Kann eine Lüge über das Vorhandensein von eigenen Kindern ein Eheaufhebungsgrund sein?

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1. Einleitung

Dass Ehen geschieden werden, weil sich die Ehegatten auseinanderleben, dürfte mittlerweile Alltag bei den deutschen Familiengericht sein.


Doch was ist, wenn sich die Ehegatten nicht erst auseinanderleben, sondern von vornherein nie wirklich zusammengefunden hätten? So kann die Konstellation etwa umschrieben werden, wenn ein Ehegatte den anderen nur mithilfe einer Täuschung bzw. eines Irrtums zur Eheschließung überreden konnte.


Wird nämlich die Ehe nur infolge einer arglistigen Täuschung geschlossen, so kann dies einen Grund darstellen, die Ehe aufzuheben. Anders als die Scheidung wäre dies nämlich auch vor Ablauf eines Trennungsjahres möglich.


Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hatte sich in seinem Beschluss vom 31.03.2023 – Az. 5 UF 102/22 mit der Frage zu befassen, ob das Verschweigen von (minderjährigen) Kindern eine solche Täuschung darstellt.


Dieser Artikel soll nachfolgend einen Überblick über die Voraussetzungen einer Eheaufhebung aufgrund eines verschwiegenen (minderjährigen) Kindes geben. Dabei erhebt dieser Artikel bereits aufgrund seiner Kürze und Allgemeinheit keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann eine Rechtsberatung im Einzelfall keinesfalls ersetzen.


2. Die Voraussetzungen der Eheaufhebung nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB

Das Gesetz bestimmt, dass nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Ehe aufgehoben werden kann, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten.


Wird also die Ehe nur aufgrund einer Täuschung eingegangen, kann dies einen Eheaufhebungsgrund darstellen. Dabei ist als Täuschung jedes Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums in der Absicht, den anderen zur Eheschließung zu bringen, zu verstehen. Mit anderen Worten ist festzustellen, ob es gerade einer Täuschung bedurfte, damit die Ehe eingegangen wird.


Explizit ist eine Eheaufhebung aufgrund einer Täuschung jedoch dann nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 2. HS ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich die Vermögensverhältnisse des täuschenden betrifft.


Darüber hinaus kann eine Täuschung sowohl in einem aktiven Tun oder passiven Unterlassen bestehen. Allerdings reicht bloßes Verschweigen im Allgemeinen für eine Täuschung nicht aus. Ein Verschweigen von Tatsachen stellt lediglich dann eine Täuschung im Sinne des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar, wenn eine Pflicht zur Offenbarung der jeweiligen Tatsache besteht.


3. Das Recht zur Lüge vs. Offenbarungspflicht?

Es stellt sich demnach die Frage, ob eine derartige Offenbarungspflicht hinsichtlich des Vorhandenseins eigener (minderjähriger) Kinder besteht. Denn schließlich handelt es sich hierbei um Tatsachen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich die unter Umständen nicht offenbarungspflichtig sind.


Eine Offenbarungspflicht besteht jedenfalls hinsichtlich der Umstände nicht, hinsichtlich derer selbst bei entsprechender Nachfrage sogar gelogen werden dürfte (sog. Recht zur Lüge).


Anders als im Bereich des Arbeitsrechts, wo ein solches Recht zur Lüge (z. B. auf die Frage nach einer Schwangerschaft) anerkannt ist, wird ein solches vom OLG Karlsruhe in dem oben genannten Beschluss hinsichtlich des Vorhandenseins von (minderjährigen) Kindern im Rahmen der Eheschließung gerade nicht angenommen. Es fehle hier gerade an einer rechtlichen Grundlage, so das OLG. Zudem ginge es bei einer Eheschließung unausweichlich um den höchstpersönlichen Lebensbereich der Ehegatten, was bei einem Arbeitsrechtsverhältnis nicht zwingend der Fall ist.


