Medienstrafrecht: Mein Kind hat Kinderporno auf dem Handy! [Update 20.1.24]

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Aktuell ist "der Trend, dass vor allem Kinder und Jugendliche ohne Kenntnis eines strafrechtlichen Hintergrundes kinder- und jugendpornografische Bilder in Gruppenchats … teilen und somit verbreiten“. Das sagt Nancy Faeser, die allerdings nichts für die Betroffenen tut. 41,1 Prozent der Tatverdächtigen sind jünger als 18 Jahre. Der Gesetzgeber hat damit in unverantwortlicher Weise eine riesige Menge Heranwachsender geschaffen, die das Stigma "Sexualverbrecher" tragen. Faeser sieht hier vor allem Bedarf bei der Prävention, damit Jugendliche mit entsprechenden Bildern sorgsamer umgehen. Außerdem seien Gesetzesänderungen in der Diskussion, damit die Verbreitung etwaiger Fotos unter Jugendlichen künftig nicht mehr als Verbrechen verfolgt werden muss - wann die greifen - keiner weiß es.

Die Situation: Hunderte von Eltern erfahren jedes Jahr, dass ihr Kind kinderpornographische oder sog. jugendpornographische Bilder oder Videos auf dem Handy hat. Oft befinden sich diese gar nicht direkt in den „Fotos“, sondern sind Bestandteil eines WhatsApp-Verlaufs oder in einer anderen App (Telegram, Discord, Kik). Für das Kind ist das häufig "normal", weil das Alter der abgebildeten Kinder dem eigenen entspricht. Erlaubt ist das aber nicht.

Doch weiter: Im Idealfall erhalten Sie als Eltern zufällig oder über ihr Kind direkt Kenntnis davon, häufig aber leider auch erst, wenn die Polizei vor der Tür steht und eine Hausdurchsuchung durchführt (dazu unten).

Der Sachverhalt: Juristisch muss zunächst unterschieden werden:

  • Ihr Kind ist auch rechtlich ein Kind, also unter 14. Dann ist das das Handy weg. Eine strafrechtliche Verfolgung kommt nicht in Betracht.  
  • Ihr Kind ist 14 oder älter. Dann kann es sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben.

Und:

  • Bei den gefundenen Inhalten handelt es sich um Kinderpornographie: Dann kann sich Ihr Kind nach neuem Recht eines Verbrechens schuldig gemacht haben mit einer Mindestrafe (!) von einem Jahr. Allerdings greift das Jugendstrafrecht. Ist Ihr Kind volljährig, aber nicht älter als 21, kann ebenfalls Jugendrecht Anwendung finden.
  • Die Inhalte stellen sog. Jugendpornographie dar, die Beteiligten sind also wohl 14 oder älter. Dann steht immer noch ein Vergehen im Raum.

Eigentlich ist der Sachverhalt klar – zum Glück gibt es aber Auswege, die geprüft werden können. Für eine Strafbarkeit ist es nämlich erforderlich, dass Ihr Kind einen Besitzwillen hat, also mit „Wissen und Wollen“ gehandelt hat. Wurden die Inhalt innerhalb einer Gruppe geteilt, die ansonsten „normale“ Pornos verbreitet oder in der es sogar völlig unüblich ist, so etwas zu teilen, stehen die Chancen gut, hier von einem aufgedrängten Besitz zu sprechen. In rechtlicher Hinsicht kommt eine Einstellung gem. § 45 Jugendgerichtsgesetz in Betracht, auch wenn an der Sache etwas dran ist, das aber nur, wenn kein Verbrechen begangen wurde. Lassen Sie darauf nicht ein. Denn diese Einstellung hat erhebliche, kaum bekannte Nachteile, die sich auf das Berufsleben Ihres Kindes auswirken können. Wichtig ist, dass Sie sich in jedem Fall anwaltlichen Rat holen.

