Krankheitsbedingte Kündigung - häufige Kurzerkrankungen
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Erst kürzlich beschäftigte sich das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.11.2024 – 5 SLa 21/24 in zweiter Instanz mit den Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen bei durchgeführten Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM).
Zum Sachverhalt:
Der Kläger, geb. im Jahr 1980, geschieden, zwei unterhaltsberechtige Kinder war bei der Beklagten seit dem Jahr 2008 im Materialtransport im Zweischichtbetrieb in einer 35-Stunden-Woche beschäftigt. Seit dem Jahr 2019 traten bei dem Kläger folgende Fehlzeiten mit unterschiedlichen Diagnosen auf:
- Jahr 2019: 36 Arbeitstage
- Jahr 2020: 52 Arbeitstage
- Jahr 2021: 55 Arbeitstage
- Jahr 2022: 59 Arbeitstage
Die Beklagte führte mit dem Kläger am 26.10.2020, 28.06.2021 und zuletzt am 22.11.2022 ein BEM durch. Im Gespräch vom 22.11.2022, bei dem ein Betriebsratsmitglied anwesend war, teilte der Kläger mit, dass es ihm gesundheitlich nicht gut gehe. Seine Scheidung habe ihn physisch und psychisch belastet. Seine COVID-19 Erkrankung und die Grippesymptome seien allerdings auskuriert. Wegen Herzproblemen sei er weiter in Behandlung. Zudem hat der Kläger Atemaussetzer, bei denen keine Besserung in Sicht ist. Wegen dieser Erkrankungen kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31.08.2023. Gegen die Kündigung wehrte sich der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage.
Der Kündigungsschutzantrag des Klägers wurde in zweiter Instanz als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche krankheitsbedingte Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.
Aus den Gründen:
Die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist in drei Stufen zu prüfen:
1. Stufe…negative Gesundheitsprognose
Auf der ersten Stufe überprüfte das Landesarbeitsgericht, ob der Gesundheitszustand des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung befürchten lässt, er könnte zukünftig in dem gleichen Ausmaß krank werden.
Treten während der letzten drei Arbeitsjahre jährlich mehrere (Kurz-) Erkrankungen auf, spricht dieses für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt.
Für die Wirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber zunächst die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aus den letzten drei Jahren vor dem Kündigungszeitpunkt darstellen und behaupten, dass in Zukunft Krankheitszeiten im entsprechenden Umfang zu erwarten sind.
Anschließend hat der Arbeitnehmer darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Dazu genügt es, wenn er behauptet, dass die behandelnden Ärzte seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt hätten und wenn er diese von der Schweigepflicht entbindet.
Im vorliegenden Fall sprachen die bisherigen Fehlzeiten des Klägers im Kündigungszeitpunkt deutlich für eine negative Gesundheitsprognose. Unter Berücksichtigung der letzten drei Kalenderjahre summierten sich die Fehlzeiten des Klägers auf insgesamt 166 Arbeitstage, das entspricht durchschnittlich 55,33 Arbeitstage pro Kalenderjahr. Der Kläger konnte den erforderlichen Beweis nicht erbringen, dass alle Krankheiten vollständig ausgeheilt sind, sodass er schließlich das Landesarbeitsgericht nicht davon überzeugen konnte, dass die Krankheitszeiten zukünftig rückläufig sind.
2. Stufe…erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen (zweite Stufe). Nach der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten bereits die entstandenen und künftig zu erwartenden Kosten für die Entgeltfortzahlung, die über einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr anfallen, als eine erhebliche Belastung für die betrieblichen Interessen.
In diesem Fall musste der Arbeitgeber in den letzten drei Beschäftigungsjahren des Arbeitnehmers an ihn deutlich mehr als die sechs Wochen Entgeltfortzahlung leisten, wodurch das betriebliche Interesse hier stärker gewichtet wurde.
3. Stufe…Kostenlast vom Arbeitgeber nicht mehr hinnehmbar
Auf der dritten Stufe wurde sodann im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung geprüft, ob die Beeinträchtigungen des Arbeitgebers billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Für den Kläger sprachen seine Unterhaltspflichten sowie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit. Andererseits war das Arbeitsverhältnis durch häufige Fehlzeiten belastet, die für den Arbeitgeber zu hohen Entgeltfortzahlungskosten geführt haben. Das Gericht entschied schließlich, dass die die für die Beklagte zu erwartenden wirtschaftlichen Belastungen durch wiederkehrende Erkrankungen des Klägers nicht mehr zumutbar sind.
Haben Sie Fragen zum Thema krankheitsbedingte Kündigung?
Als erfahrene Anwältin im Arbeitsrecht unterstütze ich Sie gerne bei allen Fragen zum Kündigungsrecht.
Kontaktieren Sie mich dazu gern.
Mit besten Grüßen,
Katja Lindig
Rechtsanwältin
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