Kann der Pflichtteil vollständig entzogen werden?
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Eine Pflichtteilsentziehung ist nur in Ausnahmesituationen, zum Beispiel bei schweren schuldhaften Verfehlungen der Fall. § 2333 BGB zählt die Fälle abschließend auf, in denen eine Pflichtteilsentziehung möglich ist.
Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Abkömmlinge, also Kinder, Enkel und Urenkel dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblasser, einem anderen Abkömmling oder einer nahe stehenden Person, wie dem Lebenspartner oder dem Stiefkind nach dem Leben trachten (§ 2333 Nr. 1 BGB).
Des Weiteren wäre dies der Fall, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der oben genannten Personen begehen (§ 2333 Nr. 2 BGB).
Eine weitere Fallkonstellation ist die böswillige Verletzung einer gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht (§ 2333 Nr. 3 BGB).
Und unter § 2333 Nr. 4 BGB ist geregelt, dass eine Entziehung zudem möglich ist, wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde und eine Beteiligung des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Dies gilt im Übrigen auch, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wurde.
Die vorstehend unter § 2333 Abs. 1 BGB genannten Entziehungsgründe gelten in gleichem Maße für sämtliche Pflichtteilsberechtigte, also auch gegenüber den Eltern des Erblassers oder des Ehegatten. Dies ergibt sich aus § 2333 Abs. 2 BGB.
Kann der Pflichtteil nach den Vorgaben des Gesetzes wirksam entzogen werden, hat der Betroffene keinen Anspruch auf seinen Pflichtteil und keinen Geldanspruch gegen den/die Erben.
Soll nicht allein eine Enterbung erfolgen, sondern auch der Pflichtteil unter den vorgenannten Voraussetzungen entzogen werden, hat dies testamentarisch oder im Rahmen eines Erbvertrages zu erfolgen. Der Grund für die Entziehung des Pflichtteils ist dabei anzugeben.
Ein mögliches Beispiel:
„Mein Sohn Maximilian wird vollständig enterbt. Er soll auch nicht den Pflichtteil erhalten. Maximilian ist wegen vorsätzlichem Betrug zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt worden. Seine Beteiligung am Nachlass ist für mich nicht zumutbar.“
Alternativ kommt unter engen Grenzen aber auch eine Pflichtteilsbeschränkung in Betracht. Eine solche Pflichtteilsbeschränkung können Sie nach § 2338 BGB vornehmen, wenn ein Abkömmling beispielsweise unter Verschwendungssucht im fortgeschrittenen Stadium leidet oder derart überschuldet ist, dass dadurch seine Möglichkeiten, Einkünfte zu erzielen, gefährdet sind.
Auch die Pflichtteilsbeschränkung müssen Sie im Testament oder Erbvertrag anordnen.
Dabei kann beispielsweise angeordnet werden, dass nicht der Pflichtteilsbeschränkte selbst, sondern erst nach seinem Tod seine eigenen Erben den ihm zustehenden Pflichtteil an Ihrem Erbe bekommen sollen und / oder ein Testamentsvollstrecker die entsprechende Verwaltung des Pflichtteils für den Abkömmling übernehmen soll.
Für die Beschränkung gelten die gleichen Formalien wie für die Entziehung des Pflichtteils: Die Gründe dafür müssen bei der Niederschrift Ihres letzten Willens bereits vorliegen und müssen darin ausdrücklich erwähnt werden.
Haben Sie Fragen zur Pflichtteilsentziehung oder Pflichtteilsbeschränkung? Möchten Sie ein Testament aufsetzen und haben diesbezügliche Fragen? Oder sind Sie selbst betroffener Pflichtteilsberechtigter? Gerne beantworten wir Ihre Fragen und vertreten Ihre Interessen.
Schwede
Rechtsanwalt
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