Können Großeltern den Kontakt zu Enkelkindern erzwingen? - Das Umgangsrecht der Großeltern

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1. Einleitung

In vielen Familien spielen die Großeltern, also die eigenen Eltern der jeweiligen Eltern, im Leben eine große Rolle. Dabei ist dies nicht immer nur der Fall, wenn die eigenen Eltern berufsbedingt auf die Unterstützung der Großeltern bei der Betreuung der Kinder angewiesen sind. Auch in anderen Fällen spielen Großeltern eine große emotionale Stütze und wichtige Bezugsperson der Enkel. Schließlich sind sie als Verwandte in gerader Linie enge Verwandte und Teil der Familie.

Leider kommt es im Rahmen von Trennungen der Eltern manchmal zu einem Zerwürfnis zwischen Großeltern und Eltern. Nicht nur hinsichtlich der Eltern des Ex-Partners, sondern auch zu den eigenen Eltern kann es zu Konflikten in Bezug auf den Kontakt zu den Enkelkindern bzw. die Dauer und Gestaltung dieses Kontakts kommen. Dann kann sich die Frage stellen, wie bzw. ob Oma oder Opa ein Kontakt- bzw. Besuchsrecht für ihre Enkelkinder gegen den Willen der Eltern durchsetzen können?

Das Umgangsrecht als solches, aber insbesondere das der Großeltern, ist eine komplexe Angelegenheit. Dieser Artikel soll nachfolgend einen Überblick über die Voraussetzungen und die Durchsetzung dieses Umgangsrechts von Großeltern geben. Dabei erhebt dieser Artikel bereits aufgrund seiner Kürze keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann eine Rechtsberatung im Einzelfall keinesfalls ersetzen.


2. Das gesetzliche Umgangsrecht der Großeltern und enger Bezugspersonen

Das Gesetz geht in § 1685 BGB davon aus, dass der Kontakt zwischen Kindern und ihren Großeltern bzw. anderen engen Bezugspersonen aufrecht werden kann oder soll. Großeltern haben daher nach dieser Norm grundsätzlich ein Recht zum Umgang mit ihren Enkelkindern. Allerdings setzt dieses Umgangsrecht der Großeltern sowie anderer enger Bezugspersonen – anders als dasjenige der leiblichen Eltern – voraus, dass dieser Umgang dem Kindeswohl dient. So schreibt es § 1685 Abs. 1 BGB explizit vor.

In § 1685 Abs. 1 BGB ist demnach geregelt, dass Großeltern und Geschwister ein Recht auf Umgang mit ihren Enkeln oder Geschwistern haben, wenn dieser Umgang gerade dem Wohl des Kindes dient. Auch andere enge Bezugspersonen des Kindes haben dieses Umgangsrecht, wenn sie tatsächliche Verantwortung für das Kind tragen oder getragen haben, § 1685 Abs. 2 BGB.


2.1. Der Unterschied zwischen Großeltern und Eltern

Nach § 1684 BGB ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet. Hierin liegt der gravierendste Unterschied des Umgangsrechts von Eltern im Vergleich zu dem von Großeltern. Eltern sind nämlich – anders als Großeltern – dann zum Umgang berechtigt, wenn dieser Umgang das Kindeswohl nicht gefährdet. Die Eltern haben damit „nur“ dasjenige zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Das Gesetz vermutet damit, dass ein Kontakt der Kinder zu beiden Elternteilen grundsätzlich – vorbehaltlich einer Kindeswohlgefährdung – dem Kindeswohl dient. Das Umgangsrecht der Eltern ist folglich „nur“ dann ausgeschlossen, wenn der Kontakt dem Kind schaden würde.

Bei Großeltern verhält es sich genau andersherum: Ihnen wird ein Umgangsrecht nur dann zugesprochen, wenn der Umgang dem Kindeswohl zugutekommt; dem Kindeswohl also dient. Das heißt aber auch, dass Großeltern (wie auch Geschwister und andere enge Bezugspersonen) darlegen und beweisen müssen, dass der Umgang dem Kindeswohl dient. Es stellt sich demnach die Frage, wann ein solcher Umgang dem Kindeswohl dient.


2.2. Die Kindeswohldienlichkeit des Umgangs

Eine positive Einwirkung auf das Kindeswohl wird in der Regel dann zu bejahen sein, wenn eine enge Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkind besteht. Denn nach der Intention des Gesetzgebers kann ein Abbruch dieser engen Bindung dem Kindeswohl in manchen Fällen schaden, sodass es im Umkehrschluss dem Kindeswohl dient, diesen aufrecht zu halten.

