infektionsschutz nicht zu-, sondern abträglich.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe ist zu begrüßen. Die Leistungsbezieher müssen sich damit nicht auf die Nutzung von einfachen Alltagsmasken oder OP-Masken verweisen lassen. Daher kann in der momentanen Lage nur jedem Leistungsbezieher angeraten werden umgehend einen Antrag beim jeweiligen Jobcenter auf die Zurverfügungstellung von 20 FFP2 Masken wöchentlich zu stellen oder aber die Zahlung der entsprechenden Geldleistung. Bei Ablehnung sollte unbedingt ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren in die Wege geleitet werden.

Das Gericht wies im Übrigen in seiner Pressemitteilung darauf hin, dass es nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit im Januar 2021 bundesweit insgesamt 5.351.000 Empfängerinnen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II gab, die sich auf diese Argumentation berufen könnten.

Die Autorin ist als Fachanwältin für Sozialrecht im Bereich der Gewährung von Sozialleistungen bundesweit tätig.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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