Krankheitsbedingte Kündigung – sozial gerechtfertigt?

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Erklärt Ihnen der Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsvertrages und begründet dies mit Ihrer Erkrankung und/oder Ihren – dauernden – Krankheitsfehlzeiten und den Folgen der Leistungsunfähigkeit für den Betrieb, so muss er nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) folgende Prüfungspunkte beachten:

1. Stufe: Es muss eine negative Gesundheitsprognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers bestehen

Eine negative Zukunftsprognose liegt immer vor, wenn beispielsweise die Dauererkrankung des Arbeitnehmers bereits seit 3 Jahren besteht. Auch ist im Fall der festgestellten Berufs- und Erwerbsunfähigkeit eine dauernde Leistungsunfähigkeit anzunehmen. Die Gewährung einer befristeten Erwerbsunfähigkeit kann die Kündigung ebenso rechtfertigen. Es gibt aber keine statische Grenze, sie wird nachgewiesen, wenn eine ärztliche Bestätigung des Haus- bzw. Facharztes vorgelegt wird, der begründet davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer in weiterer Zukunft wieder erkrankt bzw. bis auf weiteres krank bleiben wird. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet werden kann, seine ärztlichen Diagnosen dem Arbeitgeber offen zu legen. Eine negative Zukunftsprognose besteht demnach nicht bei einmaligen Ursachen und gelegentlichen Kurzerkrankungen, wie nach einem Unfallereignis oder einer plötzlichen Blinddarmentzündung. Letztlich hängt die zu treffende Prognose vom Einzelfall ab, regelmäßig ist diese vom medizinischen Sachverständigen zu treffen, also von der Schwere der Erkrankung des Arbeitnehmers, der bisherigen Krankheitsdauer, der Beschäftigungsart usw. abhängig.

2. Stufe: Es müssen Betriebsablaufstörungen oder erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen des Arbeitgebers vorliegen

Führt die längere Erkrankung des Arbeitnehmers beispielsweise zu einem Produktionsausfall, liegen erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen des Arbeitgebers vor. Nicht jede wirtschaftliche Beeinträchtigung des Arbeitgebers ist gleich „erheblich“ in diesem Sinne. Gleiches gilt für mögliche Qualitätsverluste im Betrieb, insbesondere wenn Überbrückungsmaßnahmen dem Arbeitgeber möglich sind. Die Prüfung orientiert sich am Einzelfall.

3. Stufe: Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist unter diesen Umständen für den Arbeitgeber unzumutbar

Auf der letzten Prüfungsstufe stellt sich die Frage und hohe Hürde, ob die Beeinträchtigung des Arbeitgebers aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles noch hinzunehmen sind oder bereits ein solches Ausmaß erreicht haben, dass sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. Letztlich werden damit die Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitsgebers gegenseitig, unter- und miteinander vom zuständigen Arbeitsgericht abgewogen (sog. Interessensabwägung). So kann beispielsweise auch die krankheitsbedingte, nachhaltige Leistungsminderung des Arbeitnehmers die ausgesprochene Arbeitsgeberkündigung im Einzelfall sozial rechtfertigen, sofern der Arbeitgeber erhebliche (!) Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit vorträgt und nachweisen kann.

Ich weise darauf hin, dass die erteilte Information unverbindlich ist und sich die Rechtslage ändern kann. Eine individuelle Rechtsberatung im Einzelfall ist stets notwendig.

Gerne berate ich Sie zu Fragen des Arbeitsvertrages und vertrete Sie im Kündigungsschutzprozess vor dem zuständigen Arbeitsgericht.

Oliver Wicher

Fachanwaltskanzlei für Medizinrecht


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