Wenn also Großeltern ein inniges und liebevolles Verhältnis und eine sehr starke Beziehung zu ihren Enkeln haben, kann das Umgangsrecht grundsätzlich durch den sorgeberechtigten Elternteil nicht ohne triftigen Grund eingeschränkt werden. Denn aufgrund der dann in aller Regel zu bejahenden Kindeswohldienlichkeit besteht dann ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 BGB.

Wird der Umgang der Großeltern dann durch (mindestens) einen der Elternteile verweigert, können Großeltern den Umgangsanspruch nötigenfalls gerichtlich geltend machen und gegebenenfalls durchsetzen. Hierbei wird dann jedoch stets vom zuständigen Familiengericht geprüft, ob der Kontakt zu den Großeltern dem Kindeswohl dient oder eben nicht.


2.3. Die Vorbereitung der Kindeswohldienlichkeit

Nachdem die Beziehung der Großeltern ein richtungsweisender Gesichtspunkt im Rahmen der Kindeswohlprüfung ist, ist es wichtig, dass Großeltern eine gute Beziehung zu ihren Enkelkindern aufbauen und pflegen.

Darüber hinaus ist es Großeltern auch zu raten, mit den Eltern ihrer Enkelkinder eine offene Kommunikation zu suchen und diese aufrechtzuerhalten. Denn wenn die Kommunikation zwischen den Großeltern und den Kindeseltern gestört ist oder hier bereits Konflikte auftreten, kann dies für das Umgangsrecht der Großeltern schädlich sein. So können Kinder hierdurch in einen sogenannten Loyalitätskonflikt gezogen werden. Die Kinder werden dann quasi zu einer Entscheidung zwischen den Eltern und den Großeltern gezwungen. Dies stellt in den meisten Fällen eine Kindeswohlgefährdung dar, sodass ein Umgang in diesem Fall dem Kindeswohl keinesfalls mehr dienen kann. Ein offenes Gespräch oder eine gemeinsame Lösung von Unstimmigkeiten kann dazu beitragen, derartiges auszuräumen.

Außerdem sollten Großeltern die Erziehungsmethoden der Eltern nicht unterlaufen. Die Rechtsprechung spricht hier von dem Erziehungsprimat der Eltern. Das bedeutet, dass sämtliche Erziehungsfragen – vorbehaltlich einer Verträglichkeit mit dem Kindeswohl – primär durch die Eltern selbst zu entscheiden sind. Akzeptieren Großeltern demnach die Entscheidungen der Eltern nicht, führt dies erneut zu dem oben bereits angeführten Loyalitätskonflikt, da die Kinder erneut zwischen die „Fronten“ geraten. Auch dies führt in der Regel zu einem Ausschluss des Großelternumgangs.

Weiter sollte es vermieden werden, zu versuchen, den Kontakt mit den Enkeln gegen den Willen der Eltern zu erzwingen. Dies führt nämlich nicht selten dazu, dass sich Konflikte verschärfen und das Verhältnis zwischen den Beteiligten noch weiter belastet wird, was wiederum einer Kindeswohldienlichkeit entgegensteht. Wichtig ist daher, dass Großeltern die Geduld bewahren und versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden.


2.4. Die Häufigkeit des Umgangs der Großeltern

Eine allgemeingültige Aussage zur Häufigkeit der Umgangskontakte kann nicht gemacht werden. Da, wie oben gezeigt, stets eine Kindeswohlprüfung vorzunehmen ist und das Kindeswohl an erster zu beachten ist, bestimmt sich die Häufigkeit der Umgangskotakte ebenfalls nach dem Kindeswohl. Dabei spielen mehrere Faktoren, wie die Entfernung zwischen den Wohnorten oder das Alter des Kindes, eine Rolle. Die Ausgestaltung der Umgangskontakte, einschließlich deren Häufigkeit und Dauer, hängen demnach maßgeblich auch davon ab, wie eng die Bindung zwischen den Großeltern und dem Kind ist.


3. Die gerichtliche Geltendmachung des Großelternumgangs

Es kann jedoch vorkommen, dass eine Lösung im Einvernehmen mit den Eltern nicht gefunden werden kann. Dann können Großeltern den Umgang mit ihren Enkeln gegebenenfalls einklagen.

Wie oben dargelegt, trifft die Großeltern die Darlegungs- und Beweispflicht hinsichtlich der Kindeswohldienlichkeit. Entscheidend für die gerichtliche Geltendmachung ist es demnach, dass Großeltern nachweisen können, dass ihr Umgang mit den Enkeln dem Kindeswohl dient. Großeltern können hier beispielsweise vorbringen, welche Beziehung sie bereits zu dem Kind aufgebaut haben oder welch wichtige Rolle sie für das Kindeswohl spielen.

