Können Eltern sich über den Kindesunterhalt in einer Vereinbarung einigen?

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1. Einleitung

Solange die Eltern von Kindern in einer intakten Beziehung zusammenleben, stellt sich in der Regel die Frage nach dem Kindesunterhalt erst gar nicht. Dies ändert sich meistens jedoch erheblich, wenn die Eltern entschließen, künftig getrennte Wege zu gehen. Nach einer Trennung stellt sich daher oftmals die Frage, ob die Eltern eine wirksame Vereinbarung über den Kindesunterhalt im Wege einer gütlichen Einigung treffen können.


Aber auch, wenn die Eltern von Kindern zu keinem Zeitpunkt zusammengelebt haben, kann sich exakt dieselbe Frage hinsichtlich einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt stellen.


Immer dann, wenn die Kinder hauptsächlich bei einem Elternteil leben, kann die Frage nach einer Kindesunterhaltsvereinbarung aufkommen.


Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, ob Eltern sich in solchen Situationen über den Kindesunterhalt einigen können und, ob sie hier eine entsprechende Vereinbarung treffen können.


Dabei kann dieser Beitrag nicht auf alle erdenklichen Besonderheiten etwaiger Einzelfälle eingehen und erhebt daher bereits aufgrund seiner Kürze keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt in Zweifelsfällen keinesfalls das Aufsuchen eines Rechtsanwalts, um eine umfassende Rechtsberatung zu erhalten.


2. Wer schuldet überhaupt den Kindesunterhalt?

Vorangestellt soll hierzu auch die Frage durchleuchtet werden, wer von den Eltern den Kindesunterhalt überhaupt schuldet.


Das Gesetz bestimmt in § 1601 BGB im Rahmen des sogenannten Verwandtenunterhalts wörtlich: „Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.“ Demnach sind Eltern ihren Kindern (eigene Kinder sind jedenfalls in gerader Linie mit den Eltern verwandt) zum Unterhalt verpflichtet.


An dieser Stelle soll sodann zudem auch mit einem weit verbreiteten Irrglaube aufgeräumt werden: Nicht jeder Unterhalt besteht nämlich in einer Geldzahlung. Auch die Betreuung eines Kindes kann nach § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB eine Erfüllung der Unterhaltspflicht darstellen.


Im Rahmen des Kindesunterhalts ist daher danach zu unterscheiden, ob die Eltern mit dem Kind zusammenleben oder nicht.


2.1. Die Eltern leben zusammen

Denn, wenn beide Eltern mit den Kindern zusammenleben, stellt sich in aller Regel die Frage nach dem Kindesunterhalt erst gar nicht. In diesem Fall erfüllen beide Elternteile ihre grundsätzlich bestehende Unterhaltsverpflichtung durch die gemeinsame Betreuung und Erziehung der Kinder.


Einen Barunterhaltspflichtigen, also den Elternteil, der Kindesunterhalt in Geld – deshalb „Bar-Unterhalt“ – schulden würde, gibt es dann nicht. Beide Eltern erfüllen schlicht ihre Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung und Erziehung.


2.2. Die Eltern leben getrennt

Anders sieht dies in der Tat dann aus, wenn die Eltern nicht zusammenleben und daher nicht gemeinsam die Betreuung der Kinder durchführen können.


Weit verbreitet ist in derartigen Konstellationen das sogenannte Residenzmodell, bei welchem die Kinder bei einem Elternteil leben und daher von diesem weitestgehend (d. h. zu über 50 %) betreut werden. Denn derjenige Elternteil, der die Kinder hauptsächlich betreut, erfüllt seine Unterhaltspflicht durch den sogenannten Naturalunterhalt; also Unterhalt in Naturalien durch die Betreuung und Erziehung. Der andere Elternteil kann dies indes nicht leisten und ist daher barunterhaltspflichtig, sodass er Unterhalt in Geld zu leisten hat.


Zwischen getrenntlebenden Eltern besteht dann oftmals das Bedürfnis zur einvernehmlichen Regelung des Kindesunterhalts in Form dieses Barunterhalts.


