Kündigungshilfe durch Vorlage vorbereitender Kündigungsschreiben

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Der BGH hatte sich mit Urteil vom 07.04.2005 (Aktenzeichen: I ZR 140/01) mit der Frage zu befassen, ob eine Kündigungshilfe durch Vorlage vorbereitender Kündigungsschreiben bei vertraglich noch gebundenen Kunden unlauteres Wettbewerbsverhalten darstellt.

Der Sachverhalt vor dem BGH

Die Unternehmerin beschäftigte Handelsvertreter auf dem Gebiet der Wärme- und Wasserverbraucherfassung. Der beklagte Handelsvertreter war zunächst bei der Unternehmerin tätig. Danach machte er sich als Franchisenehmer eines konkurrierenden Unternehmens selbstständig. Er leistete fortan Kündigungshilfe dadurch, dass er Kunden der Unternehmerin im Wortlaut gleiche Kündigungsschreiben vorformulierte und zur Unterschrift vorlegte. Mehr als 20 Kunden kündigten infolgedessen die Verträge bei der Unternehmerin. Die Unternehmerin warf dem Handelsvertreter vor, ihre Kunden abzuwerben, um dann mit ihnen selbst Verträge zu schließen. Sie hielt eine derartige Kündigungshilfe für wettbewerbswidrig und verlangt neben Unterlassung der Abwerbung auch Zahlung von Schadensersatz. Sie warf dem Handelsvertreter zudem vor, die Abwerbung der Kunden bereits vorbereitet zu haben, als er noch für sie tätig gewesen war.

Unlautere Wettbewerbshandlungen nach UWG

§ 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet unlautere geschäftliche Handlungen. „Unlautere“ Handlungen definiert der § 4 UWG. Unlauter im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG handelt, wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Unlauteres Wettbewerbshandeln ist es ferner, Mitbewerber gezielt zu behindern (§ 4 Nr. 10 UWG).

Kündigungshilfe durch Vorlage vorbereitender Kündigungsschreiben ist nicht wettbewerbswidrig

Grundsätzlich dürfen Kunden abgeworben werden, denn kein Unternehmen hat Anspruch auf die Erhaltung seines Kundenstammes. Ein bloßes Angebot, den Vertragspartner zu wechseln, auch wenn der Kunde noch vertraglich gebunden ist, ist daher grundsätzlich zulässig. Kunden dürfen zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen/vertraglichen Kündigungsfristen veranlasst werden, solange keine unlauteren Mittel eingesetzt werden.

Im vorliegenden Fall war es fraglich, ob es wettbewerbsrechtlich unlauter ist, Kunden eines Mitbewerbers dadurch abzuwerben, dass ihnen vorformulierte Kündigungsschreiben zur Unterzeichnung vorgelegt werden. Der BGH verneint dies. Ein solches Verhalten ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände wettbewerbsrechtlich weder als unangemessene unsachliche Einflussnahme gem. § 4 Nr. 2 UWG, noch als gezielte Behinderung eines Mitbewerbers gem. § 4 Nr. 10 UWG zu beurteilen. Hierzu führt das Gericht aus, dass ein durchschnittlich verständiger Verbraucher allein durch die Dienstleistung „Kündigungshilfe“ nicht unsachlich zum Abschluss eines Vertrags mit einem Mitbewerber veranlasst wird. Eine derartige Kündigungshilfe durch Vorlage vorbereitender Kündigungsschreiben ist zulässig.

Hinzutreten besonderer Umstände

Die Verwendung eines vorformulierten Kündigungsschreibens kann aber bei Hinzutreten besonderer Umstände als wettbewerbswidriges Vorgehen i. S. d. § 4 UWG anzusehen sein. Beispielsweise dann, wenn der Abwerbende den Kunden irreführt, überrumpelt und auf diese Weise unangemessen unsachlich in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Dem Kunden ist ausreichend Überlegungs- und Prüfungszeit zum Vergleich der jeweiligen Angebote zu belassen. Auch die Verleitung eines Kunden zum Vertragsbruch, d. h. bewusste Beeinflussung des Kunden gegen die Verpflichtungen aus dem mit einem Konkurrenten bestehenden Vertrag zu verstoßen, ist als unlauteres Wettbewerbsverhalten anzusehen. Unlauter ist ebenfalls die Abwerbung unter Angabe irreführender Angaben über das eigene Unternehmen oder das Konkurrenzunternehmen. Besondere Unlauterbarkeitsumstände sind nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Abwerbung von Kunden durch ehemalige Mitarbeiter

Verboten ist die Verwendung vorgefertigter Kündigungsschreiben auch nicht deshalb, weil der Handelsvertreter die Kündigungsschreiben schon zur Abwerbung benutzt hat, als er noch Angestellter im klägerischen Unternehmen gewesen war. Tritt der Abwerbende noch während des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses an Kunden des Arbeitgebers heran, um diese als Kunden für das spätere eigene Unternehmen zu gewinnen, ist dies nicht zwingend unlauter i. S. d. UWG. Unlauter ist dieses Verhalten, wenn der Beschäftigte hierbei ihm vertraute oder rechtswidrig beschaffte Kundendaten benutzt. Es ist nicht unlauter, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter versucht, Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers abzuwerben.

Es müssen besondere Umstände hinzutreten, damit ein derartiges Abwerben unzulässig ist. Insbesondere kommt das in Betracht, wenn zur Abwerbung Kunden noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses auf das bevorstehende Ausscheiden hingewiesen werden und dieses mit einer Aufforderung zum Wechsel des Vertragspartners verbunden ist.

Fazit

Die Kündigungshilfe durch Vorlage vorbereitender Kündigungsschreiben ist mithin grundsätzlich zulässig.



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