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Kann ein Kind steuerlich zwei Väter haben?

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

Jedes Kind hat im Normalfall nur einen einzigen Vater. Es gibt aber besondere Konstellationen, in denen ein Kind auch zwei Väter haben kann – einen im biologischen und einen im familienrechtlichen Sinn. Wie diese doch recht ungewöhnliche Situation erbschaftsteuerlich zu betrachten ist, musste jetzt das Hessische Finanzgericht (FG) entscheiden.

Frau hat zwei Väter

Eine junge Frau wurde 1987 geboren und wuchs ganz normal in einer Familie auf. Als sie im Jahr 2005 volljährig wurde, erfuhr sie, dass ihr biologischer Vater nicht der Ehemann ihrer Mutter ist. Ab diesem Zeitpunkt entwickelte sich trotzdem ein tiefes und vertrauensvolles Verhältnis zur Familie des biologischen Vaters, auch zu dessen Ehefrau und dem leiblichen Sohn dieses Paares. Nachdem der biologische Vater seine Vaterschaft bereits im Jahr 1994 mit notarieller Urkunde anerkannt hatte, wurde die biologische Vaterschaft schließlich im Jahr 2015 durch eine Genanalyse festgestellt.

Schlechtere Steuerklasse für Geldschenkung

Im Jahr 2016 schenkte der biologische Vater und spätere Kläger seiner leiblichen Tochter einen größeren Geldbetrag und reichte beim zuständigen Finanzamt (FA) eine Schenkungsteuererklärung ein, in der er die Berücksichtigung der Steuerklasse I beantragte. Das FA setzte für diese Schenkung jedoch die schlechtere Steuerklasse III an und begründete dies damit, dass die Steuerklasse I nur im familienrechtlichen Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern gilt. Da die Beschenkte im familienrechtlichen Sinn die Tochter des Ehemanns der Mutter ist, ist die rechtliche Anerkennung der Vaterschaft des biologischen Vaters zivilrechtlich ausgeschlossen.

Klage erfolgreich

Nachdem das Einspruchsverfahren erfolglos verlaufen ist, erhob der Mann schließlich Klage beim Hessischen FG – mit Erfolg. Die Richter stellten fest, dass sowohl der Schenkungsteuerbescheid als auch die Einspruchsentscheidung rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen.

Begriff Kind nicht definiert 

Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) werden grundsätzlich drei Steuerklassen unterschieden, wobei nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG Kinder und Stiefkinder der Steuerklasse I unterfallen. Zur Auslegung des Bergriffs Kind wird auf die Regelungen des bürgerlichen Rechts Bezug genommen, wobei in diesem Zusammenhang sowohl die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) als auch die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu beachten ist.

Besondere Bindung zum biologischen Vater

Der EGMR hat anerkannt, dass zwischen einem Kind und seinem biologischen Vater eine natürliche unveränderliche Bindung besteht, die beim Vorliegen einer engen persönlichen Beziehung dem Schutzbereich des Privat- und Familienlebens gem. Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) unterfällt.
Weiterhin hat der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2013 den § 1686a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingeführt. Durch diese Regelung wurde der leibliche, aber nicht rechtliche Vater als eine besondere Ausprägung der Vaterschaft anerkannt und ihm wurden eigene Rechte zugesprochen.

Übertragung auf Schenkungen

Die Richter des FG kamen in ihrem Urteil zu dem Ergebnis, dass diese zivilrechtliche Entwicklung auf das Schenkungsteuerrecht angewendet werden muss. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der persönlichen Verhältnisse ist der Zeitpunkt der Zuwendung.
Nachdem die Geldzuwendung des biologischen Vaters an seine Tochter innerhalb einer gefestigten Vater-Tochter-Beziehung stattfand, muss diese unter Berücksichtigung der Steuerklasse I erfolgen, da es sich um eine Zuwendung an ein Kind i. S. d. § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG handelt.
Aus diesem Grund war der Schenkungsteuerbescheid fehlerhaft – weder der Kläger noch die Tochter mussten aufgrund des Freibetrags i. H. v. 400.000 Euro Schenkungsteuer zahlen.
Für die Zukunft ist beachten, dass Zuwendungen oder Erbschaften ihres rechtlichen Vaters aber auch der Steuerklasse I unterfallen werden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Fragen wurde Revision zum BFH (Az.: II R 5/17) zugelassen.

(Hessisches FG, Urteil v. 15.12.2016, Az.: 1 K 1507/16)

(WEI)

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