3. Möglichkeit einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt

Es stellt sich daher oftmals die Frage, ob die Eltern den Kindesunterhalt einvernehmlich durch eine Vereinbarung regeln können.


Die Antwort auf diese Frage ist schnell gefunden: Ja. Es ist möglich, dass Eltern sich einvernehmlich im Wege einer Vereinbarung über den Kindesunterhalt einigen.


Allerdings sind dabei einige Besonderheiten zu beachten, da die Grenzen der Vereinbarungsmöglichkeiten der Eltern zum Kindesunterhalt sehr eng gesteckt sind.


3.1. Grenzen einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt

Der Kindesunterhalt dient schließlich dazu, den täglichen Bedarf der Kinder zu decken. Der Kindesunterhalt ist also gerade zweckgebunden. Um diese zweckgebundene Bedarfsdeckung sicherzustellen, schließt § 1614 Abs. 1 BGB explizit einen Verzicht auf den Kindesunterhalt für die Zukunft aus.


Es ist demnach gerade nicht möglich, dass Eltern oder auch Kinder selbst in einer Vereinbarung auf Kindesunterhalt verzichten. Dabei ist selbst ein teilweiser Verzicht auf einen Teil des Unterhalts nach §§ 1416 Abs. 1, 134 BGB nichtig.


Der Grundsatz, dass ein Verzicht auf künftigen Kindesunterhalt nicht möglich ist, geht dabei sogar so weit, dass die Rechtsprechung selbst dann von einem unzulässigen Teilverzicht ausgeht, wenn der nach dem Einkommen zu bestimmende Kindesunterhalt der Düsseldorfer Tabelle um 20-30 % unterschritten wird.


Selbst dann, wenn für einen etwaigen Verzicht auf künftigen Unterhalt eine Abfindung gezahlt wird, ist dies nicht möglich.


Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass also ein Verzicht auf künftigen Unterhalt keinesfalls möglich ist; nicht einmal ein teilweiser Verzicht.


Eine mögliche Alternative zu einem Unterhaltsverzicht kann in manchen Fällen eine sogenannte Freistellungsvereinbarung bieten. In einer solchen Freistellungsvereinbarung erklärt ein Elternteil, dass er entgegen seiner eigentlichen Verpflichtung im Verhältnis der Elternteile einen größeren Anteil des Kindesunterhalts übernimmt. Die Eltern können also im Verhältnis zueinander gegebenenfalls vereinbaren, dass ein Elternteil den gesamten Kindesunterhalt übernimmt und den anderen Elternteil insoweit von einer Verpflichtung entbindet – oder juristisch ausgedrückt: freistellt.


Allerdings ist auch hinsichtlich einer solchen Freistellungsvereinbarung Vorsicht geboten. Zum einen wirkt diese nur im Verhältnis zwischen den beiden Elternteilen. Der Unterhaltsanspruch der Kinder selbst bleibt von einer solchen Freistellungsvereinbarung unberührt. Eine Freistellungsvereinbarung entfaltet daher nur Wirkung zwischen den beiden Elternteilen. Und zum anderen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Voraussetzung einer wirksamen Freistellungsvereinbarung stets, dass diese keinen Nachteil für die Kinder bietet und zudem nicht einem Elternteil unangemessene Lasten aufbürdet.


Eine Freistellungsvereinbarung stellt folglich keinen Verzicht auf Kindesunterhalt dar. Vielmehr handelt es sich um eine Vereinbarung im Innenverhältnis der beiden Elternteile. Zu beachten ist hier aber, dass der tatsächliche Bedarf der Kinder durch den Kindesunterhalt (egal in welcher Form) tatsächlich gedeckt werden kann.


3.2. Formerfordernisse einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt

Zwar bedürfen Vereinbarungen zum Kindesunterhalt grundsätzlich keiner besonderen Form. Allerdings empfiehlt es sich bereits aus Beweisgründen, derartige Vereinbarungen schriftlich zu treffen.


