Lohnender Widerruf von Lebensversicherungen

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Versicherungskunden, die ab dem 29.07.1994 bis zum 31.12.2007 Lebens- und Rentenversicherungen abgeschlossen haben, können die Verträge rückabwickeln, wenn sie über ihr Recht zum Widerspruch nicht ordnungsgemäß belehrt wurden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Versicherte von der Versicherungsgesellschaft bei Antragsstellung keine Versicherungsbedingungen und keine den Anforderungen des § 10 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a. F. genügende Verbraucherinformation erhalten hat. Das Widerrufsrecht besteht daher auch noch nach Ablauf der Jahresfrist (§ 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F.), weil der Vertrag schwebend unwirksam ist (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az.: IV ZR 76/11). In dieser Entscheidung hat der BGH ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umgesetzt (Urteil EuGH vom 19.12.2013). Allerdings hat der BGH offen gelassen, welche Abzüge die Versicherungen bei der Rückabwicklung der Verträge vornehmen dürfen. Diese Ungewissheit hat der Bundesgerichtshof in zwei weiteren Grundsatzurteilen (BGH Az.: IV ZR 384/14 und Az.: IV ZR 448/14) nun beseitigt.

Der Fall

Die Kläger kündigten die abgeschlossenen fondsgebundenen Renten- bzw. Lebensversicherungsverträge nach § 5a VVG a. F. und erklärten den Widerspruch. Der Versicherer zahlte auf die Kündigungen hin den jeweiligen Rückkaufswert an die Kläger aus. Diese verlangten mit ihren Klagen Rückzahlung aller von ihnen geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der Rückkaufswerte.

Wirksamer Widerspruch

Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 09.05.2014, Az.: 20 U 88/14), hielt den Widerspruch für wirksam. Dem Grunde nach könnten die Versicherungsnehmer daher die Rückzahlung (gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) aller Prämien verlangen, müssten sich dabei aber den während der Dauer der Prämienzahlung genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. 

Anrechnung von genossenem Versicherungsschutz

Ebenso hat der BGH (Urteil vom 07.05.2014, Az.: IV ZR 76/11) entschieden, dass sich der Versicherungsnehmer bei der nach einem wirksamen Widerspruch durchzuführenden bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung seiner Lebens- und Rentenversicherungsverträge sich den bis zur Kündigung des jeweiligen Vertrags genossenen Versicherungsschutz für das Berufsunfähigkeits- oder Todesfallrisiko anrechnen lassen muss.

Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag sind abzuziehen

Auch muss sich der Versicherungsnehmer zusätzlich zu dem Rückkaufswert, den er bereits vom Versicherer erhalten hat, die Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag, die der Versicherer bei Auszahlung des Rückkaufswertes für den Versicherungsnehmer an das Finanzamt abgeführt hat, als Vermögensvorteil anrechnen lassen (BGH, a.a.O.).

Verwaltungs- und Abschlusskosten können nicht abgezogen werden

Erstatten muss die Versicherung allerdings die einbehaltenen Abschluss- und Verwaltungskosten. Die Verwaltungskosten seien, so der BGH, bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie unabhängig von den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen angefallen und beglichen worden sind. Auch die Abschlusskosten (Vertriebsprovisionen) muss der Versicherer herausgeben ebenso wie etwaige Ratenzahlungszuschläge.

Ähnlich wie bei dem Widerruf von Darlehensverträgen muss der Versicherer auch die durch die Versicherer tatsächlich gezogenen Nutzungen auszahlen. Der Versicherungsnehmer trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe, etwa in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wie sie der BGH in Fällen des Widerrufs von Darlehensverträgen angenommen hat, folgte der hierfür zuständige andere Senat des BGH nicht.

Damit ist nun nicht nur die grundsätzliche Möglichkeit eines Widerrufs von Versicherungsverträgen bei nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung eröffnet, sondern es ist darüberhinaus höchstrichterlich geklärt, wie die Abrechnung im Falle eines Widerrufs auszusehen hat.

Philip Keller

Rechtsanwalt, Köln


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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