Krankheitsbedingte Kündigung

  • 7 Minuten Lesezeit

Der Arbeitnehmer ist häufig krank und fällt für die Arbeit aus oder er ist für lange Zeit arbeitsunfähig erkrankt oder körperlich oder geistig in der Erbringung seiner Arbeitsleistung erheblich gemindert oder überhaupt nicht mehr in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ist dies der Fall, so wird der Arbeitgeber diesen Zustand auf Dauer nicht hinnehmen, zumal dies zu Störungen im Betriebsablauf und zusätzlichen Kosten führen kann. Er wird sich daher überlegen, ob er dem Arbeitnehmer deswegen das Arbeitsverhältnis kündigen kann.

Der Jurist thematisiert dies im Rahmen einer sog. personenbedingten Kündigung. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt und damit wirksam, wenn sie durch Gründe bedingt ist, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Hierunter fallen insbesondere Fälle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Denn die krankheitsbedingte Kündigung wird aus Gründen ausgesprochen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen und nicht in seinem Verhalten begründet sind.

In der „Rechtspraxis“ sind krankheitsbedingte Kündigungen ausgesprochen schwierig zu begründen und zu rechtfertigen, da für ihre Wirksamkeit eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllt sein müssen und die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hieran hohe Anforderungen stellt. Die krankheitsbedingte Kündigung ist für den Arbeitgeber daher mit einem erheblichen Prozessrisiko verbunden, das er nur bedingt steuern kann.

Die nachstehenden Ausführungen sollen daher auch nur eine grobe Orientierung ermöglichen. Sie können keine fundierte Beratung im Einzelfall ersetzen, zumal hierbei eine Vielzahl weiterer Einzelaspekte zu berücksichtigen sind, die in dem Beitrag nicht angesprochen sind.

Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankungen ist zu unterscheiden zwischen

  • häufigen Kurzerkrankungen,
  • langandauernder Arbeitsunfähigkeit,
  • Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit,
  • krankheitsbedingter Leistungsminderung,
  • dauernder Leistungsunfähigkeit.

Häufige Kurzerkrankungen

Voraussetzungen für eine Kündigung sind:

(1) Erhebliche Fehlzeiten

Der Arbeitnehmer muss im Kalenderjahr erhebliche Fehlzeiten aufweisen. Fehlzeiten bis zu 30 Arbeitstagen im Jahr sind grundsätzlich irrelevant.

(2) Negative medizinische Prognose

Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Kündigung eine sog. negative medizinische Prognose dahingehend anstellen, dass auch für die Zukunft mit weiteren erheblichen Fehlzeiten zu rechnen ist und eine Besserung auf Dauer nicht zu erwarten ist.

Wichtig hierbei: Nicht die Fehlzeiten der Vergangenheit rechtfertigen die Kündigung, sondern nur die negative Zukunftsprognose. Die Fehlzeiten der Vergangenheit können jedoch zur Begründung der negativen Prognose herangezogen werden.

In vielen Fällen aber ist dem Arbeitgeber eine medizinische Prognose mangels Sachkunde nicht möglich. In einem ersten Schritt genügt es daher, die Häufigkeit und Dauer der Arbeitsunfähigkeitszeiten als Grundlage seiner Prognose heranziehen. Ermittlungen über die Arbeitsunfähigkeitsursachen muss er nicht aufnehmen.

Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus und erhebt der Arbeitnehmer hiergegen Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht, muss der Arbeitnehmer die diagnostizierten Erkrankung(en) offenlegen und darlegen, inwieweit von einer Besserung oder Ausheilung der Erkrankung(en) auszugehen ist, sodass weitere Fehlzeiten nicht zu erwarten sind. Dazu hat er auch die ihn behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, sodass diese Auskünfte über die medizinischen Zusammenhänge geben können. Erst die ärztliche Aussage und ggf. die Stellungnahme eines medizinischen Sachverständigen verschafft Klarheit darüber, ob der Arbeitgeber mit seiner Prognose richtig lag oder nicht. Das prozessuale Risiko, mit seiner Prognose falsch gelegen zu haben, liegt also beim Arbeitgeber. Verweigert der Arbeitnehmer aber die Schweigepflichtentbindung, wird zu seinen Lasten die negative Prognose vermutet.

(3) Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen

Die krankheitsbedingten Fehlzeiten müssen eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen zur Folge haben. Dies ist der Fall, wenn dem Arbeitgeber erhebliche Entgeltfortzahlungskosten entstehen oder es zu erheblichen Störungen im Betriebsablauf kommt.

Die Entgeltfortzahlungskosten hat der Arbeitgeber zu prognostizieren. Hier geht die Rechtsprechung von einem Prognosezeitraum von 24 Monaten aus.

Betriebsablaufstörungen liegen beispielsweise dann vor, wenn andere Mitarbeiter Überstunden machen oder immer wieder einzuarbeitende Aushilfskräfte eingesetzt werden müssen oder der Betriebsfriede gestört wird. Dies hat der Arbeitgeber konkret und im Detail darzulegen.

(4) Kein milderes Mittel als eine Kündigung

Der Arbeitgeber hat zu prüfen, ob sich eine Kündigung nicht durch ein milderes Mittel vermeiden lässt. In Betracht kommen hierbei Umsetzung, Versetzung, Überbrückungsmaßnahmen, medizinische Wiedereingliederungsmaßnahmen etc.

