Mitverschulden für eine Verletzung während versuchter Behandlung eines Fohlens

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Das OLG Hamm hat in einem Urteil vom 19.12.2016 (6 U 104/15) entschieden, dass einem Tierarzt Mitverschulden angerechnet werden kann, wenn er bei der Behandlung eines Fohlens durch eine Stute deshalb verletzt wird, da er sich in einer erkennbar gefährlichen Situation unsachgemäß an die Stute angenähert hat.

In dem entschiedenen Fall hatte der Tierarzt einen Hobbypferdezüchter auf Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Der Hobbypferdezüchter war im Jahre 2013 Halter einer ungerittenen Zuchtstute und ihres etwa drei Wochen alten Fohlens. Der Tierarzt sollte das an Durchfall erkrankte Fohlen im Reitstall des Hobbypferdezüchters behandeln.

Als der Tierarzt eintraf, befanden sich Stute und Fohlen in einer ca. 3,18 x 3,15 m großen Pferdebox. Der Hobbyzüchter hatte die Stute mit dem Kopf zur hinteren rechten Ecke gerichtet und mit Halfter und Führstrick angebunden. Zur Trennung von Stute und Fohlen versuchte der Hobbypferdezüchter zunächst, dem Fohlen einen Halter über dem Kopf anzulegen. Der Tierarzt begab sich daraufhin etwa einen Meter weit in den vorderen Teil der Box und wollte das Fohlen von vorn am Kopf fixieren. In diesem Moment drehte sich die Stute mit der Kruppe in Richtung der Tür der Box um und trat aus. Dabei traf die Stute den Tierarzt am linken Oberschenkel. Er erlitt Frakturen, Muskel-, Kreuzband-, Gelenkkapsel- und Meniskusverletzungen und musste operiert und stationär behandelt werden.

In dem Verfahren stritten sich Tierarzt und Hobbypferdezüchter insbesondere über die Frage, ob dem Tierarzt ein Mitverschulden anzulasten seien. Der Tierarzt vertrat, ihm sei kein Mitverschulden vorzuwerfen, da er aufgrund der Berufsordnung zur Behandlung des erkrankten Fohlens und beim Herausführen des Fohlens aus der Box zur Hilfe verpflichtet gewesen sei.

Das OLG Hamm hat in der genannten Entscheidung eine Schadensersatzpflicht unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von einem Viertel zulasten des Tierarztes bejaht. Das OLG führte als Anspruchsgrundlage die Vorschriften über die Tierhalterhaftung an. Es habe sich, so das OLG, beim Austreten der Stute die typische Tiergefahr realisiert.

Dem Tierarzt sei jedoch, so betont das OLG, ein Mitverschulden anzulasten. Dieses ergebe sich aus seinem Verhalten vor der Verletzung. Vor dem Betreten der Pferdebox sei für den Tierarzt erkennbar gewesen, dass er in der für beide Pferde erheblich zu kleinen Box an jeder Stelle vom Huf der – sichtlich aufgebrachten – Stute habe getroffen werden können. Sowohl der Tierarzt als auch der Hobbypferdezüchter habe mit dem Widerstand der Stute gegen die Trennung von ihrem Fohlen gerechnet. Durch das Anbinden der Stute sei die Erregung sogar nicht gesteigert worden.

Der Tierarzt habe die Box in dieser Situation nicht betreten dürfen. Er hätte mit einer Reaktion in einer kurzen Zeitspanne rechnen müssen, die keine Abwehrhandlung mehr zulasse. Es habe auch, so das OLG weiter, eine deutlich risikolosere Methode zur Verfügung gestanden, bei der der Schaden voraussichtlich vermieden worden wäre. Die Stute und ihr Fohlen hätten nämlich durch ein Hinaus- und Wiederhineinführen beider Pferde aus und in die Pferdebox, voneinander getrennt werden können, indem die Boxentür zwischen Stute und Fohlen geschlossen worden wäre.

Im Ergebnis kommt das OLG deshalb zu einem Mitverschuldensanteil des Tierarztes von einem Viertel.



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