Kompetenzstreitigkeiten in der GbR: Wer ist zuständig - Geschäftsführer oder Gesellschafter?
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1. Einführung:
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist eine der flexibelsten und unkompliziertesten Gesellschaftsformen im deutschen Recht.
Doch gerade diese Flexibilität kann zu Unklarheiten führen, insbesondere wenn es um die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den Gesellschaftern und den Geschäftsführern geht.
Während die Gesellschafter die Träger der Gesellschaft sind und grundsätzlich alle Entscheidungen gemeinsam treffen, können sie die Geschäftsführung auf einen oder mehrere Geschäftsführer übertragen.
Hieraus können sodann wiederum potentielle Kompetenzstreitigkeiten zwischen Gesellschafter und Geschäftsführung entstehen, die nachfolgend näher beleuchtet werden sollen.
2. Wann entstehen Kompetenzstreitigkeiten in einer GbR?
a. Grundkonstellation: Gesellschafter als Geschäftsführer
Nach § 709 BGB ist die Grundkonstellation der GbR so, dass alle Gesellschafter gemeinsam die Geschäftsführung innehaben.
Jede Entscheidung bedarf der Zustimmung aller Gesellschafter.
Dieses Prinzip der Einstimmigkeit sichert zwar einerseits die Gleichberechtigung, kann aber andererseits zu Entscheidungsblockaden führen. Dies ist mit ein Grund, warum bei mehreren Gesellschaftern die Geschäftsführung auf einzelne Gesellschafter exklusiv übertragen wird.
b. Übertragung der Geschäftsführung
Das Problem der Zuständigkeitsstreitigkeit tritt besonders dann auf, wenn die Gesellschafter nach § 710 BGB beschließen, die Geschäftsführung auf einen oder mehrere Gesellschafter zu übertragen oder gar einen externen Geschäftsführer zu bestellen.
In diesem Fall sollte im Gesellschaftsvertrag genau definiert werden, welche Befugnisse konkret an die Geschäftsführung übertragen werden und für welche Entscheidungen weiterhin die Gesellschafterversammlung zuständig bleibt.
3. Kompetenzverteilung bei übertragener Geschäftsführung
Wenn in einer GbR die Geschäftsführung auf einen oder mehrere Gesellschafter oder sogar auf externe Personen übertragen wird, ist es essenziell, die Zuständigkeiten klar zu definieren. Dies verhindert nicht nur interne Konflikte, sondern stellt auch sicher, dass die Gesellschaft effizient und im Sinne aller Beteiligten geführt wird.
a. Zuständigkeit der Geschäftsführung
1. Abschluss von Lieferverträgen: Die Geschäftsführung ist befugt, Verträge mit Lieferanten zu schließen, um die laufende Versorgung der Gesellschaft mit notwendigen Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten. Diese Befugnis umfasst die Verhandlung von Konditionen, die Auswahl von Lieferanten und die Überwachung der Vertragserfüllung.
2. Anstellung und Entlassung von Mitarbeitern: Die Geschäftsführung trägt die Verantwortung für das Personalwesen. Sie entscheidet über die Einstellung neuer Mitarbeiter, deren Einsatzbereiche und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Hierbei muss sie sowohl die wirtschaftlichen Interessen der GbR als auch arbeitsrechtliche Bestimmungen beachten.
3. Führung der Buchhaltung: Eine ordnungsgemäße Buchführung ist das Rückgrat jeder Geschäftstätigkeit. Die Geschäftsführung sorgt für die korrekte Erfassung aller Geschäftsvorfälle, die Einhaltung steuerlicher Pflichten und die Erstellung des Jahresabschlusses.
4. Vertretung der Gesellschaft nach außen: Geschäftsführer repräsentieren die GbR nach außen und sind befugt, im Namen der Gesellschaft zu handeln. Dies schließt Vertragsabschlüsse, rechtliche Auseinandersetzungen und die Vertretung gegenüber Behörden ein.
5. Verwaltung des Gesellschaftsvermögens: Die Geschäftsführung verwaltet das Vermögen der GbR. Dazu gehört die sorgfältige und wirtschaftliche Nutzung der Vermögenswerte sowie die Entscheidung über deren An- und Verkauf im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs.
b. Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses
1. Aufnahme neuer Gesellschafter: Die Aufnahme neuer Gesellschafter ist ein grundlegender Schritt, der die Struktur der GbR verändert. Dieser Schritt erfordert die Zustimmung aller Gesellschafter, da er Einfluss auf die Stimmrechtsverteilung und die Gewinn- und Verlustbeteiligung hat.
2. Änderung des Gesellschaftsvertrages: Jede Änderung des Gesellschaftsvertrages betrifft die Basis der Zusammenarbeit innerhalb der GbR. Solche Änderungen müssen von den Gesellschaftern gemeinsam beschlossen werden, um die Interessen und das Gleichgewicht zwischen ihnen zu wahren.
3. Große Investitionen oder Kreditaufnahmen: Entscheidungen über große Investitionen oder die Aufnahme von Krediten können das Risiko für die Gesellschaft und damit für jeden Gesellschafter erheblich erhöhen. Daher müssen solche Entscheidungen von den Gesellschaftern getroffen werden.
4. Auflösung der Gesellschaft oder Verkauf wesentlicher Gesellschaftsanteile: Die Auflösung der GbR oder der Verkauf von wesentlichen Teilen des Gesellschaftsvermögens kann nicht ohne die Zustimmung der Gesellschafter erfolgen, da dies das Ende der Gesellschaft oder eine erhebliche Veränderung ihrer Basis bedeutet.
5. Entscheidungen, die die Grundausrichtung der Gesellschaft betreffen: Strategische Entscheidungen, wie die Änderung des Geschäftszwecks oder die Expansion in neue Märkte, definieren die Zukunft und die Ausrichtung der GbR. Solche Entscheidungen gehen über das Tagesgeschäft hinaus und erfordern daher einen Gesellschafterbeschluss.
Die klare Trennung zwischen Geschäftsführungs- und Gesellschafteraufgaben ist nicht nur rechtlich notwendig, sondern auch praktisch sinnvoll, um die Handlungsfähigkeit der GbR zu sichern und gleichzeitig die Rechte der Gesellschafter zu wahren.
4. Rechtliche Möglichkeiten der Minderheitsgesellschafter
Minderheitsgesellschafter sind nicht machtlos gegenüber der (übertragenen) Geschäftsführung.
§ 711 BGB gibt ihnen das Recht, bei wichtigen Gründen die Entziehung der Geschäftsführungs-befugnis zu verlangen. Wichtige Gründe können beispielsweise grobe Pflichtverletzungen oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung sein.
Darüber hinaus haben Minderheitsgesellschafter das Recht auf Information und Einsicht in die Geschäftsunterlagen, um die Tätigkeit der Geschäftsführung kontrollieren zu können.
5. Fazit
Die klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern ist für das reibungslose Funktionieren einer GbR von entscheidender Bedeutung.
Es empfiehlt sich, bereits im Gesellschaftsvertrag detaillierte Regelungen zur Kompetenzverteilung zu treffen und diese bei Bedarf anzupassen.
Minderheitsgesellschafter sollten ihre Kontroll- und Informationsrechte nutzen, um die Geschäftsführung effektiv zu überwachen.
Nur so können Kompetenzstreitigkeiten vermieden und die Interessen aller Beteiligten gewahrt werden.
Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten.
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