Krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen

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Das Bundesarbeitsgericht hat bei der Beurteilung einer Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen der Rechtsprechung klage Vorgaben gemacht, vgl. BAG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 AZR 400/08, BAG, Urteil vom 01. März 2007 – 2 AZR 217/06.

Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Wochen erstreckten, liegt nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

I.

1. Die Wirksamkeit einer auf häufige Kurzerkrankungen gestützten ordentlichen Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen (sog. erste Stufe).

2. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen (sog. zweite Stufe).

3. Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen (sog. dritte Stufe), vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2018– 2 AZR 6/18.

II.

Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt, vgl. BAG, Urteil vom 01. März 2007 – 2 AZR 217/06.

Der Arbeitgeber darf sich auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten.

Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen.

Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls ist für die Erstellung der Gesundheitsprognose ein Referenzzeitraum von drei Jahren maßgeblich vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 6/18 .

Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert, vgl. BAG, Urteil vom 10. November 2005 – 2 AZR 44/05. Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen – etwa Erkältungen – ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (z. B. eine Operation) ergriffen wurden.

Der Arbeitnehmer muss eine Indizwirkung der Fehlzeiten ggf. erschüttern. Er sollte sich dann auf das Zeugnis sämtlicher ihn im maßgeblichen Zeitraum behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbinden. Der Arbeitnehmer könnte die Ursachenzusammenhänge aber auch selbst konkret und gut nachvollziehbar aufzeigen.

Ggf. ist es erforderlich, die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen, § 414 ZPO, zu vernehmen, oder von ihnen nach § 377 Abs. 3 und 4 ZPO eine schriftliche Zeugenaussage einzuholen. Nur so wird zu klären sein, ob ernsthaft die Möglichkeit eines von der bisherigen Entwicklung abweichenden anderen Geschehensablaufs (geringere Krankheitsanfälligkeit) zu erwägen ist, vgl. BAG, Urteil vom 13. Juni 1990 – 2 AZR 527/89.

Anders ist es, wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar die Hintergründe der Erkrankungen darstellt. In diesem Fall ist nur dann eine Erläuterung durch Ärzte erforderlich, wenn die Indizwirkung nicht bereits durch die nachvollziehbare Darstellung des Arbeitnehmers widerlegt ist.

Der Arbeitgeber müsste nach der Widerlegung der Indizwirkung – regelmäßig auch durch Sachverständigengutachten – beweisen, dass doch eine negativen Gesundheitsprognose vorliegt. Dies dürfte in der Praxis selten gelingen.

Spätestens an der Interessenabwägung scheitern die meisten krankheitsbedingten Kündigungen. Hier fallen Punkte wie Betriebszugehörigkeit und Lebensalter des Arbeitnehmers ins Gewicht.

Ein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement (sog. BEM-Gespräch) ist vor der Kündigung zwingend durchzuführen. Auch bei häufigen Kurzerkrankungen kommen nämlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Betracht, BAG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 AZR 400/08. Der Arbeitgeber ist im Übrigen verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung zu setzen. Eine Kündigung kann nur ausgesprochen werden, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wäre auch eine rückläufige Tendenz der Fehlzeiten zu berücksichtigen.

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