Kein Antibiotikum nach Blinddarm-OP: 5.000 Euro

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Mit Vergleich vom 04.12.2020 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meine Mandantin 5.000 Euro zu zahlen.

Die 1966 geborene Selbstständige wurde unter der Diagnose „akute Appendizitis mit Peritonealabszess rechts“ (Entzündung des wurmartigen Anhängsels des Zökums/Blinddarms) operiert. Während der Operation fand sich kein Hinweis für eine Peritonitis (Bauchfellentzündung). Bei der Entfernung der Appendix kam es zu einem Einriss des Darmes. Während der Operation erfolgte eine einmalige Gabe von Antibiotikum (Single-Shot-Antibiose) mit 3 g Unacid und 500 ml Clont intravenös.

Vier Tage nach der stationären Entlassung musste die Mandantin erneut wegen starker Schmerzen im Unterbauch stationär aufgenommen werden. Eine Computertomographie des Abdomens zeigte eine Veränderung im Bereich der Bauchdecke, oberhalb des Nabels. Nach einer 24-Stunden-Antibiose wurde die Patientin trotz weiterer Schmerzen im Unterbauch nach Hause entlassen. Einen Tag später bekam die Mandantin Fieber, litt unter massivem Erbrechen und starken Schmerzen im Unterbauch. An der entzündeten Stelle am Bauchnabel entleerte sich reichlich Eiter. Nach stationärer Aufnahme verschlechterte sich ihr Allgemeinzustand trotz der Gabe von Antibiotika zunehmend.

Nachdem sich zwei Tage lang ihr gesundheitlicher Zustand weiter verschlechterte, wurde eine Revisionsoperation durchgeführt. Beim Abpräparieren des Dünndarms von der rechten Beckenwand entleerte sich schwallartig Eiter. Es wurde ein Abszess (mit Eiter gefüllter Hohlraum im Gewebe) hinter dem Dünndarm entfernt. Sie litt auch in den Folgetagen unter starkem Erbrechen und Schmerzen im Unterbauch. Zwei Wochen später konnte sie aus der stationären Behandlung entlassen werden.

Ich hatte den Ärzten mit einem Gutachten vorgeworfen, nach der Operation vom 29.01.2015 keine Antibiose nach dem Facharztstandard verabreicht zu haben. Bei der Mandantin habe eine komplizierte akute Appendizitis mit einem Abszess vorgelegen. Die Perforationsstelle sei weiter aufgerissen, sodass die Bauchhöhle durch Bakterien kontaminiert worden sei. Die verabreichte Single-Shot-Antibiose sei nur bei einer unkomplizierten Appendizitis ausreichend. Es hätte dem Facharztstandard entsprochen, zumindest eine 3-tägige postoperative Antibiose zu verabreichen. Wäre diese Antibiose verabreicht worden, hätte sich der Abszess nicht ausgebildet. Es wäre nicht zu der massiven gesundheitlichen Verschlechterung mit der Folgeoperation gekommen.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Das Unterlassen der Antibiotika-Therapie nach der Operation sei ein vorwerfbarer Fehler. Es entspräche dem Facharztstandard, dass bei einer frischen Perforation des Blinddarms mit lokaler Peritonitis eine Antibiotika-Therapie über einen Zeitraum von zwei bis drei Tagen nach der Operation vorgenommen werden müsse. Das ergäbe sich aus der Leitlinie Antibiotika-Prophylaxe aus dem Jahre 2010, die im Jahre 2018 mit selbem Inhalt erneuert worden sei.

Bei sachgerechter postoperativer Antibiotika-Therapie wäre möglicherweise der Abszess im Darmbereich und der Bauchdecke vermieden worden. Der vor der Operation gedeckte Abszess sei durch das Bergen des entfernten Blinddarms und dessen Zerreißen zu einer offenen Perforation geworden. Hieraus habe sich die lokale Peritonitis (Bauchfellentzündung) entwickelt, weil es zu einer bakteriellen Besiedlung im rechten Unterbauch während der Operation gekommen sei. Legt man den abgetrennten Blinddarm in einen Bergesack, bedeute dieses zwangsläufig, dass sich bereits vor dem Bergen der Appendix Eiter im rechten Unterbauch befunden habe.

Nach dem OP-Bericht habe der Blinddarm in 5 mm Eiter geschwommen. Es sei völlig unverständlich, warum nicht bereits beim ersten Krankenhausaufenthalt nach der Operation die Revisionsoperation durchgeführt worden sei. Es habe sich bei Wiederaufnahme eine Rötung im Nabelbereich gezeigt. Die am selben Tag angefertigte CT habe einen gravierenden Herd im Bereich der Bauchdecke mit zwei Flüssigkeitsansammlungen mit einer Ausbreitung von 2 – 3 cm gezeigt. Da bei einem solchen Befund eine Sepsis mit schwerwiegenden Folgen eintreten könne, hätte umgehend eine Revisionsoperation erfolgen müssen. Das Unterlassen dieser Operation sei unverständlich.

Wäre allerdings drei Tage früher operiert worden, hätte die Operation genauso lange und umfangreich durchgeführt werden müssen. Erspart geblieben wären der Mandantin eine Ungewissheit und starke Schmerzen über einen Zeitraum von drei Tagen. Der schlechte Gesundheitszustand bereits zu dem Zeitpunkt, an dem hätte operiert werden müssen (3 Tage vorher) wäre auch bei rechtzeitiger OP so aufgetreten.

Das Krankenhaus zahlte an die Klägerin für die drei Tage Schmerzen mit psychischer Beeinträchtigung einen Betrag in Höhe von 5.000 Euro. Ebenso verpflichtete sich das Krankenhaus, die Gebühren für meine außergerichtliche Tätigkeit zu übernehmen.

 (Landgericht Bochum, Vergleich vom 04.12.2019, AZ: I-6 O 137/17)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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