Verletzung durch fremden Hund: Mitverschulden des Geschädigten

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Werden Sie verletzt, weil Sie beim Spazierengehen mit Ihrem Hund von einem fremden Hund angegriffen werden, beruft sich die Haftpflichtversicherung des gegnerischen Hundehalters regelmäßig auf die mitwirkende Tiergefahr. Die Versicherung mindert deshalb Ihren Schadensersatzanspruch pauschal um 25 bis 40 %.

Einer derartig pauschalen Regelung bei einem Gerangel zwischen zwei Hunden hat der Bundesgerichtshof allerdings widersprochen: Der Geschädigte war auf dem Bürgersteig an einem Grundstück mit seinem Hund vorbeigegangen. Ein Hund sprang durch die Hecke und griff den angeleinten Hund an. Als sein Herrchen dazwischen ging, um diesen zu schützen, wurde er von dem fremden Hund gebissen. Das OLG Jena hatte dem verletzten Hundehalter die von seinem eigenen Hund ausgehende Tiergefahr angerechnet. 

Tatsächlich verbiete sich aber eine derartig pauschale Beurteilung, sondern jeder Fall müsse konkret auf seinen Hergang betrachtet werden: Ist bei einem Schaden auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mit ursächlich geworden, muss sich dieser entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 Satz 1 BGB die Tiergefahr auf seinen Anspruch anrechnen lassen (BGH, Urteil vom 05.03.1985, Az.: VI ZR 1/84; BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15; BGH, Urteil vom 31.05.2016, Az.: VI ZR 465/15).

Voraussetzung ist aber, dass auch die typische Tiergefahr des Hundes des Geschädigten bei der Verletzung mitursächlich geworden ist (BGH, R+S 2015, 417). Die typische Tiergefahr äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten (BGH, Urteil vom 20.12.2005, Az.: VI ZR 225/04; BGH, R+S 2014, 304). An einer solchen Tiergefahr fehlt es allerdings, wenn an dem Geschehen keinerlei eigene Energie des Hundes beteiligt war (BGH, Urteil vom 25.03.2014, Az.: VI ZR 372/13) oder das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt (BGH, Urteil vom 20.12.2005, Az.: VI ZR 225/04). Es reichen dabei schon von einem Hund ausgehende und auf einen anderen Hund einwirkende Reize, um eine mitursächliche Tiergefahr anzunehmen, bei läufigen Hündinnen (BGH, Urteil vom 06.07.1976, Az.: VI ZR 177/75).

Bei einer Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 254 Abs. 1 BGB kommt es darauf an, mit welchem Gewicht sich konkret das in den Tieren jeweils verkörperte Gefahrenpotential im Schaden niedergeschlagen hat (OLG Hamm, VersR 1996, 115, (116)). Dass sich der Hund des Geschädigten an der Leine befunden habe, bevor die Situation eskalierte, sei unerheblich. In dem Moment, in dem der Hundehalter gebissen worden sei, hätte ein Gerangel zwischen den Hunden stattgefunden, aus dem sich der zwischen den Hunden stehende Geschädigte nicht mehr habe entfernen können. Dieses Gerangel sei eine Interaktion zwischen den beiden Hunden, die ihrer tierischen Natur entsprechend aufeinander losgegangen seien. Damit habe sich in der Bissverletzung die von beiden Hunden ausgehende Tiergefahr mitursächlich verwirklicht. Es sei ohne Bedeutung, was Auslöser des Gerangels gewesen sei und welcher Hund eine über- oder untergeordnete Rolle eingenommen hätte.

Diese Umstände könnten nur bei der Bildung der Haftungsquote von Bedeutung sein (OLG Hamm, VersR 1996, 115 (116); OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 748 (749); OLG Koblenz, BeckRS 2014, 00768). Neben der Tierhalterhaftung aus § 833 S. 1 BGB darf der Anwalt des Geschädigten aber § 823 Abs.1 BGB nicht übersehen: Der Halter des angreifenden Hundes haftet nämlich nicht nur aus der Tiergefahr nach § 833 Satz 1 BGB, sondern möglicherweise gesondert aus § 823 BGB. Haftet nämlich der Hundehalter zusätzlich aus § 823 Abs. 1 BGB, hat die Tiergefahr des Hundes beim Geschädigten keine Bedeutung, § 840 Abs. 3 BGB zu (BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15).

Wenn es einem Hund gelinge, sich durch die Hecke eines Grundstückes zu zwängen, müsse gesondert geprüft werden, ob der Grundstückseigentümer nicht seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Der Hundehalter müsse durch Beaufsichtigung oder sichere Einzäunung seines Grundstückes dafür sorgen, dass der Hund nicht weglaufen könne (BGH, Urteil vom 31.05.2016, VI ZR 465/15; BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15; BGH VersR 1992, 884).

Haftet ein Tierhalter verschuldensabhängig nach § 823 Abs. 1 BGB, ist die Tiergefahr des anderen Hundes nicht entsprechend § 254 Abs. 1 BGB abzuziehen. Gleiches gilt, wenn sich ein Hund von der Leine losreißt und einen anderen Hund oder Hundehalter verletzt. Dann verbietet sich eine anspruchsmindernde Anrechnung der Tiergefahr, was für den Geschädigten bei schweren Verletzungen und langem Verdienstausfall einen erheblichen finanziellen Vorteil bedeuten kann.

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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