Modebranche in der Krise? Gründe, Folgen, mögliche Maßnahmen
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1. Krise in der Modebranche
Die Modebranche befindet sich in einer Krise.
Esprit, eine international bekannte Modemarke für Damen, Herren und Kinder geriet gar in die Insolvenz. Esprit war bekannt für seine zeitlose Eleganz, gute Qualität und natürlichen, mühelosen Stil. Esprit bot eine Vielzahl von Kleidungsstücken an, darunter T-Shirts, Tops, Denim, Blusen, Kleider, Röcke, Shorts und vieles mehr vgl. https://www.esprit.de.
Esprit war in 40 Ländern aktiv mit Hauptzentralen in Ratingen und Hongkong.
Bundesweit gab es 57 Filialen - in Europa 124.
2. Was sind die Gründe der Insolvenz?
Mehrere Faktoren zusammen haben zu erheblichen Herausforderungen in der Modebranche geführt. Diese Faktoren können sich gegenseitig beeinflussen und zusammenwirken und die aktuelle Krise in der Modebranche zu verursachen.
a) Sinkenden Umsätze
b) Steigende Kosten
Hohe Ladenmieten führt zu Flächenreduktionen:
Experten erwarten eine weitere Flächenreduktion von etwa 50 Prozent – in Ausnahmefällen sogar bis zu 70 Prozent. Die Verkleinerung der Handelsflächen wird Kaufhäuser und mehrgeschossige Formate am stärksten treffen.
c) Fachpersonal fehlt
d) Konkurrenz
aa) Durch andere Vertriebsformen
bb) Durch Billiganbieter
Neue Anbieter wie die chinesischen Konzerne Shein und Temu scheinen den Markt mit ihren aggressiv beworbenen Plattformen aufzurollen. Sie bieten extrem günstige Preise an, was den Druck auf etablierte Unternehmen erhöht.
e) Managementfehler
f) Verändertes Kaufverhalten
Die Umsatzanteile verschieben sich stärker zugunsten des Onlinehandels.
In 10 Jahren wird der Mode-Onlinehandel einen ebenso hohen Marktanteil aufweisen wie Modegeschäfte vor Ort. Zudem kaufen 34 Prozent der Kundschaft bereits gebrauchte Kleidung, weitere 28 Prozent können es sich vorstellen.
g) Sinkende Nachfrage:
Es gibt eine Kaufzurückhaltung bei den Verbrauchern. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte für Bekleidung und Schuhe erreichten im Dezember 2020 ein Rekordtief von 3,9 Prozent. Es gibt keine spezifischen Informationen über den Einfluss von Käufern aus Russland und China auf die Modebranche.
Allerdings wird die stärkste Erholung der Modeindustrie in China und in den USA erwartet.
Für fast die Hälfte der befragten Konsumenten ist Nachhaltigkeit heute schon ein lohnendes Konzept. Dies führt zu einem Trend hin zu gebrauchter Kleidung und könnte in den kommenden zehn Jahren einen Marktanteil von bis zu 20 Prozent erreichen.
3. Wo läuft welches Verfahren?
Die Verfahren von Esprit laufen beim Amtsgericht Düsseldorf: für Esprit Europe GmbH und sechs weitere deutsche Töchter. Dort wurden im Mai 2024 Anträge auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt.
4. Was sind die Folgen der Insolvenz
Die Insolvenz des Modehandelskonzerns hat erhebliche Auswirkungen auf verschiedene Beteiligte:
a) Für Mitarbeiter:
Die Gehaltsansprüche der Mitarbeiter, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, sind Masseforderungen und müssen aus der Insolvenzmasse vorab befriedigt werden.
Gehaltsansprüche, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, können als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden.
Das Arbeitsverhältnis besteht nach der Insolvenzeröffnung mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Der Insolvenzverwalter tritt an die Stelle des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat auch nach der Insolvenzeröffnung Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung .
Es gibt sowohl Insolvenzgeld als auch eine Insolvenzgeldvorfinanzierung bei einer Eigenverwaltung.
Insolvenzgeld ist ein wichtiges Instrument zur Sanierung von Unternehmen und zum Erhalt der Mitarbeitermotivation. Wenn ein Arbeitgeber zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist und die Arbeitnehmer deshalb ihr Gehalt nur teilweise oder gar nicht mehr erhalten, zahlt die Agentur für Arbeit die ausstehenden Entgeltansprüche. INSOLVENZGELD wird allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten an die betroffenen Arbeitnehmer gezahlt. Durch die Zahlung von Insolvenzgeld wird der insolvente Arbeitgeber für eine gewisse Zeit entlastet.
Eine Insolvenzgeldvorfinanzierung ist vor allem dann möglich, wenn der Betrieb weitergeführt werden soll bzw. zumindest ein Interesse daran besteht, den Betrieb aufrechtzuerhalten.
