Lehmann Urteile haben keine Auswirkung auf die Rechtsprechungspraxis bei Risikozertifikaten !

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Lehmann Urteile haben keine Auswirkungen auf die Rechtsprechungspraxis bei Risiko- Zertifikaten:

Die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 27.09.2011 (Aktenzeichen XI ZR 178/10) werden zum Teil in der Presse völlig überbewertet und auch fachlich völlig falsch interpretiert.

Entgegen der in der Presse zu lesenden unqualifizierten Meinung handelt es sich nicht um einen Rückschlag für den Anlegerschutz. Ganz richtig hatte das Handelsblatt im Rahmen der Berichterstattung über das Urteil in einem Artikel vom 27.09.2011, den Vorsitzenden Richter des 11. Zivilsenats des BGH, Ulrich Wiechers, zitiert. Schon hier hatte der vorsitzende Richter in der Verhandlung darauf hingewiesen, dass dem Bundesgerichtshof noch rund 40 andere Fälle mit unterschiedlichen Fallkonstellationen vorliegen. Diese könnten teilweise anders zu beurteilen sein als die beiden nun entschiedenen Fälle.

In dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen „Lehman-Fällen" handelte es sich um Garantie-Zertifikate, die außer dem Insolvenzrisiko des Emittenten keinerlei weitere Risiken für die Einlage des Kapitals besaßen.

Nur Anleger dieser „risikofreien" Zertifikate haben also bei der Rechtsverfolgung Pech, soweit es um Hinweispflichten der vermittelnden Bank geht, die über das Insolvenzrisiko des Emittenten hinausgeht. In beiden vom BGH entschiedenen Fällen war aber auf dieses Risiko hingewiesen worden, was zur Abweisung der Klage führte.

Wie auch klarstellend seitens des Vorsitzenden des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes im Rahmen einer Presseerklärung geäußert, hat diese Entscheidung keine Signalwirkung für Fälle, bei welchem es sich um Zertifikate anderer Risikoklassen handelt.

Außerdem war der Anleger in der Sache XI ZR 178/10 anlageerfahren und hatte schon zuvor derartige Zertifikate erworben.

In beiden vom BGH am 27.09. 2011 entschiedenen Fällen ging es jedenfalls um Zertifikate, die von Ihrer Struktur her keine spezifischeren Verlustrisiken besaßen. Die Zertifikate waren vielmehr so konzipiert, dass im Fall des Fehlschlagens der prognostizierten Rendite jedenfalls das für das Finanzinstrument selbst bezahlte Geld an die Anleger hätte zurück bezahlt werden müssen. Garantiegeber hierfür war die Investmentbank Lehmann Brothers Inc..

Dies stellte der Vorsitzende des Zivilsenates auch nochmals auf dem 8. Bankenrechtstag des Deutschen Anwaltsvereins (Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht) in Frankfurt am Main am 18.11.2011 im Rahmen der Erläuterung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes klar.

Dass dies nur ein geringer Trost für die Kläger war, die aufgrund der Insolvenz des emittierenden Unternehmens (Lehman Brothers) trotzdem ihr Geld verloren haben und nicht von der Bank ersetzt verlangen dürfen, ist klar. Allerdings aus Sicht des Bankensenats des Bundesgerichtshofes eben nicht eine Aufklärungspflichtverletzung zur Anlageentscheidung und damit zum Verlust des Geldes geführt hat, sondern die Insolvenz des Garantiegebers Lehman Brothers Inc..

Mit dieser Entscheidung gab der BGH allerdings nach den Erläuterungen seines Vorsitzenden, Herrn Wiechers am 8. Bankrechtstag in Frankfurt am Main u.a. folgendes Prüfungsschema für sogenannte Garantie-Zertifikate, deren Struktur - außer das Insolvenzrisiko des Emittenten - also keine weiteren spezifischen Verlustrisiken als das Nichterreichen der prognostizierten Rendite besitzen vor:

Demnach muss eine Bank wie folgt beim Abschluss eines entsprechenden Zertifikates über lediglich ein einziges Risiko aufklären und zwar über das:

-       Allgemeines Insolvenzrisiko des Emittenten

Wenn allerdings Anhaltspunkte vorliegen, dass ein spezifisches Insolvenzrisiko existiert, ist auch hierüber zu unterrichten. Dies konnte aber in den beiden entschiedenen Lehmann Fällen nicht festgestellt werden.

Nicht aufzuklären ist aber nach der Ansicht des BGH bei Garantie Zertifikaten über die folgenden Tatsachen:

-       Dass, der Einlagensicherungsfonds nicht eingreift, falls das Unternehmen insolvent wird, falls bereits auf das allgemeine Insolvenzrisiko hingewiesen wurde.

-       Über die Gewinnspanne, die die Bank als Verkäufer des Zertifikates erzielt, wenn das Geschäft als solches ein Eigengeschäft der Bank ist. Die Bank also die Zertifikate selbst vom Emittenten gekauft und aus ihrem eigenen Depot an den Kunden verkauft. (Anders aber in den Fällen in denen die Bank Zahlungen vom emittierenden Unternehmen oder dessen Initiator erhält, womit eine Interessenkollision der sonst aus Sicht des Kunden - neutral handelnden Bank - besteht)

-       Über das Vorliegen eines Eigengeschäftes ist ebenso nicht zu unterrichten, wenn wie in den entschiedenen Fällen, die Zertifikate zunächst von der Bank selbst vom Emittenten gekauft und dann erst aus dem eigenen Depot an den Kunden veräußert wurden.