Darüber hinaus ist aber auch zu bedenken, dass eine – selbst schriftliche – Kindesunterhaltsvereinbarung zwischen den Eltern nicht vollstreckbar ist. Das bedeutet, dass eine solche Vereinbarung nicht mithilfe der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Hierzu wäre zunächst also noch ein weiterer Zwischenschritt in Form einer gerichtlichen Geltendmachung des Kindesunterhalts aus der – gegebenenfalls schriftlichen – Vereinbarung nötig; erst der Gerichtsbeschluss wäre dann mittels Zwangsvollstreckung vollstreckbar.


Die Rechtsprechung geht dabei zu Recht davon aus, dass jedes Kind einen Anspruch auf die Errichtung eines vollstreckbaren Unterhaltstitels hat, welcher nötigenfalls mithilfe der Zwangsvollstreckung auch gegen den Willen des Unterhaltsschuldners eingetrieben werden kann. So kann verhindert werden, dass Kinder einzig auf den „guten Willen“ des Barunterhaltspflichtigen angewiesen sind.


Aus Sicht der Kinder ist es daher angebracht, einen derartigen vollstreckbaren Titel zu errichten, sodass hier letztendlich eine gewisse Form einer Kindesunterhaltsvereinbarung angebracht ist.


Die Errichtung eines solchen vollstreckbaren Titels über den Kindesunterhalt ist zum einen, bis das Kind das 21. Lebensjahr vollendet hat, bei dem zuständigen Jugendamt möglich. Alternativ kann die Vereinbarung der Eltern auch notariell beurkundet werden, wenn darin eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung erfolgt, die Fälligkeit des jeweiligen Unterhalts geregelt ist und zudem die Zahlungsform und der Zahlungsempfänger hervorgeht.


3.3. Vertretung des Kindes bei einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt

Bereits dadurch, dass sich die beiden Eltern über den Kindesunterhalt einigen möchten, wird deutlich, dass eine möglicherweise getroffene Vereinbarung (unabhängig von ihrer Form) grundsätzlich nur eine Wirkung zwischen den beiden Elternteilen entfalten kann. Das Kind wird in aller Regel in die Vereinbarungsverhandlungen – zu Recht – nicht mit einbezogen.


Wenn die Eltern das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder haben, erfolgt die Vertretung der Kinder gemeinschaftlich durch beide Eltern. Da dies im Rahmen der Geltendmachung von Kindesunterhalt jedoch wenig zielführend ist, hat das Gesetz in § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB klargestellt, dass derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich die Kinder befinden, Unterhaltsansprüche der Kinder (also als deren Vertreter) gegenüber dem anderen Elternteil geltend machen kann. Sind die beiden Eltern noch miteinander verheiratet, leben jedoch getrennt, ist eine gerichtliche Geltendmachung des Kindesunterhalts sogar nur im eigenen Namen in Verfahrensstandschaft für das Kind möglich (§ 1629 Abs. 3 S. 1 BGB).


Üblicherweise wird eine Vereinbarung zum Kindesunterhalt noch als ein sogenannter Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB gefasst werden. Dann erhalten die Kinder nämlich eigene Forderungsrechte hinsichtlich des Kindesunterhalts.


4. Fazit

Elternteile könnten sich im Wege einer einvernehmlichen Vereinbarung über den Kindesunterhalt einigen.


Allerdings sind hierbei einige Punkte zu beachten, da derartigen Vereinbarungen enge Grenzen gesetzt sind.


So ist etwa ein auch nur teilweiser Verzicht auf künftigen Kindesunterhalt gänzlich nicht möglich. Zudem ist bereits aus Beweisgründen mindestens die schriftliche Abfassung einer solchen Vereinbarung angebracht.


Weiter haben Kinder aber auch einen Anspruch auf die Errichtung eines vollstreckbaren Titels, sodass – unabhängig von etwaigen Beweisgründen – ein solcher mithilfe der Zwangsvollstreckung durchsetzbarer Titel geschaffen werden sollte. Dies kann dabei auch ohne gerichtliches Verfahren entweder beim jeweils zuständigen Jugendamt oder durch eine notarielle Beurkundung einer getroffenen Vereinbarung erfolgen.

Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/familienrecht-scheidungsanwalt-3683788/

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