Medizinalcannabis und Führerschein – die Indikation von Medizinalcannabis

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Bei einer Behandlung mit Medizinalcannabis besteht im Zusammenhang mit der Fahrerlaubnis ein großes Problemfeld. Viele Betroffene gehen davon aus, dass mit einer Verschreibung von Cannabis durch einen Arzt der Führerschein nicht in Gefahr ist. Vielmehr ist es aber leider so, dass eine Behandlung mit Medizinalcannabis häufig auch den Führerschein gefährdet. Zum einen liegt das an der strengen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Fahreignung der Betroffenen bei Einnahme von Medizinalcannabis. Zum anderen sind Ärzte mit den engen Voraussetzungen für eine Behandlung und Verschreibung von Medizinalcannabis oft nicht hinreichend vertraut. Weiteres hierzu unter https://www.rechtsanwaeltin-sfischer.de/verkehrs-straf-recht/die-entziehung-der-fahrerlaubnis-der-f%C3%BChrerscheinentzug/medizinalcannabis-und-fahrerlaubnis-cannabis-auf-rezept/


Die ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Fahreignung bei einer Behandlung Medizinalcannabis lautet wie folgt:


„Eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis führt nur dann nicht zum Verlust der Fahreignung, wenn die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist, das Medizinal-Cannabis zuverlässig nach der ärztlichen Verordnung eingenommen und die Medikamenteneinnahme ärztlich überwacht wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit zu erwarten sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird.“


Es bestehen also eine Reihe von Voraussetzungen, um bei einer Behandlung mit Medizinalcannabis nicht als fahrungeeignet zu gelten und damit den Führerschein nicht zu verlieren. So abschreckend dies auf den ersten Blick wirkt: meine Mandanten sind bei einer Überprüfung Ihrer Fahreignung überwiegend als fahrgeeignet eingestuft worden und sind als Medizinalcannabispatienten weiterhin berechtigt, Auto zu fahren. Da aber die Hürden, auf die es bei der Fahreignung bei Medizinalcannabis ankommt, vielfach nicht hinreichend bekannt sind, kommt es in diesem Bereich auch immer wieder zu Fahrerlaubnisentziehungen.


Insbesondere die Voraussetzung der Indikation stellt ein häufiges Problem dar: wie nach der obigen Rechtsprechung dargestellt, muss unter anderem die „Einnahme von Cannabis indiziert“ sein.


Im Gesetz selbst wurde ausdrücklich darauf verzichtet, einzelne Indikationen für die Behandlung mit Medizinalcannabis aufzuführen. Wie bei anderen Behandlungen läge es daher nahe, anzunehmen, dass im Einzelfall der behandelnde Arzt unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten über eine entsprechende Indikation für Medizinalcannabis entscheidet. Dies würde dann auch heißen, dass eine Behandlung mit Cannabis auch dann eingeleitet werden kann, wenn theoretisch noch weitere, bisher nicht eingesetzte (zugelassene) Behandlungen bzw. Standardtherapien zur Verfügung stehen und der Patient noch nicht „austherapiert“ ist.“  Das entspricht auch dem Verständnis von Therapiefreiheit als Grundsatz einer medizinischen Behandlung – und wer sollte eine Behandlungsmethode besser auswählen können als der einen oftmals bereist jahrelang behandelnde Arzt?


Das sieht die herrschende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aber anders. Danach muss die Anwendung von Medizininalcannabis als Betäubungsmittel „unerlässlich“ sein. Das bedeutet, dass keine anderen Maßnahmen zur Erreichung des Ziels mehr gegeben sein dürfen. Betäubungsmittel dürfen immer nur die ultima ratio sein, d.h. die letzte therapeutische Möglichkeit einer Behandlung. Dies beruht auf 13 Abs. 1 Satz 2 BtMG (Gesetzt über den Verehr mit Betäubungsmitteln) zur Verschreibung und Abgabe auf Verschreibung, der lautet:

Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.


Diese Voraussetzung wird von Ärzten bei der Verschreibung von Medizinalcannabis vielfach übersehen. Insbesondere in ärztlichen Attesten ist dann kein Wort über bereits erfolgte standardtherapeutische Maßnahmen zu finden. Aufgrund der Rechtsprechung ist eine Darlegung aber unerlässlich und allein das Fehlen führt in vielen Fällen zu einer vermeidbaren Fahrerlaubnisentziehung.


Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg greift zur Beurteilung, ob die Behandlung mit Medizinal-Cannabis dem ultima-ratio-Grundsatz genügt - also ob die Anwendung von Medizinalcannabis zur Erreichung des Therapieziels unerlässlich ist -, auf die hierzu entwickelten Maßstäbe in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Standardtherapie zurück. Danach steht eine Standardtherapie nicht zur Verfügung, wenn es sie generell nicht gibt, sie im konkreten Fall ausscheidet, weil der Versicherte sie nachgewiesenermaßen nicht verträgt oder erhebliche gesundheitliche Risiken bestehen oder sie trotz ordnungsgemäßer Anwendung im Hinblick auf das beim Patienten angestrebte Behandlungsziel ohne Erfolg geblieben ist.


Wie streng diese Voraussetzung von den Verwaltungsgerichten angewandt wird, ist sehr unterschiedlich. Und im Regelfall kommt Medizinalcannabis ohnehin vorrangig bei bereits lange bestehenden, chronischen Erkrankungen zur Anwendung, bei denen bereits eine Vielzahl von Behandlungen ausprobiert wurden, die letztlich entweder aufgrund von Nebenwirkungen auf Dauer nicht vertragen werden konnten oder schon nicht ausreichend wirksam waren. Es kommt also in den meisten Fällen zu Fahrerlaubnisentziehungen nicht aufgrund des tatsächlichen Fehlens von Voraussetzungen, sondern aufgrund von Unkenntnis hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen – hier werden weitere Fehler im Bereich der ärztlichen Verordnung usw. relevant -. Diesem Problem gilt es vorzubeugen, im besten Fall in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt. So ist eine Medikation mit Medizinalcannabis und das Erhalten der Fahreignung gewährleistet – und damit der Behalt der Fahrerlaubnis.


Auch wird im Rahmen der anstehenden (partiellen) Cannabislegalisierung 2024 Cannabis künftig nicht mehr Gegenstand des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) sein: die „Droge Cannabis“ soll aus dem BtMG entfernt werden. Die vorangestellte Rechtsprechung zum Medizinalcannabis beruht aber auf die Einordnung von Cannabis als Betäubungsmittel – sonst kommt es ja nicht zur Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes. Hier wird sich also noch einiges tun.


Bei Fragen zu diesem Thema stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Für erste Anfragen erreichen Sie mich unter 0421-695 256 27.


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