Der vorläufige Insolvenzverwalter kann versuchen, das Insolvenzgeld vorfinanzieren zu lassen, noch bevor der Anspruch besteht bzw. dieser festgestellt wurde. Dieses Insolvenzgeld kann ein Schuldner von einer Bank vorfinanzieren lassen, er nimmt also ein Darlehen in der Höhe des voraussichtlichen Insolvenzgeldes auf und tilgt diesen Kredit nach erfolgreichem Insolvenzantrag mit dem Geld der Bundesagentur für Arbeit⁴
Es ist jedoch zu beachten, dass Insolvenzgeld bei nicht beendeten Arbeitsverhältnissen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt wird. Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens gibt es demnach kein Insolvenzgeld. Auch eine Vorschussgewährung durch die Agentur für Arbeit ist nach § 168 SGB III nur für beendete Arbeitsverhältnisse vorgesehen.
b) Für Kunden (Alt- und Neukunden):
Die Insolvenz eines Modekonzerns kann verschiedene Auswirkungen auf Kunden und Lieferanten haben. Die Insolvenz eines Modeunternehmens kann dazu führen, dass die Geschäfte geschlossen werden und die Kunden ihre gewünschten Produkte nicht mehr erhalten können.
- Geschenkkarten und Gutscheine könnten ihren Wert verlieren vgl. Ausführungen unten
- Garantieansprüche können möglicherweise nicht erfüllt werden, vgl Ausführungen unten.
c) Für Lieferanten:
Die Insolvenz eines Kunden kann für Lieferanten zu erheblichen finanziellen Verlusten führen.
Es kann zu Verzögerungen oder Ausfällen bei der Bezahlung von Rechnungen kommen.
Eigentumsvorbehalte sind nicht einfach zu bestimmen und durchzusetzen.
- Lieferanten könnten Zahlungsausfälle erleiden
- Es könnte zu Verzögerungen oder Stornierungen von Bestellungen kommen.
- Langfristige Verträge könnten neu verhandelt oder gekündigt werden.
5. Was sind mögliche Restrukturierungsmaßnahmen, die in der Insolvenz ergriffen werden können:
a. Strategische Neuausrichtung des Unternehmens und Veränderung des Geschäftsmodells:
Das kann beinhalten, neue Märkte zu erschließen, neue Produkte zu entwickeln oder das Geschäftsmodell grundlegend zu ändern.
b. Änderung der Arbeitsprozesse im Unternehmen: Das kann beinhalten, ineffiziente Prozesse zu verbessern, neue Technologien einzuführen oder die Organisationsstruktur zu ändern.
c. Ausgliedern bzw. externe Abwicklung von Prozessen (Outsourcing): Das kann beinhalten, bestimmte Geschäftsprozesse an externe Dienstleister auszulagern, um Kosten zu senken und sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren.
d. Einstellung von einzelnen Produkten oder Schließung von Abteilungen: Das kann beinhalten, unrentable Produkte oder Dienstleistungen einzustellen oder bestimmte Abteilungen zu schließen, um Kosten zu senken.
e. Rangrücktritt, Forderungsverzicht oder debt-to-equity Swaps: Gläubiger können auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten oder ihre Forderungen in Eigenkapital umwandeln, um das Unternehmen zu stabilisieren.
f. M&A-Aktivitäten und übertragenden Sanierungen: Das Unternehmen kann fusionieren, Teile des Unternehmens verkaufen oder andere Unternehmen kaufen, um seine finanzielle Situation zu verbessern.
g. Implementierung doppelnütziger Treuhand: Ein Treuhänder kann eingesetzt werden, um die Interessen aller Beteiligten zu wahren und den Restrukturierungsprozess zu überwachen.
h. Refinanzierungen und Sale & Lease back: Das Unternehmen kann neue Finanzierungen aufnehmen oder Vermögenswerte verkaufen und zurückmieten, um Liquidität zu schaffen.
6. Besonderheiten in der Insolvenz
a) Insolvenz: Anspruch auf Gewährleistung
Bei Mängeln und Reparaturen ist grundsätzlich der Verkäufer der richtige Ansprechpartner. Kommt es infolge der Insolvenz zur vollständigen Geschäftsaufgabe, können Verbraucher:innen ihre Ansprüche weiter beim Insolvenzverwalter geltend machen. Da der Händler seinen Betrieb eingestellt hat, wird eine Reparatur oder ein Austausch über ihn nicht mehr erfolgen. Sie können die mangelhafte Ware auf ihre Kosten reparieren lassen und diese im Wege des Schadensersatzes vom Insolvenzverwalter verlangen- allerdings sind die Erfolgsaussichten, Reparaturkosten in voller Höhe erstattet zu bekommen, wegen der Vielzahl der Forderungen gering. Im Fall der Geschäftsaufgabe wird es daher schwierig werden, Ansprüche auf Gewährleistung durchzusetzen.
b) Insolvenz: Gutscheine und Ratenkauf
Beim Ratenkauf müssen die Raten für gelieferte Ware auf jeden Fall weiterbezahlt werden. Sollte eine neue Bankverbindung als Zahlungsziel genannt werden, muss diese auch verwendet werden. Verbraucherinnen sollten die Echtheit der Angaben überprüfen, um nicht auf Betrüger reinzufallen. Gutscheinbesitzer sollten versuchen die Gutscheine in den nächstgelegenen Filialen einzulösen. Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens können Forderungen nur noch zur Insolvenztabelle angemeldet werden.
Sie haben Fragen oder suchen Hilfe ?
Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
kulzer@pkl.com
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0351/8110233
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