LG Potsdam vom 12.04.2021, Az.: 11 O 146/19: Pensionsgast zieht sich schwere Handverletzung an instabilen Marmortisch zu

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Chronologie:
Die Klägerin, die von Beruf Musiklehrerin ist, befand sich mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen in einer Pension des Beklagten in Brandenburg. Am Morgen des 26.08.2017 setzte sich die Klägerin auf einem der zur Sitzecke des gemieteten Zimmers gehörenden Sessel und wollte sich die Schuhe zubinden. Die Sitzecke bestand aus drei separaten Sessel- und Sofaelementen. In der Mitte der Anordnung befand sich ein schwerer Marmortisch. Die Platte des Tisches lag lose und nur vom eigenen Gewicht getragen auf den Sockelelementen. Die Schenkel der beiden Sockel waren zur Mitte des Tisches hin ausgerichtet.

Um an ihre Schuhe zu gelangen, wollte die Klägerin den Tisch ein kleines Stück nach vorne schieben. Als sie gegen die Tischplatte drückte, klappte die Platte unvermittelt auf der Seite der Klägerin hoch und die beiden Sockel und die Platte fielen in sich zusammen. Im Zuge dessen geriet das obere Glied des kleinen Fingers der linken Hand der Klägerin zwischen Platte und Socke, wobei Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Infolge des Unfalls zog sich die Klägerin eine Quetschverletzung sowie eine offene Endgliedfraktur des Kleinfingerendgliedes der linken Hand zu, was zu einer Ampu-tation von zwei Kleinfingerendgliedern und einem mehrtägigen stationären Aufenthalt in einer Klinik in Potsdam führte.

Aufgrund der erlittenen Verletzungen machte die Klägerin gegen den Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Sie war der Ansicht, der Tisch habe einen Mangel aufgewiesen und der geltenden DIN bezüglich der Standsicherheit von Tischen nicht entsprochen.

Die Klägerin behauptete, sie habe noch heute Schmerzen im Fingerstumpf, in der Handfläche und in den Fingergelenken der linken Hand. Dies habe Auswirkungen auf ihren gesamten Alltag. Das Spielen der Musikinstrumente sei anfangs gar nicht, mittlerweile nur unter Schmerzen und unter Einbuße der Qualität möglich. So könne sie ihrer Tätigkeit als Musiklehrerin nur noch eingeschränkt nachkommen.

Der Beklagte bestritt, dass der Unfall sich so zugetragen habe, wie von der Klägerin behauptet. Seiner Meinung nach sei es lebensfremd, zum Zwecke des Zubindens der Schnürsenkel den Tisch zu ver-schieben. Zudem wandte der Beklagte ein, dass der Tisch vom Hersteller erworben und nach dessen Vorgaben aufgebaut worden sei. Er habe nicht damit rechnen können, dass Gäste versuchen würden, den Tisch zu verschieben. Der Beklagte war ferner der Ansicht, dass sich die Klägerin aufgrund ihrer Verhaltensweise ein weit überwiegendes Mitverschulden anrechnen lassen müsse.

Verfahren:
Das Landgericht Potsdam hat zu den zwischen den Parteien strittigen Fragen Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens eines Möbelsachverständigen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat das Gericht der Klage mit Urteil vom 12.04.2021 stattgegeben und festgestellt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen dem Grunde nach mit einer Haftungsquote zu 100 % gerechtfertigt seien. Weiter stellte es fest, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin sämtliche materielle Schäden aus dem Unfall vom 26.08.2017 mit einer Haftungsquo-te zu 100 % zu ersetzen soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 536a Abs. 1 Fall 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten zustehen würde. Zwischen den Parteien sei ein Beherbergungsvertrag zustande gekommen Der Beherbergungsvertrag stelle einen sog. typengemischten Vertrag dar, dessen wesentlicher Bestandteil mietrechtliche Elemente sind. Somit seien die §§ 535 ff. BGB analog anwendbar. 

Auch wenn nicht festgestellt werden konnte, dass der Tisch gegen eine DIN-Norm verstieß,  sei im Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass ein Mangel am Mobiliar vorlag, weil entweder die Klebung der Füße des Tisches versagten oder die Tischfüße gefährlich positioniert waren. Für diesen Mangel habe der Beklagte als Inhaber der Pension hundertprozentig einzustehen. Ob den Beklagten dabei ein Verschulden treffe, sei unerheblich, denn die Haftung gemäß § 536a Abs. 1 Fall 1 sei verschuldensunabhängig. Das Urteil ist rechtskräftig.

Anmerkung von Rechtsanwalt Dr. jur. Bernd Zimmermann:
Gesundheitsschäden durch die Aufstellung von instabilen Mobiliar kommen im Hotel- und Gaststättengewerbe immer wieder vor; auch in denjenigen Fällen, in denen dieses zuvor gar nicht absehbar war. Bei vielen Verläufen sind die eingetretenen Schäden nicht so schwerwiegend als bei dem vorstehenden Fall, in dem sich die Konsequenzen des Unfalls auf den gesamten Alltag der Geschädigten auswirken.


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