Sollten Sie mit Ihrem Kind zur Polizei gehen, wenn Sie solche Kenntnisse erlangt haben? Auf keinen Fall. Auch nicht, wenn Ihnen anderslautende Tipps gegeben werden. 

Die Polizei ist zwar grundsätzlich verpflichtet, auch helfend zur Seite zu stehen. Aber die Zahl der Fälle, in der ein wohlmeinender Anzeigenerstatter selbst in die Mühlen der Justiz gelangt ist, ist enorm. Wenn hier z.B. der Chatverlauf ausgewertet wird und es gibt die leiseste Andeutung, dass ein Inhalt positiv aufgenommen wurde – sei es ein Like, ein Herzchen oder eine Anmerkung („Heißes Mädel“) – wird es erheblich schwerer, den fehlenden Besitzwillen zu begründen. Und solche Anmerkungen sind schnell gemacht, zumal manche, schon als pornographisch zu wertende Darstellung Ihrem Kind „ganz normal“ erscheinen mag, weil die abgebildete Person gleichaltrig oder nur wenig jünger ist. 

Für die Ermittlungen wird das Handy beschlagnahmt werden. Keinesfalls sollten Sie ohne anwaltlichen Beistand tätig werden. Wenn Sie mit Ihrem Kind eine Beratung in Anspruch nehmen wollen, hat diese nichts mit der Polizei zu tun.

Update: In einem von uns bearbeiteten Fall haben ein übereifriger Rechtsanwalt und ein Vater Anzeige erstattet, weil die minderjährige Tochter Sex-Chats geführt und viele dickpics bekommen hat. Da das Mädchen selbst Aktbilder von sich versendete (die Chats waren nämlich einverständlich), läuft gegen das Mädchen jetzt ein Verfahren wegen Verbreitung von Jugendpornographie. Selbst wenn es eingestellt wird, ist sie als Sexualstraftäterin vorbelastet!

Das weitere Vorgehen: Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft schon von dem Verdacht wissen, Ihr Kind vielleicht durch die Auswertung des Chatverlaufs eines anderen Gruppenteilnehmers auf Sie gekommen sind, bleiben Sie ruhig und rufen uns an oder schreiben eine Mail. Beachten Sie, dass auch Sie als elterliche Anschlussinhaber einem Verdacht ausgesetzt sein können! Wenn Sie vorgeladen worden sind, leisten Sie dieser auf keinen Fall Folge, egal ob Ihr Kind unschuldig ist, sich unschuldig  fühlt - oder ob an der Sache was dran sein könnte. Sie sind nicht verpflichtet, bei der Polizei zu erscheinen.

Bei einer Hausdurchsuchung ist wichtig, dass Sie sich vollkommen passiv verhalten, keine Daten herausgeben, auf keinen Fall den PIN vom Handy! Unterschreiben Sie nichts, seien Sie mit nichts einverstanden! Alles das kann Ihrem Kind erheblich mehr schaden als nutzen.

Wir werden zunächst Akteneinsicht für Sie beantragen. Häufig stellt sich dann eine große Diskrepanz zwischen dem, was man glaubt, was die Polizei weiß und dem, was sie tatsächlich weiß heraus. Erst dann kann bemessen werden, wie es weitergehen soll.

Wegen der Stigmatisierung bei Delikten im Zusammenhang mit Bildern, Worten und Daten halten Sie den Kreis der Personen, die Sie insoweit ins Vertrauen ziehen, klein.

Rufen Sie an. Wir beraten bundesweit - per Telefon, MailWhatsApp und Zoom und natürlich persönlich. Die telefonische Erstberatung ist kostenfrei.

#9033

Dr. Daniel Kötz ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und kennt sich als solcher mit Medien aller Art sehr gut aus. Daraus folgt seine Spezialisierung im Bereich des Medienstrafrechts: Bilder, Worte, Daten.

Foto(s): Frank Beer

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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