Nach dem oben genannten Beschluss des OLG stellt das Vorhandensein von (jedenfalls minderjähriger) Kindern in objektiver Hinsicht einen wichtigen Umstand im Rahmen einer Eheschließung dar. Denn bei dem Vorhandensein von (minderjährigen) Kindern handelt es sich um einen Umstand, der für die eheliche Gemeinschaft und das Familienleben von grundlegender Bedeutung ist. So bestehen für den verschweigenden Ehegatten etwa Unterhaltspflichten für das Kind sowie das mögliche Bedürfnis nach Umgangsregelungen. Etwaige Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind spielen sodann auch für den anderen Ehegatten im Rahmen von Trennung- und nachehelichen Unterhalt unter Umständen eine berücksichtigungsfähige Rolle.


Daraus folgert das OLG Karlsruhe in dem oben genannten Beschluss sodann, dass der Umstand, dass (minderjährige) Kinder vorhanden sind auch ohne explizite Nachfrage offenbarungspflichtig ist. Schließlich spielt dieser Umstand für die ehelichen Pflichten eine erhebliche Rolle, so das OLG.


Nachdem ein Ehegatte, in den vom OLG Karlsruhe zu entscheidenden Fall, das Vorhandensein eines zum Zeitpunkt der Eheschließung 15-jährigen Sohn verschwiegen hatte, bejahte das OLG das Vorliegen einer objektiven Täuschung.


4. Zusammenhang zwischen Täuschung und Eheschließung

Neben dem Vorliegen einer Täuschung muss als weitere Voraussetzung einer Eheaufhebung ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Täuschung und der Eheschließung bestehen. Mit anderen Worten muss die Ehe also infolge der Täuschung geschlossen worden sein.


Dieser Zusammenhang zwischen Täuschung und Eheschließung ist dabei sowohl objektiv vom Standpunkt einer verständigen Würdigung der Ehe als auch subjektiv vom Standpunkt des getäuschten Ehegatten bei fiktiver Kenntnis der Sachlage zu beurteilen. Beide Erfordernisse müssen erfüllt sein, wenn das Aufhebungsbegehren Erfolg haben soll. Sowohl unter objektivem wie unter subjektivem Maßstab muss anzunehmen sein, dass der Ehegatte die Ehe ohne die Täuschung nicht geschlossen hätte.


Es muss daher sowohl vom Standpunkt aus Sicht eines objektiven Unbeteiligten als auch aus der Sicht des getäuschten Ehegatten selbst mit ausreichender Sicherheit anzunehmen sein, dass die Ehe bei korrekter Kenntnis der Sachlage nicht geschlossen worden wäre.


5. Beweislast

Dies – also den ursächlichen Zusammenhang zwischen Täuschung und Eheschließung – sowie den Irrtum als solches zu beweisen, obliegt demjenigen Ehegatten, welcher die Aufhebung begehrt.


Dieser muss daher sowohl das Vorliegen einer Täuschung beweisen wie auch den Umstand, dass er bei korrekter Kenntnis die Ehe nicht geschlossen hätte.


6. Fazit

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass jedenfalls dann, wenn (minderjährige) Kinder verschwiegen werden, darin ein gewichtiger Umstand zu sehen ist, der nach §§ 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Aufhebung der Ehe führen kann. Die Scheidung der Ehe und damit einhergehend die Einhaltung eines im Rahmen der Scheidung vorgeschriebenen Trennungsjahres ist dann nicht nötig.


Wichtig hierbei ist jedoch, dass derjenige, der die Aufhebung der Ehe begehrt, das Vorliegen des Aufhebungsgrundes in subjektiver, wie in objektiver Hinsicht beweisen muss.



§ 1314 BGB

Aufhebungsgründe

(1) Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn sie

  1. entgegen § 1303 Satz 1 mit einem Minderjährigen geschlossen worden ist, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr vollendet hatte, oder
  2. entgegen den §§ 1304, 1306, 1307, 1311 geschlossen worden ist.

(2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn

  1. ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand;
  2. ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt;
  3. ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten; dies gilt nicht, wenn die Täuschung Vermögensverhältnisse betrifft oder von einem Dritten ohne Wissen des anderen Ehegatten verübt worden ist;
  4. ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist;
  5. beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 begründen wollen.
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