Dauert die Erkrankung länger als 6 Wochen, hat der Arbeitgeber ein sog. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Hier klärt er zusammen mit dem Arbeitnehmer, der zuständigen Interessenvertretung bzw. Schwerbehindertenvertretung ab,

  • wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann und damit Fehlzeiten verringert werden können,
  • mit welchen Hilfen und Leistungen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann und
  • wie der Arbeitsplatz erhalten, die Fähigkeiten des erkrankten Arbeitnehmers weiter genutzt und eine erhöhte Einsatzfähigkeit und Produktivität sichergestellt werden können.

Denkbar sind hierbei die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder auch die Weiterbeschäftigung auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz.

Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung eines betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements, so hat dies zwar nicht automatisch die Unwirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung zur Folge. Aber der Arbeitgeber muss sich im Kündigungsschutzprozess (vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) entgegenhalten lassen, nicht alle Möglichkeiten zur Vermeidung einer Kündigung ausgeschöpft zu haben. Sein Risiko, den Prozess zu verlieren, steigt damit erheblich.

(5) Interessenabwägung

Vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber noch einmal eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Er muss also die Interessen des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegen sein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abwägen. Hier sind zu berücksichtigen: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Familienstand, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, eventuelle betriebliche Ursächlichkeiten der Erkrankung, Störungsfreiheit des Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit, Arbeitsmarktlage, Lohnfortzahlungskosten, Arbeitsunfähigkeitsquote vergleichbarer Arbeitnehmer etc.

Langandauernde Arbeitsunfähigkeit

Eine Kündigung wegen langandauernder Arbeitsunfähigkeit wäre dann gerechtfertigt, wenn (1) die Dauerabwesenheit auch in der Zukunft zu befürchten ist und dies (2) zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt. Auch hier ist (3) eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Die Entgeltfortzahlungskosten begründen keine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, da die Lohnfortzahlung in der Regel nur auf die ersten 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit begrenzt ist. Demgegenüber begründet schon die Ungewissheit des Arbeitgebers über die Dauer der weiteren Abwesenheit eine unzumutbare Belastung der betrieblichen Abläufe.

Auch im Fall langandauernder Arbeitsunfähigkeit ist zunächst (zur Vermeidung einer Kündigung) ein BEM anzubieten bzw. durchzuführen.

Bei der Interessenabwägung ist neben den sozialen Daten des Arbeitnehmers zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis bereits durch die langanhaltende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers in der Vergangenheit belastet worden ist. Dem Umstand, dass die Erkrankung eine betriebliche Ursache hat, kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.

Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit

Eine Kündigung kann auch gerechtfertigt sein, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob und wann der Arbeitnehmer wieder einsatzfähig ist. Diese „Fallkonstellation“ ist nicht zwingend mit der langandauernden Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Denn die Ungewissheit über die Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit beruht oft auf einem krankheitsbegründenden Umstand, der auch kurzfristig aufgetreten sein kann (z. B. schwere Erkrankung).

Die in die Zukunft gerichtete Ungewissheit ist erst dann für den Arbeitgeber unzumutbar, wenn für die Dauer von jedenfalls 24 Monaten ab dem Zugang der Kündigung nicht absehbar ist, ob der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit wieder erlangen wird.

Es gilt hier das vorstehend Gesagte. Das Risiko des Prozessverlustes durch eine falsche Einschätzung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber.

Krankheitsbedingte Leistungsminderung

Die krankheitsbedingte Leistungsminderung erfasst Fälle, in denen der Arbeitnehmer zwar alle Arbeiten ausüben kann, er aber qualitativ oder quantitativ nicht mehr die volle Leistung erbringen kann.

Dies kann eine Kündigung rechtfertigten, wenn (1) eine Umsetzung nicht möglich ist, (2) eine negative Prognose gegeben ist und (3) betriebliche Interessen durch die Minderung der Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hat eine Leistungsminderung von 35 % ausreichen lassen, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Steht allerdings das Ende der krankheitsbedingten Leistungsminderung nach ärztlicher Erkenntnis unmittelbar bevor oder ist die volle Leistungsfähigkeit wiederhergestellt, ist die Kündigung ausgeschlossen.

Dauernde Leistungsunfähigkeit

Ist der Arbeitnehmer auf Dauer außerstande, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine Kündigung in aller Regel gerechtfertigt. Eine gesonderte negative Prognose muss hierfür nicht mehr vorgetragen werden. Dauernde Leistungsunmöglichkeit führt zwangsläufig zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Die Interessenabwägung fällt in aller Regel zugunsten des Arbeitgebers aus.

Dennoch ist auch in diesem Fall zu beachten: Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch der Kündigung die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an einem anderen Arbeitsplatz und/oder unter anderen Arbeitsbedingungen im Betrieb oder Unternehmen auch nach Fortbildung oder Umschulung prüfen.

Schwerbehinderung

Beruhen die Fehlzeiten auf einer Schwerbehinderung, so sind vom Arbeitgeber zwingend gesteigerte Rücksichtnahmepflichten und Anforderungen zu beachten. Beispielhaft sei auf den Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf angemessene (behinderungsgerechte) Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 SGB IX verwiesen. Details dazu sind im Rahmen dieses Beitrags nicht behandelt.

Rechtsanwalt Gerhard Greiner

Fachanwalt für Arbeitsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Gerhard Greiner

Beiträge zum Thema