LG Darmstadt erklärt fiktive Abrechnung für unzulässig

  • 2 Minuten Lesezeit

Das Landgericht Darmstadt hat – in Abkehr zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – die fiktive Abrechnung eines Unfallschadens („Abrechnung nach Gutachten“) für unzulässig erklärt.

Hintergrund ist die gängige und auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fußende Praxis, einen Unfallschaden anhand eines Haftpflichtgutachtens fiktiv abzurechnen. Das funktioniert dann so, dass der Geschädigte die im Gutachten ausgewiesenen, geschätzten Reparaturkosten ohne Umsatzsteuer erhält und das Fahrzeug billiger oder gar nicht repariert. Gerade bei älteren Fahrzeugen, bei denen eine vollumfängliche Reparatur in einer Fachwerkstatt keinen Sinn macht, macht der Geschädigte auf diesem Wege sozusagen „einen guten Schnitt“. Das ist gängige Regulierungspraxis.

Das LG Darmstadt hat diese Abrechungsmethode nun für unzulässig erklärt:

"Entgegen der Auffassung des BGH (VII ZR 46/17, Urteil vom 22.02.2018) erstreckt sich die dort entschiedene Aufgabe der Zulässigkeit des sogenannten fiktiven Schadensersatzes auf Gutachtenbasis auf sämtliche Sachschadensfälle und damit sowohl auf kauf- oder mietrechtliche Gewährleistung als auch deliktische Ansprüche." (LG Darmstadt, Urt. v. 24.10.2018 – 23 O 356/179)

Hintergrund ist, dass der BGH mit Urteil vom 22.2.2018 – VII ZR 46/17 seine ständige Rechtsprechung im Bereich des Baurechts aufgegeben und für diesen Bereich die fiktive Schadensabrechnung untersagt hat.

Das LG Darmstadt hat nun die Anwendbarkeit auf Schadensersatzansprüche „jedweder Art“ erklärt und begründet dies wie folgt:

"Die Kammer bleibt bei ihrer in dem Hinweis zum Ausdruck gebrachten Auffassung, dass die vom BGH mit Urteil vom 22.02.2018 für den sogenannten kleinen Schadensersatzanspruch im Bereich von Werkverträgen aufgegebene Abrechnungsmöglichkeit auf fiktiver Basis nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt ist, sondern Schadensersatzansprüche jedweder Art erfasst, gleich, ob es sich um gewährleistungsrechtlich begründete Schadensersatzansprüche handelt oder um solche aus der Beschädigung von Sachen oder Personen und gleich, auf welchem rechtlichen Grund sie beruhen. 

Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass der VII. BGH-Senat selbst ausdrücklich erklärt hat, er sehe diese Aufgabe seiner Rechtsprechung den Besonderheiten des Werkvertragsrechts geschuldet und zugleich auf diesen Anwendungsbereich beschränkt.  Die Interpretation der fraglichen Entscheidung des BGH lässt indes keine plausible und dogmatisch begründbare Beschränkung der Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes auf werkvertragliche Konstellationen erkennen. Soweit der VII. Zivilsenat das in seiner Entscheidung postuliert, dient dies offenkundig allein der Rechtfertigung des Umstandes, dass es zuvor keine Anfrage bei dem V. und VIII. Zivilsenat gegeben hat und eine im Widerspruchsfall an sich nach § 132 II GVG gebotene Vorlage dieser Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen unterblieben ist. 

Das erkennende Gericht ist zu der rechtlichen Überzeugung gelangt, dass die in jeder Hinsicht zu begrüßende Aufgabe der fiktiven Schadensberechnung schon aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung auf das gesamte Schadensersatzrecht zu übertragen und überdies aufgrund erheblicher Möglichkeiten des Missbrauchs dies auch rechtspolitisch geboten ist." (LG Darmstadt, a. a. O.)



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dominik Weiser

Beiträge zum Thema