Keine Aufklärung vor Rücken-OP: 9.000 Euro

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Mit gerichtlichem Vergleich vom 05.03.2015 hat sich ein Krankenhaus in Werne verpflichtet, an meinen Mandanten einen Abfindungsbetrag in Höhe von 9.000 Euro und die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren (2,0 außergerichtliche Geschäftsgebühr) zu zahlen.

Der am 04.05.1975 geborene Angestellte wurde am 06.09.2010 unter der Diagnose eines breiten, ausgedehnten, subligamentären Bandscheibenvorfalls L5/S1 intraspinal bis extraspinal links-reichend mit klassischer S1-Wurzelkompression mikrochirurgisch operiert. Über den stationären Aufenthalt vom 05.10. bis 09.10.2010 existierte lediglich ein Arztbrief und ein OP-Bericht. Der postoperative Verlauf ließ sich nicht mehr darstellen, da kein Krankenblatt in pflegerischer und ärztlicher Dokumentation vorlag.

Im Dezember 2010 kam es bei dem Mandanten zu erneuten starken Rückenschmerzen. Am 24.01.2011 führte der damalige Chefarzt in mikrochirurgischer Technik die Entfernung eines Rezidiv-Bandscheibenvorfalles durch. Auch zu dieser Operation fand sich keine Dokumentation über die Aufklärung. Es war lediglich der Operationsbericht vorhanden.

Nach Entlassung aus der stationären Behandlung kam es zu einer erheblichen Schwellung im Wundbereich. Aus der Narbe am Rücken entleerte sich tropfenweise Liquor. Die alte Operationswunde wurde wieder eröffnet, der Dura-Defekt mit Nähten verschlossen und zusätzlich mit Duraseal versiegelt. Postoperativ kam es zum Anstieg der Entzündungswerte, die Abstriche waren positiv, es ließ sich der Erreger Morganella morganii nachweisen. Eine Antibiose mit Cefuroxim wurde eingeleitet. Am 09.02.2011 trat Eiter aus der OP-Wunde aus, so dass der Mandant am 09.02.2011 revidiert werden musste. Eine weitere Revisionsoperation erfolgte am 18.02.2011. Die Wunde musste eröffnet, sämtliches Nahtmaterial entfernt werden. Erst am 14.02.2011 wurde das Antibiotikum Cefuroxim auf Ciprofloxacin gewechselt.

Es blieb nach den Behandlungsunterlagen unklar, welche Antibiose intravenös und welche oral verabreicht wurde. Im September fand sich der Eintrag „schwielende Spondylodiszitis. Korsett noch täglich, Beugung noch schwierig, beginnende Verknöcherung sichtbar". Im Dezember 2011 sei das CRP auf 7,1 gesunken, einen Eintrag zu bildgebenden Verlaufskontrollen fand sich in den Behandlungsunterlagen nicht. Zwei weitere operative Sanierungen erfolgten in einem Nachfolgekrankenhaus. Vom 13.08.2012 bis 21.08.2012 wurde während eines stationären Aufenthaltes das Segment L5/S1 mit einem Schraubenstabsystem und einem Cage stabilisiert. Bis heute ist der Mandant erwerbsunfähig.

Er hatte gerügt, vor der zweiten Operation vom 24.01.2011 nicht über die echte Behandlungsalternative einer konservativen Behandlung aufgeklärt worden zu sein. Ihm sei vom damaligen Chefarzt mitgeteilt worden, die Sache müsse operiert werden. Wenn er gewusst hätte, dass man noch hätte zuwarten können und vielleicht eine Chance auf Heilung bei konservativer Behandlung bestand, hätte er sich noch nicht operieren lassen. Auch vor der ersten Operation hätte er jahrelang den Eingriff verzögert. Zu den Chancen und Risiken sei ihm vor den Revisionsoperationen nichts mitgeteilt worden.

Der Mandant warf dem Krankenhaus vor, behandlungsfehlerhaft das Antibiotikum nicht rechtzeitig gewechselt zu haben. Das Resistogramm vom 04.02.2011 habe gezeigt, dass der Erreger Morganella marganii gegen das Antibiotikum Cefuroxim resistent gewesen sei. Trotzdem sei nach Kenntnisnahme dieses Resistogramms das Antibiotikum weiter verordnet worden. Erst am 14.02.2011 hätten die Ärzte von Cefuroxim auf das Antibiotikum Ciprofloxacin gewechselt, das dann wieder auf Ceftriaxon nach Resistenzlage gewechselt worden sei. Dadurch habe sich die erhebliche Entzündung an der Wirbelsäule ausbilden können.

Der Sachverständige hat im Termin bestätigt: Vor der zweiten Operation im Januar 2011 wären sowohl eine konservative Behandlung als auch eine Operation medizinisch vertretbar gewesen. Die konservative Behandlung stelle eine echte Behandlungsalternative dar. Für die Operation habe der plötzliche Beginn der Beschwerden gesprochen, das kurze Intervall zwischen erster und zweiter Operation im Hinblick auf die Vernarbung, die Hyperästhesien und auch, dass die Spritze in der Zwischenzeit keine Besserung gezeigt hätte. Allerdings lagen keine motorischen Ausfälle vor, so dass man auch noch hätte zuwarten können. Das hätte man konkret mit dem Patienten besprechen müssen.

Wenn man die Resistenz aufgrund eines Resistogramms feststellen könne, müsse ein Antibiotikum gewechselt werden. Spätestens nach der zweiten Operation vom 09.02.2011 hätte man das Antibiotikum zwingend wechseln müssen. Die Ärzte hätten nämlich gesehen, dass Eiter ausgetreten sei. Hätte man direkt am 04.02.2011 das Antibiotikum gewechselt, nähme der Sachverständige eine 50:50-Chance an, dass dem Mandanten die OP vom 09.02.2011 erspart geblieben wäre. Bei richtiger Antibiose sei die Chance signifikant höher, dass es zur Ausheilung komme. Es hätte die Chance bestanden, dass die Revisionsoperation vom 18.02.2011 dem Patienten erspart geblieben wäre. Ansonsten könne man aktuell an der Bildgebung sehen, dass die Spondylodiszitis beim Kläger ausgeheilt sei. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass die Spondylodiszitis sich heute noch auf das Gesamtergebnis auswirke. Die jetzigen Beschwerden des Mandanten seien nicht mehr auf den Behandlungsfehler zurückzuführen.

(Landgericht Dortmund, Vergleich vom 05.03.2015, AZ: 4 O 171/15)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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