Muss eine schnelle Entscheidung des Gerichts herbeigeführt werden, zum Beispiel weil der geplante Urlaub mit den Enkelkindern unmittelbar bevorsteht, oder weil das Kindeswohl andernfalls einen Schaden nehmen würde, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung beim zuständigen Familiengericht das Mittel der Wahl. Die einstweilige Anordnung stellt dabei eine Gerichtsentscheidung in einem Eilverfahren dar und setzt daher immer eine Eilbedürftigkeit voraus. Sie kann aber aufgrund des beschleunigten Verfahrens nur befristet – also gerade nicht dauerhaft – ergehen.

Für eine nicht-eilbedürftige, aber andauernde gerichtliche Entscheidung kann ein Antrag auf Regelung des Umgangs beim zuständigen Familiengericht gestellt werden.


4. Die Rolle des Jugendamtes

Originäre Aufgabe des Jugendamtes ist es, die Interessen der Kinder zu schützen und zu fördern. Deshalb kann das Jugendamt bei Unstimmigkeiten zwischen den Großeltern und den Kindeseltern im Zusammenhang mit der Regelung des Umgangs vermitteln und dabei helfen, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Sollte dies nötig sein, kann das Jugendamt Großeltern dabei unterstützen und beraten, eine positive Beziehung zum Kind aufrechtzuerhalten.

Zudem wird das Jugendamt in gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung bzw. Regelung des Umgangs vom Gericht von Amts wegen in das Verfahren eingebunden und um Stellungnahme gebeten, um sicherzustellen, dass das Gericht eine umfassende Prüfung des Kindeswohls vornehmen kann.


5. Die Tipps für Großeltern

Im Vorfeld einer Auseinandersetzung zur Regelung des Umgangs, aber auch während der tatsächlichen Durchführung des Großelternumgangs kann es nach alldem sinnvoll und ratsam sein, folgende Tipps zu berücksichtigen:

  • Respektieren Sie das Erziehungsprimat der Eltern und vermeiden so einen Loyalitätskonflikt Ihrer Enkel, indem Sie Erziehungsentscheidungen der Eltern nicht unterlaufen, auch wenn Sie vielleicht anderer Meinung sind.
  • Versuchen Sie etwas mit den Kindern zu unternehmen, was sowohl Ihnen als auch Ihren Enkelkindern Spaß macht, und ermöglichen Sie gemeinsame Erlebnisse.
  • Versuchen Sie nicht die Kinder durch besondere Unternehmungen oder Geschenke zu „bestechen“, da Sie so unter Umständen einen Loyalitätskonflikt herausbeschwören.
  • Unterlassen Sie es, sich vor den Kindern negativ über die Eltern oder deren Entscheidungen zu äußern oder einen Elternteil „schlecht zu machen“.
  • Sorgen Sie im Interesse aller und insbesondere im Interesse Ihrer Enkel für Regelmäßigkeit und Beständigkeit, da sowohl die Kinder, die Kindeseltern als auch Sie von dieser Planungssicherheit profitieren.
  • Halten Sie gefundene Vereinbarungen ein, indem Sie zum Beispiel pünktlich und zuverlässig zu Verabredungen erscheinen und frühzeitig Bescheid geben, falls Sie verhindert sind.
  • Etablieren Sie eine offene und respektvolle Kommunikation mit den Kindeseltern, indem Sie über Ihre Bedürfnisse und Wünsche in Bezug auf den Umgang sprechen, sich aber auch die Seite der Kindeseltern anhören.
  • Vermeiden Sie es, Konversationen auf emotionale Argumente zu stützen, sondern bleiben Sie in Gesprächen mit den Kindeseltern stets sachlich.


6. Fazit

Wenn Großeltern darauf achten, nicht zwischen den Enkeln und deren Eltern zu stehen, insbesondere keinen Loyalitätskonflikt zu schaffen und zudem den Erziehungsvorrang der Eltern zu beachten, besteht eine juristische Möglichkeit, den Umgang mit den Enkeln durchzusetzen.

Hilfreich ist es dabei, wenn bereits eine gute und innige Beziehung mit häufigen und regelmäßigen Kontakten zwischen Großeltern und den Enkeln besteht.

Im Vordergrund des Umgangsrechts von Großeltern (aber auch Geschwistern und anderen engen Bezugspersonen) steht dabei stets das Kindeswohl, da einerseits zwar der Kontakt zu diesem Personenkreis aufrechterhalten werden soll, aber andererseits auch sichergestellt werden muss, dass die Kinder in einer sicheren und unterstützenden Umgebung aufwachsen.

Festgehalten werden kann aber, dass Großeltern juristische Schritte unternehmen können, um ihr Besuchsrecht zu sichern und eine gesunde Beziehung zu den Enkelkindern aufzubauen und zu pflegen, wenn dies dem Kindeswohl dient.

Foto(s): https://pixabay.com/de/illustrations/großelternteil-familie-kind-2656412/

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