Krankheit und Kündigung des Arbeitsverhältnisses – häufige Fragen und Antworten

  • 4 Minuten Lesezeit

1. Ich bin krankgeschrieben und zu Hause – da kann mir der Arbeitgeber doch nicht kündigen?

Die Tatsache, dass Sie krank sind und deshalb gerade nicht arbeiten, ist kein Hinderungsgrund dafür, dass der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht. Eine Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil sie erklärt wird, wenn der Arbeitnehmer zuhause ist. Der Arbeitgeber kann sogar während einer urlaubsbedingten Abwesenheit kündigen. Eine ganz andere Frage ist, warum der Arbeitgeber kündigt. Es ist jedenfalls kein ausreichender Kündigungsgrund, wenn jemand aufgrund Arbeitsunfähigkeit erkrankt ist und nicht arbeitet. 

2. Gibt es denn überhaupt eine Kündigung wegen Krankheit?

Eine Kündigung „wegen“ Krankheit gibt es eigentlich nicht, wohl aber wegen häufiger Fehlzeiten. Ein Kündigungsgrund im Bereich des Kündigungsschutzgesetzes kann nämlich darin liegen, dass jemand in der Vergangenheit häufig wegen Krankheit gefehlt hat und auch damit zu rechnen ist, dass er in Zukunft übermäßig häufig fehlen wird. 

Das Kündigungsschutzgesetz ist in Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern – ohne Einrechnung der Auszubildenden! – anwendbar. Eine Kündigung muss im Kündigungsschutzgesetz einen Kündigungsgrund haben, in Betrieben mit nicht regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern muss die Kündigung keinen Grund haben. Die Kündigung ist also nach dem Kündigungsschutzgesetz unter anderem nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie aus personenbedingten Gründen erfolgte. Unter anderem gehört zur personenbedingten Kündigung auch die Kündigung bei Krankheit. 

Der Kündigungsgrund ist aber nicht die Krankheit, sondern genau genommen die Störung des arbeitsvertraglichen „Leistungsgefüges“ durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten. Die Juristen nennen das etwas verklausuliert eine „Synallagma“-Störung. Das ist die griechische Bezeichnung, die für das Modell der gegenseitigen Leistungspflichten im Arbeitsverhältnis verwendet wird. Der Arbeitnehmer arbeitet, der Arbeitgeber zahlt den Lohn. Wenn die beiden Seiten nicht mehr im Gleichgewicht sind, gibt es eine Störung. Deshalb ist es auch laut Rechtsprechung für den Arbeitgeber ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zumutbar, dauerhaft mit erheblichen Fehlzeiten des Arbeitnehmers rechnen zu müssen. Die Rechtsprechung dazu ist aber sehr umfangreich und kompliziert. 

3. Ab wann wird es denn für den kranken Arbeitnehmer „kritisch“?

Grundsätzlich prüft die Rechtsprechung krankheitsbedingte Kündigungen nach einem Modell der drei Stufen.

  • 1.  Stufe: Die Prognose des Arbeitgebers zu weiteren gesundheitsbedingte Fehlzeiten des Arbeitnehmers muss negativ ausgefallen sein (negative Gesundheitsprognose). 
  • 2. Stufe: Beim Arbeitgeber sind die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt.
  • 3. Stufe: Haben diese Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden betrieblichen oder wirtschaftlichen Belastung des  Arbeitgebers geführt? („Interessenabwägung“).

Dabei ist zu unterscheiden: 

Häufige Kurzerkrankungen

Bei häufigen Kurzerkrankungen, also Arbeitsunfähigkeit mit Fehlzeiten in Höhe weniger Tage, die immer wieder auftreten, können erhebliche Fehlzeiten in der Vergangenheit die Prognose rechtfertigen, dass auch zukünftig mit solchen Fehlzeiten zu rechnen ist. Dazu soll regelmäßig ein Zeitraum von mindestens drei Jahren in der Vergangenheit betrachtet werden. Wenn in den letzten drei Jahren Fehlzeiten von insgesamt pro Jahr über sechs Wochen aufgetreten sind, darf der Arbeitgeber annehmen, dass sich dies auch in Zukunft so darstellen wird. 

Langzeiterkrankung

Fehlt der Arbeitnehmer bereits viele Wochen oder Monate, darf der Arbeitgeber von einer negativen Prognose ausgehen, wenn die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit vollkommen ungewiss ist, wenn also in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht zu rechnen ist.

4. Ich bin doch nicht schuld daran, dass ich krank werde – wieso kriege ich dann trotzdem eine Kündigung?

Die Frage der Schuld hat mit der Kündigung nichts zu tun. Der Arbeitnehmer ist nicht schuld daran, dass er krank ist. Krank werden ist auch keine Schande, aussuchen kann man sich das nicht. Die krankheitsbedingte Kündigung ist daher nicht verschuldensabhängig, sondern es geht um die Prognose, ob das Arbeitsverhältnis auch zukünftig durch die Fehlzeiten „gestört“ sein wird und ob dem Arbeitgeber dies zugemutet werden kann. 

5. Ich war die letzten drei Jahre jeweils länger als sechs Wochen krank – muss ich nun mit einer Kündigung rechnen?

Die Kündigung ist immer das äußerste Mittel nach erfolgloser Ausschöpfung aller anderen Mittel. Mit anderen Worten, der Arbeitgeber muss erst einmal nachprüfen, ob es Möglichkeiten gibt, die Fehlzeiten zu verringern und das Arbeitsverhältnis vielleicht noch zu retten. 

Eine Abmahnung gehört aber nicht dazu. Wenn man nichts für eine Krankheit und Arbeitsunfähigkeit kann, dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht ermahnen, dass er in Zukunft nicht mehr fehlen darf. Eine vorherige Abmahnung gehört daher nach überwiegender Auffassung nicht zu den milderen Mitteln vor Ausspruch einer Kündigung bei Krankheit. 

Der Arbeitgeber muss aber dem Arbeitnehmer anbieten, dass gemeinsam nach Lösungen gesucht wird, wie die Fehlzeiten verringert werden können. Er muss dem Arbeitnehmer ein „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ anbieten (§ 84 Abs. 2 SGB IX). Wenn der Arbeitnehmer die Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements allerdings ablehnt, muss der Arbeitgeber ihm dies nicht nochmals anbieten. Der Arbeitnehmer sollte also nie ein solches betriebliches Eingliederungsmanagement ablehnen, wenn eine Kündigung droht. Eine krankheitsbedingte Kündigung ohne vorheriges Betriebliches Eingliederungsmanagement ist nicht stets unwirksam. Der Arbeitgeber wird aber nur selten nachweisen können, dass es ausgeschlossen werden kann, dass in diesem Verfahren vielleicht noch Möglichkeiten hätten gefunden werden können, wie die Fehlzeiten reduziert werden können. 

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart 


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