Dies, weil nach Ansicht des BGH diese Informationen nicht wesentlich für die Anlageentscheidung des Anlegers ist.

Wenn dem Kunden klar ist, dass er bei Zahlungsunfähigkeit des Emittenten keine Rückzahlung bekommt, also über das allgemeine Insolvenzrisiko unterrichtet wurde, ist es nach Ansicht des Bundesgerichthof unnütz noch darüber zu unterrichten, das der Einlagensicherungsfonds keine Entschädigung leistet, weil es sich bei Zertifikaten nicht um eine Spareinlage handelt.

Verbraucherfreundlicher wäre unseres Erachtens freilich schon, dass hier ein zusätzlich klarstellender Hinweis erfolgt, da nicht selten „sichere Zertifikate" als vermeintliche gleichwertige Alternative zu Sparanlagen jungen oder auch gerade älteren Kunden angeboten werden. Da das unseres Erachtens im Fall einer echten Anlageberatung doch existieren kann, sollte dieses Urteil jedoch auf die sogenannten Vermittlerfälle eingeschränkt werden.

Erwartet ein Bankkunde neutrale Beratung seiner Bank und äußert als Anlageziel ein sichere Kapitalanlage, rechtfertigt dies jedenfalls nicht ein Renditeinteresse der Bank ein Garantie-Zertifikat zu vermitteln, bei dem im Vergleich zur Sparanlage nicht nur das Insolvenzrisiko der Bank, sondern auch noch das Ausfallrisiko mangels eines für Zertifikate existierenden Einlagesicherungsfonds besteht.

Damit besitzt eine Sparanlage eine andere Risikostruktur als ein Zertifikat. Zumindest für den Fall einer Insolvenz- der Bank bzw. des emittierenden Unternehmens.

Andernfalls würde die jetzige Rechtsprechung unseres Erachtens zu wenig sensibel mit den sonst über die Kick-Back Rechtsprechung doch zugestandenen Anlegerinteressen umgehen, die im Fall von Banken ja darin bestehen soll, neutral beraten zu werden.

Hier gibt jedoch auch der Sachvortrag im Rechtstreit der BGH Urteile nicht viel her, ob unsere Rückschlüsse nun gerechtfertigt sind oder nicht.

Steht im Fall der Vermögensberatung des Kunden die Sicherheit der Kapitalanlage im Vordergrund und will die die Bank aber durch die über das Aufgeld realisierte Rendite einen höheren Gewinn als bei der Vermittlung einer Spareinlage realisieren, weil dieser höher als derjenige ist, der durch einen etwaigen Refinanzierungsvorteil realisiert werden kann, ist unseres Erachtens durchaus ein Hinweis geboten und ein Interessenkonflikt gegeben.

Damit muss auch die Bank nicht sämtliche Interna Ihrer Produkte dem Kunden offerieren. Dieser hat aber trotzdem einen Anspruch auf vollständige und richtige Anlageberatung.

Von der Veröffentlichung der BGH Urteile wissen wir lediglich, dass die Anleger dort verschiedene Zertifikate verschiedener Risikoklassen erworben hatten. Ihr Anlageziel ist nicht in den Urteilsgründen erörtert, hat ggf. nicht in einer sicheren Sparanlage bestanden, womit die Urteile ggf. besser erklärt werden können.

Eine Gewinnspanne muss eine Bank nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und auch bei den jetzigen Urteilen niemals bei Eigengeschäften ausweisen. Dies ist wiederum unseres Erachtens für die Fälle der einfachen Vermittlung von Kapitalanlagen in Ordnung, nicht aber bei Vermögensberatung und überwiegend sicherheitsorientiertem Anlageziel.

In diesem Fall würde unseres Erachtens wiederum eine Interessenkollision bestehen, die es ja im Übrigen nach den Grundsätzen einer neutralen Beratung zu vermeiden gilt.

Ein Hinweis auf Eigengeschäfte müssen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ebenso in den entschiedenen Fällen nicht erfolgen.

Nach unserer Argumentation jedenfalls müssen Eigengeschäfte dann nicht offengelegt werden, wenn ein Loyalitätskonflikt aufgrund unterschiedlicher Renditeinteressen nicht droht.

Ist es allerdings der höchstrichterlichen Rechtsprechung egal, ob eine Bank hohe Renditen im Fall von Eigengeschäften zu Lasten einer sonst geforderten neutralen Anlegerberatung realisieren darf, kann auch in Dreiecks- oder Vierecksfällen nicht das Renditeinteresse der Bank von einem Dritten oder Vierten bezahlt zu werden angeführt werden, um eine Bankenhaftung zu begründen.

Dies wäre aus Sicht der Banken und aber auch der Anlegerschützer sicherlich als inkonsequent einzuordnen.

Ein wesentlicher Trost für alle Zertifikatsgeschädigte bleibt:

Da die Banken bei Risikozertifikaten sehr wohl über spezifische Risiken des Zertifikates zusätzlich zu unterrichten haben, ist jedenfalls die jetzige Rechtsprechung von keiner großen Bedeutung für den Anlegerschutz.

Wir empfehlen, dass Sie Ihre Interessen von Profis im Bankrecht prüfen und vertreten lassen, nicht umsonst wurde die Fachanwaltschaft Bank- und Kapitalmarktrecht begründet.

Schützen Sie sich vor weiteren Irrtümern

Martin J. Haas

Rechtsanwalt, auch Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht


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