Kürzung der Miete durch das Jobcenter Cottbus - zulässig?

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Wie teuer darf eine Wohnung für Hartz IV-Empfänger in Cottbus sein?

Momentan häufen sich bei mir Anfragen im Bereich Hartz IV – per Telefon, per E-Mail und über die gängigen Anwaltsplattformen. Die wohl häufigste Frage ist die nach der „richtigen“ Bestimmung der vom Jobcenter Cottbus zu übernehmenden Miete. Hier eine Auswahl der Fragen in unterschiedlicher Spielart:

  • Auf welcher Grundlage kürzt das Jobcenter Cottbus meine Miete?
  • Darf das Jobcenter Cottbus überhaupt meine Miete kürzen?
  • Gibt es schon Entscheidungen zur Frage, wie hoch meine Miete sein darf?
  • Was ist ein schlüssiges Konzept?
  • Was ist mit den Vorgaben und Richtwerten des Jobcenters Cottbus?
  • Wann dürfen Mietkosten gedeckelt werden?
  • Wie wird die Höhe der rechtmäßigen Mietkosten bestimmt?
  • Was ist eine Kostensenkungsaufforderung?
  • Muss ich gegen eine Kostensenkungsaufforderung Widerspruch einlegen?
  • Wann muss ich umziehen?
  • Können rechtswidrige Entscheidungen des Jobcenters noch nachträglich korrigiert werden?
  • Wie lange rückwirkend können rechtswidrige Entscheidungen korrigiert werden?

Auf meiner Internetseite habe ich bereits versucht, einige der Fragen zu beantworten, um Betroffenen eine erste Hilfestellung zu geben Leider sind die Informationen (Richtwerte, Referenzurteile, Entscheidungsanmerkungen) offensichtlich nicht so leicht zu finden. Sie ersetzen auch keine Rechtsberatung im Einzelfall. Gleichwohl meine kurze Antwort: Ich halte die Vorgaben des Jobcenters Cottbus zu den (vermeintlich) zulässigen Mietwerten für rechtswidrig. Hier noch einmal – wie von vielen Fragestellern gewünscht – eine kurze Darstellung meiner Auffassung zu diesem Thema mit den Shortlinks.

Die Ausgangssituation

Zahlreiche Hartz IV-Empfänger in Cottbus erhalten nicht die Miete als Bedarf anerkannt, die sie an ihre Vermieter zu zahlen haben. Daher muss häufig aus dem schmalen Regelsatzbudget noch Geld für die Miete abgezweigt werden. Das Jobcenter Cottbus beruft sich bei der Leistungskürzung auf „sein“ (vermeintlich) schlüssiges Konzept.

Indes: Das LSG Berlin-Brandenburg hat bereits im Jahr 2000 in einem von mir geführten Musterprozess eindeutig klargestellt, dass das Konzept des Jobcenters Cottbus unschlüssig ist und die Mietkosten für Hartz-IV-Empfänger auf dieser Grundlage nicht gekürzt werden dürfen (hier der Link zur Hinweisverfügung – https://lmy.de/v5W2U).

Obwohl das SG Cottbus die Ansicht des LSG Berlin-Brandenburg teilt, versucht das Jobcenter Cottbus immer wieder, das Urteil „klein zu reden“ und auf einer Kostendeckelung nach Maßgabe „seines“ (vermeintlich) schlüssigen Konzeptes zu bestehen. Ergo: Die Hartz IV-Empfänger werden in unnötige Widerspruchs- und Klageverfahren getrieben. Häufig zieht das Jobcenter Cottbus dann erst im gerichtlichen Termin die „Notbremse“ und gibt ein Anerkenntnis ab (hier der Link zu einem Beispielsachverhalt aus meinem Nähkästchen – https://lmy.de/axdgv).

Übrigens: Die Sozialgerichte (weder SG noch LSG) dürfen dem Jobcenter bei der Erstellung eines schlüssigen Konzeptes nicht „unter die Arme greifen“ und ein bereits vorhandenes unschlüssiges Konzept durch eigene Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren schlüssig machen. Dies hat das BSG in einem Urteil aus dem Jahr 2020 nochmals ausdrücklich betont (hier der Link zum Urteil mit Anmerkung – https://lmy.de/XqvZw).

Die Bestimmung der „richtigen“ Miethöhe

Doch was genau passiert, wenn ein Konzept – wie das vom Jobcenter Cottbus – nicht den Schlüssigkeitsvorgaben entspricht?

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG wird hier auf die Tabellenwerte aus dem Wohngeldgesetz zurückgegriffen. In Anlage 1 des Wohngeldgesetzes ist eine Tabelle ausgeführt, die dann anzuwenden ist. Wichtig: Die Tabellenwerte werden kontinuierlich angepasst. Ab dem 01.01.2022 gelten neue (höhere) Werte!

Das Berechnungsverfahren ist etwas kompliziert. Vereinfacht ausgedrückt nehmen Sie die Anzahl der Mitglieder Ihrer Bedarfsgemeinschaft (= Anzahl der Personen, die laut dem Bescheid Geld erhalten), berücksichtigen die für Ihren Wohnort geltende Mietstufe (Cottbus = Mietstufe II) und gelangen dann in der ganz rechten Spalte an den maßgeblichen Wert. Dieser Wert ist dann mit einem Sicherheitszuschlag von mindestens 10% zu versehen und ergibt dann den Höchstbetrag der Bruttokaltmiete. Für die älteren Werte der Wohngeldtabelle habe ich auf meiner Internetseite bereits eine Tabelle für die Obergrenze der Wohnkosten in Cottbus erstellt (hier der Link zur Tabelle – https://lmy.de/0GHMY).

Ab und vor dem 01.01.2022 ist nunmehr für den Bereich Cottbus von den nachfolgenden Werten auszugehen:

Unter Umständen können auch höhere Werte anzusetzen sein, wenn das vorgeschaltete Kostensenkungsverfahren fehlerhaft ist. Eine interessante Entscheidung zur (unzulässigen) Deckelung der Unterkunftskosten nach Ablauf der 6-Monatsfrist bei fehlendem Engagement zur Wohnungssuche nebst Kurzanmerkung finden Sie hier (hier der Link zur Entscheidung – https://lmy.de/rkUKB).

Wann sollten Sie handeln?

Immer dann, wenn bei Ihnen die Miete nicht in voller Höhe übernommen wird, sollte über eine Prüfung Ihrer SGB II-Bescheide nachgedacht werden. Der juristische Werkzeugkasten für diese Prüfung hält drei Handlungsoptionen bereit, nämlich

  • das Überprüfungsverfahren
  • das Widerspruchsverfahren und
  • das Klageverfahren.

Spätestens wenn es auf die Prüfung im Klageverfahren hinausläuft, sollten Sie einen erfahrenen Rechtsanwalt beauftragen, der solche Verfahren bereits mehrfach geführt hat.

Foto(s): Dr. Jens-Torsten Lehmann

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